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Die Zeichen stehen auf Gegenwind

Lesezeit: 8 Minuten

Abstandregelungen, Nachtbefeuerung, EEG-Novelle – es gibt vieles, was die Windenergiebranche unter Druck gesetzt. Wir zeigen, wo es den Betreibern unter den Nägeln brennt.


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Erste Zeichen des Abschwungs zeigen sich jetzt auch in der Windbranche. Im Jahr 2015 wurden zwar 1368 Anlagen mit zusammen 3731 Megawatt (MW) neu installiert. Doch das ist rund ein Fünftel weniger als im Vorjahr, als über 4700 MW neu dazugekommen waren. Der Bundesverband Windenergie (BWE) begründet diesen Rückgang damit, dass das Jahr 2014 einerseits wegen Vorzieheffekten und neuer Flächenausweisungen ein Rekordjahr war. Andererseits seien die Betreiber aber auch wegen der bevorstehenden Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) verunsichert und haben weniger installiert.


Vor allem der Ersatz vieler alter Anlagen durch leistungsstarke neue (Repowering) bricht immer weiter ein. Mit 253 wurden nur etwa halb so viel Anlagen zurückgebaut wie im Jahr 2014. Einen finanziellen Anreiz wie mit dem Repoweringbonus gibt es dafür nicht mehr. Der Bonus wurde mit dem EEG 2014 abgeschafft. Jetzt werden alte Anlagen nur noch dann abgebaut, wenn sie nicht mehr wirtschaftlich oder defekt sind bzw. wenn die Nachfrage nach der Fläche groß ist, erklärt das Sachverständigen- und Ingenieurbüro Deutsche Windguard. Erst ab 2021 rechnet Windguard wieder mit mehr Repowering, wenn die EEG-Vergütung für die ersten Anlagen nach 20 Jahren ausläuft.


Höhere Abstände

: Der Trend geht zu immer größeren Anlagen (siehe Kasten auf S. 34). Die größer werdenden Windräder sind zwar gut für die Energiewende: Sie sorgen für mehr Volllaststunden der Anlagen und gleichmäßigere Stromproduktion. Allerdings sind sie auch wegen der Größe in der Landschaft deutlich präsenter und sichtbarer. Das belastet die Akzeptanz – meinen zumindest einige Skeptiker. So hat beispielsweise im Windland Schleswig-Holstein die CDU-Landtagsfraktion im April den Antrag gestellt, die Abstände zu Siedlungsbereichen von derzeit 800 auf 1200 m zu erhöhen. Als Grund gibt die Fraktion an, die größer werdenden Anlagen könnten die Anwohner beeinträchtigen.


Trotz der höheren Abstände blieben laut CDU mit zwei Prozent der Landesfläche noch genügend Fläche zur Verfügung, um die Energiewende zusammen mit der Akzeptanz der Bürger voranzubringen.


Nicole Knudsen, Leiterin der Landesgeschäftsstelle des Bundesverbandes Windenergie (BWE SH), sieht in der Forderung reinen Populismus im Wahlkampf, um Stimmen aus dem Lager der Windkraftgegner zu gewinnen. Mit diesen Abständen wären die energiepolitischen Ziele der Landesregierung nicht mehr zu erreichen. Die Menge der Flächen würde sich halbieren.


Welche gravierenden Auswirkungen pauschale Abstandsregelungen haben können, zeigt die Erfahrung aus Bayern. Hier hat die bayerische Landesregierung im November 2014 die schon im Vorfeld sehr umstrittene 10H-Regelung eingeführt. „10H“ besagt, dass Windräder nur in einem Abstand zur Wohnbebauung aufgestellt werden dürfen, der das Zehnfache der Anlagenhöhe beträgt. Bei modernen Anlagen mit 200 m Höhe bedeutet das einen Abstand von 2 km. Mit diesem Abstand lassen sich kaum noch neue Standorte finden. Die Folge: Im Zeitraum April bis Oktober 2015 gab es nach Aussagen der bayerischen Staatsregierung nur noch zehn Anträge für neue Windkraftanlagen. In den Jahren zuvor wurden pro Halbjahr etwa 150 neue Anlagen beantragt.


