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Wie geht es den Farmern in Südafrika?

Lesezeit: 7 Minuten

Südafrika ist immer noch der größte Agrar-Exporteur auf dem schwarzen Kontinent – trotz der großen inneren Spannungen auch in der Landwirtschaft. Wir haben uns vor Ort umgeschaut.


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Südafrika. Das sind atemberaubend schöne Landschaften, Früchte, Wein – und hohe Kriminalität, Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsgruppen sowie Regierungskrisen. In Südafrika gibt es etwa 35 000 professionelle Farmen. Die meisten davon – und vor allem die 6 000 großen – sind in privatem Besitz – in weißem Besitz. Dabei soll es sich um etwa 80 % der Ararfläche handeln. Von den übrigen 20 % müssen etwa 1,3 Mio. Kleinbauern leben.


Das sorgt für Spannungen. Ein großer Teil der schwarzen Bevölkerung wirft den weißen Farmern, überwiegend Buren niederländischer Herkunft, Landraub vor. Die wiederum berufen sich darauf, bereits seit 1652 im Land zu sein. Das gilt auch für Blackie Swart, mit dem wir die ersten Tage unterwegs sind. Swart arbeitet für Lemken. Seine Vorfahren seien seit über 300 Jahren am Kap, sagt er. Für viele der schwarzen Bevölkerungsstämme gelte das nicht, so behaupten es zumindest Buren wie Blackie Swart. Fakt ist aber auch, dass die Buren im 19. Jahrhundert immer stärker ins Landesinnere drängten. Dabei ist es zu Vertreibungen und blutigen Auseinandersetzungen mit den Ureinwohnern gekommen.


Arm und reich:

Seit 1994 regiert der ANC, die Partei von Nelson Mandela, mit absoluter Mehrheit. Das hat die Machtverhältnisse zwischen Schwarzen und Weißen umgekehrt. Apartheid war gestern. Jetzt fühlen sich die weißen Farmer durch die Regierung unterdrückt. Südafrika zählt gemäß der Weltbank-Klassifizierung zu den „Ländern mit höherem und mittlerem Einkommen“. Doch lebt laut der deutschen Botschaft in Südafrika fast die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der inter­nationalen Armutsgrenze. Armut, die man sieht: Vor allem am Rand der Städte gibt es große Townships mit ärmlichen Hütten. Die Einkommensungleichheit ist nach Einschätzung der Botschaft eine der höchsten der Welt.


Die Arbeitslosigkeit ist hoch, im ersten Quartal 2015 lag sie über 26 %. An vielen Kreuzungen stehen Menschen, die versuchen, irgendetwas zu verkaufen oder einfach ihre Arbeitskraft anbieten. Mit­glieder der Regierung und Verwaltung bedienen sich dagegen oft schamlos. Im Internet kursieren Bilder von den Prachtbauten des Präsidenten Jacob Zuma. Derweil bröckelt die Infrastruktur. Regelmäßig wird der Strom in einigen Bereichen abgeschaltet, weil die Netze überlastet sind. Dieses „load shedding“ wird immerhin per SMS angekündigt.


Viele weiße Farmer leben in Angst vor Überfällen. Alle haben Mauern, Elektrozäune und Hunde, um sich zu schützen. Sie schließen sich nachts ein, manchmal sogar hinter zusätzlichen Gittern innerhalb der Häuser. „Wir Afrikaner leben in Gefängnissen“, sagt einer von ihnen, und die Situation habe sich verschlimmert.


Offiziell bestreitet die Regierung, dass es eine Häufung dieser Fälle gibt. Doch es vergeht keine Woche, in der nicht irgendwo ein Farmer ausgeraubt oder getötet wird. Ein anderer erzählt uns, dass seit dem Regierungswechsel 1994 angeblich ca. 70 000 weiße Südafrikaner durch Verbrechen ums Leben gekommen seien sollen. Bestätigen lässt sich diese Zahl nicht. Die Zahl der ermordeten schwarzen Südafrikaner dürfte noch höher liegen. Die Mordraten in den Townships sind beträchtlich. An der Tagesordnung sind auch Viehdiebstähle. Viele Farmer haben sich angeblich allein deswegen von der Schafhaltung verabschiedet, weil sich die Tiere so einfach stehlen lassen. Nach Aussage des Bauernverbandes AgiSA werden pro Jahr 100 000 Nutztiere gestohlen. Manche machen aus ihrem großen Weidebetrieb deshalb eine „Game-Farm“: Sie halten halbwilde Antilopen und andere Tiere, die von zahlenden Jagdgästen erlegt werden.