Aus diesem Grund hat eine Gemeinschaft aus Bürgern und Organisationen gegen die 10H-Regelung eine Verfassungsklage eingelegt. Die Initiatoren, der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell und der Grüne Patrick Friedl sind zuversichtlich, dass die Richter die 10H-Regelung bei der Urteilsverkündung am 9. Mai 2016 wieder abschaffen.


Auch die bayerische Landesvertretung des Bundesverbandes Windenergie berichtet von einem massiven Einbruch bei Genehmigungen und Genehmigungsanträgen aufgrund der 10H-Regelung. Damit würde das Energieziel aus dem Jahr 2011 in weite Ferne rücken. Nach dem Konzept „Energie innovativ“ sollten im Freistaat bis zum Jahr 2021 insgesamt 1500 neue Windräder aufgestellt werden. Seit 2012 wurden in Bayern dagegen nur 383 neue Anlagen errichtet.


Klare Kriterien im Rahmen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der TA Lärm sorgten in 15 Bundesländern für einen stabilen Ausbau der Wind-energie. „Nur in Bayern wird ein Sonderweg beschritten, der bundesweit die öffentliche Diskussion vergiftet“, kritisiert auch Hermann Albers, Präsident Bundesverband WindEnergie.


Große Abstände helfen nicht:

Dabei helfen pauschale Abstände nicht weiter, wie vier psychologische Studien der Universität Halle seit dem Jahr 1999 zeigen. Danach sei die Akzeptanz gegenüber der Windenergie bei der Mehrheit der Bürger hoch, während eine kritische Minderheit die Diskussionen besetze, heißt es in dem aktuellen Jahresbericht 2016 „Innovation durch Forschung“ des Bundeswirtschaftsministeriums.


Die Akzeptanz sei noch höher, wenn die Menschen wüssten, dass die Mehrheit dafür ist, das Projekt erkennbar der Energiewende dient und die Bürger auf Augenhöhe mit einbezogen würden, sagt Professor Gundula Hübner von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Da Menschen bei einer negativen Einstellung der Windenergie gegenüber bestimmte Geräusche stärker wahrnehmen und beispielsweise Symptome wie Schlafstörungen auf die Windenergie schieben, müsste die Forschung bei der Entwicklung von Rotorblattprofilen auch die Wirkung der Anlagen auf die Menschen im Blick haben.


Blinklicht und Radar:

Ein weiteres Problem bei der Akzeptanz ist neben der Höhe auch die Hindernisbefeuerung in der Nacht. Hier helfe laut Hübner, dass diese seit 2015 bedarfsgerecht ein- und ausgeschaltet werden darf. Der Änderung einer entsprechenden Verwaltungsvorschrift hat der Bundesrat im Juli 2015 zugestimmt. Danach ist es zulässig, dass die Lichter auf den Anlagen nur dann blinken, wenn sich ein Flugzeug nähert. Neben der bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung sollen auch neue Lichttechnologien, Obergrenzen für die Lichtstärke und die Verringerung der Mindestanzahl der Hinderungsbefeuerungsebenen die Blinklichter reduzieren. Erste Pilotprojekte dazu laufen.


Mehr Streit gibt es dagegen um Radaranlagen von Flughäfen oder Militäreinrichtungen. Bundesweit waren im vergangenen Jahr insgesamt 799 Windkraftanlagen mit 2333 MW betroffen, bei denen die Deutsche Flugsicherung (DFS) Bedenken wegen der Auswirkungen auf die Drehfunkfeuer hatte. Wie der BWE kritisiert, versperrt sich die DFS gegen technische Lösungen und zwingt Investoren und Genehmigungsbehörden in gerichtliche Auseinandersetzungen.


Die jüngste davon gab es im April 2016. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hatte entschieden, dass eine fachliche Stellungnahme der DFS wegen ihrer gesetzlichen Aufgabenzuweisung mehr Gewicht habe als fachlich fundierte Gutachten anderer anerkannter Fachleute. In dem vorliegenden Fall ging es um vier geplante Anlagen der Windwärts-Energie GmbH in der Region Hannover. Die Anlagen sollen angeblich den Betrieb des Drehfunkfeuers ,,Leine“ und damit unter anderem den geordneten Betrieb am Flughafen Hannover gefährden.


Der Rechtsstreit hatte mittlerweile sechs Jahre angedauert. Laut Windwärts war der international renommierte Experte Dr. Gerhard Greving zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Störung des Navigationssystems sehr gering und damit zu vernachlässigen sei. Aufgrund des Urteils kann das Bundesamt für Flugsicherung (BAF) dieses und ähnliche Gutachten aber in Zukunft ignorieren. ,,Dieses Urteil trägt dazu bei, den zukünftigen Ausbau der Windenergie in Deutschland auszubremsen“, kritisiert Lothar Schulze, Geschäftsführer von Windwärts. Dabei gäbe es zwischen Windenergienutzung und Flugsicherung weit weniger Konflik-te, als uns hierzulande weisgemacht werde. So würden in allen Ländern außer Deutschland die von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO empfohlenen Computersimulationen zur Berechnung der Störungen eingesetzt. Nach Ansicht von Windwärts müsste jetzt der Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen den Zielen des Windenergieausbaus und der Flugsicherung herstellen.


Um- statt Abschalten:

Ein weiterer Hemmschuh für die Windenergiebranche ist der §24 im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Danach sollen Windparks für ihren Strom bei anhaltend negativen Strompreisen keine Vergütung bekommen. Negative Strompreise an der Börse können auftreten, wenn bei geringem Verbrauch zu viel Strom ins Netz fließt. Eine Lösung für viele Windparks wäre es, bei einer drohenden Abschaltung bzw. dem Verlust der Vergütung den Strom nicht ins Netz einzuspeisen, sondern z.B. zur Produktion von Wärme oder im Verkehr, in Power-to-Gas-Anlagen oder Ähnlichem einzusetzen.


Aber hierbei gibt es rechtliche Hürden. Beispielsweise müssten Nutzer die EEG-Umlage oder die Stromsteuern auf den Strom zahlen, was die Anwendung häufig unwirtschaftlich macht. Das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) aus Greifswald hält es laut der Studie „Umschalten statt Abschalten“ für möglich, dass diese rechtlichen Änderungen mit dem Europarecht vereinbar sind.


Ausschreibung droht:

Das größte Damoklesschwert ist jedoch das geplante Ausschreibungsmodell (siehe Kasten). Der Gesetzgeber sieht dabei einen Höchstwert von 7 ct/kWh für einen 100%-Standort vor. Wie die Studie „Kostensituation der Windenergie an Land“ der Deutschen Windguard zeigt, liegen die Stromgestehungskosten auf so einem Standort aber aktuell schon bei 6,7 ct/kWh.


Und das Ausschreibungsverfahren wird die Stromgestehungskosten tendenziell noch erhöhen, zeigt die Studie. Zwar könnte es einen Kostendruck auf die Hersteller geben, um die Anlagenpreise zu senken. Für steigende Kosten spricht dagegen der höhere Planungs-aufwand oder das Umlegen der Kosten von nicht bezuschlagten Projekten auf andere Windparks. Auch mögliche Strafzahlungen bei Verzögerungen beim Bau der Parks würden die Kosten weiter steigen lassen. Das Ausschreibungsverfahren erhöht also den wirtschaftlichen Druck.


Die Entwicklungen zeigen, dass die Windenergie im Jahr 2016 stürmischen Zeiten entgegenblickt. Vieles hängt jetzt von der Politik ab.


Hinrich Neumann

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