Unter dem Mindestlohn:

Neben den vielen Kleinbauern mit Subsistenzwirtschaft arbeiten rund 4,8 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft. Die meisten von ihnen sind schwarz, die Vorarbeiter aber meist weiß. Viele Farmarbeiter leben in ärmlichen Verhältnissen. Ein Farmer sagt, dass er einem ausgebildeten Schlepperfahrer etwa 4 000 südafrikanische Rand zahlt, das sind rund 295 € pro Monat. Doch teils sollen Arbeiter nicht mal den Mindestlohn von etwa 140 € erhalten. Im Vergleich sind die Lebenshaltungskosten hoch. In einem Supermarkt, den wir in einem Dorf besuchen, kostet der Liter Milch 10 Rand (0,74 €), das Kilogramm Rindfleisch zwischen 20 und 50 Rand (rund 1,50 € bis 3,50 €).


Kein Wunder, dass die Arbeit in der Landwirtschaft für viele nicht attraktiv ist. Farmer berichten, dass Arbeiter abwandern, vor allem, sobald sie mit der Technik fit sind und einen Führerschein haben. Minengesellschaften und Lkw- Unternehmen zahlen besser. Der Bergbau ist mit der Industrie der wichtigste Wirtschaftszweig (knapp 22 % am BIP).


Die Farmer gehen mit dem Arbeitskräftemangel unterschiedlich um. Einige bilden immer neue Leute aus, verwehren ihnen aber den Führerschein und wundern sich, wenn sie diese Mitarbeiter doch über kurz oder lang verlieren. Andere versuchen, die Arbeiter an den Betrieb zu binden. Sie stellen ihnen z. B. Wohnungen – wenn auch einfache. „Ein guter Kontakt ist meine erste Verteidigungslinie“, sagt einer. Ein guter Arbeitgeber werde nicht so schnell Opfer eines Überfalls, glaubt er.


Zwar sind die Farmer als Eigentümer der Flächen im Grundbuch eingetragen. Ziel der Regierung ist aber, einen großen Teil des Landes an die landlose schwarze Bevölkerung umzuverteilen. Als Ausgleich für die frühere „koloniale Landnahme“, wie es heißt. Bis 2015 sollten so rund 25 % der Nutzfläche an schwarze Neufarmer („Emerging Farmers“) übertragen werden.


Viele Neufarmer scheitern. Bisher wurde erst ein Viertel des gesetzten Ziels erreicht. Zum Teil konnten weiße Farmer das von Musterbetrieben aufgegebene Land pachten. Selbst offizielle Stellen geben zu, dass der größte Teil der umverteilten Flächen nicht optimal genutzt wird oder sogar brach liegt.


Beschleunigte Landreform:

Kein Wun-der, denn die Neufarmer werden von der Regierung allein gelassen. Allenfalls gibt es einen Schnellkurs Landwirtschaft. Bei den schwierigen klimatischen Bedingungen ist das zu wenig. Dennoch hat die Regierung angekündigt, den Prozess der Landreform zu beschleunigen. Bald soll Land auch ohne Einverständnis des Besitzers aufgekauft werden können, wenn er dafür „angemessen“ entschädigt wird, berichtet die deutsche Botschaft.


In der Wirtschaft gibt es seit 2003 das Programm BEE (Black Economic Empowerment). Es legt Quoten für die Be­teiligung schwarzer Manager in der Unternehmensleitung fest und soll die Weiterbildung der Mitarbeiter regeln. Industrieunternehmen müssen die BEE-Bedingungen erfüllen, um an Regierungsaufträge zu gelangen. Viele Farmer fürchten, dass der Staat künftig auch ein ähnliches Mitspracherecht für landwirtschaftliche Betriebe verlangt.


Es fehle nach Aussage der Farmer die klare Linie der Politik. Ständig kämen neue, teils gegensätzliche Vorschläge: „Unsere Zukunft hier ist ständig bewölkt“, sagt ein Farmer mit einem hilflosen Lächeln. Doch viele wollen unbedingt weitermachen: „Wir lieben das Land, wir lieben die Landwirtschaft. Und wir Afrikaaner sind nicht dafür bekannt, dass wir schnell aufgeben!“ Das sehen offenbar nicht alle so. Die Zahl der von Weißen geführten Farmen nimmt ab, in einigen Regionen sogar rasch. Manche Farmer wandern in benachbarte Länder ab und sind dort mit ihrem Know-how durchaus willkommen.


Mit der Zahl der Farmen sinkt auch die Produktion von Nahrungsmitteln in Südafrika – dem afrikanischen Land mit der höchsten Versorgungssicherheit und den größten Agrarexporten. Bei unseren Besuchen zeigen viele Farmer auf das Beispiel Simbabwe, einst der „Brotkorb“ Afrikas. Hier hat der Diktator Robert Mugabe die meisten Farmer vertrieben. Viele der einst fruchtbaren Felder liegen heute brach.Guido Höner

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