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topplus Reportage

„Wir stoßen an Grenzen!“

Lesezeit: 6 Minuten

Mehr Tierwohl, gesündere Kühe und eine effizientere Milchproduktion. Ulrich Bosch hat den Biomilchviehbetrieb Brook nachhaltiger gemacht – trotz eines alten Stalls.


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Auf den ersten Blick lesen sich die Zahlen des Bioguts Brook bei Kalkhorst im äußersten Nordwesten Mecklenburg-Vorpommerns sehr gut. Die 240 Holstein Friesian geben im Schnitt 9300 kg pro Kuh und Jahr. Die Flächenausstattung ist mit 1450 ha sehr großzügig, bei guten Böden mit bis zu 60 Bodenpunkten. Der größte Teil des Grünlands liegt arrondiert, was die im Ökolandbau vorgeschriebene Weidehaltung erleichtert.


Doch die Forscher entdeckten bei ihrer Betriebsanalyse der Milchviehhaltung im Jahr 2015 zahlreiche Schwachstellen, die das Tierwohl und die Effizienz der Erzeugung schmälerten. So zeigte etwa der geringe Eiweißgehalt der Milch von nur 3%, dass der Energiegehalt der Ration nicht ausreichte, obwohl bereits sehr viel Kraftfutter eingesetzt wurde (9 kg/Kuh und Tag). Auch bei den am Tier erhobenen Merkmalen zur Beurteilung des Tierwohls wurden Probleme in der Haltung deutlich. Ein Großteil der Tiere war trotz Weidehaltung auch im Sommer stark verschmutzt, vor allem an Hinterbeinen und Euter.


Etwa 90% der Kühe hatten zudem haarlose Stellen an Fußgelenken und im Nackenbereich. Während in der Weidesaison nur 3% der Tiere Lahmheiten aufwiesen, stieg der Anteil in der Stallhaltungsperiode auf 12%. Auch bei der Eutergesundheit zeigten sich größere Probleme, im Schnitt lagen die Zellzahlen bei 250000 pro ml Milch. Viele Kühe mussten aufgrund von Mastitis-Problemen gemerzt werden.


„Wir wussten, dass wir nicht gut genug sind. Deshalb haben wir ganz bewusst bei der Studie mitgemacht“, sagt Betriebsleiter Ulrich Bosch. Und er macht klar, dass es auf dem Betrieb viele Faktoren gibt, die den Spielraum für Anpassungen einschränken. Das gilt besonders für den Boxenlaufstall. ▶


Der stammt aus dem Jahr 1993 und hat nach heutigen Maßstäben zu enge Laufbereiche, zu niedrige Traufhöhen und es fehlt eine offene Traufseite, die bei modernen Ställen ein besseres Stallklima ermöglicht.


Neuer Stall: keine Alternative


„Aber ein Stallneubau in unserer Größenordnung mit zukünftig 450 Tieren würde etwa 3,5 Millionen Euro kosten und ist deshalb vorerst noch nicht angedacht“, erklärt Bosch. „So lange arbeiten wir mit dem, was wir haben und versuchen es besser zu machen.“


Der erste Schritt nach der Analyse der Forscher war, die alten Gummimatten aus den Liegeboxen zu entfernen. Denn trotz dünner Strohauflage waren sie die Ursache für die Abriebstellen an den Gelenken der Tiere, die sich zum Teil auch entzündeten.


Stattdessen arbeitet Bosch seit mittlerweile vier Jahren mit einem Gemisch aus Strohhäcksel und kohlensaurem Kalk, der eine leicht desinfizierende Wirkung hat. „Damit sind wir sehr zufrieden“, freut sich Bosch. „Abriebstellen gibt es so gut wie gar nicht mehr und die Kühe sind jetzt picobello sauber.“


Auch die Problematik der haarlosen Stellen im Nackenbereich vieler Tiere ging er direkt an. Ursache waren zu niedrig eingestellte Nackenriegel, die vor allem beim Aufstehen immer wieder zu schmerzhaften Kontakten führten. Bosch ließ alle Nackenriegel etwas höher anbringen und konnte so mit wenig Aufwand das Tierwohl verbessern.


Mehr Tränken


Genauso einfach konnte er das Problem der fehlenden Weidetränken lösen, das die Forscher bei ihrer Erhebung beanstandet hatten. Die wenigen vorhandenen Einzeltränken ersetzte er durch mehrere drei Meter breite Trogtränken, die er an verschiedenen Punkten der Weide installierte. Damit verkürzte er die zuvor oft weiten Wege zum Wasser und sorgte für mehr Ruhe an den Tränken, da mehrere Kühe gleichzeitig saufen können.


Um die Zellzahl- und Mastitisprobleme in den Griff zu bekommen, intensivierte Bosch zusätzlich zur verbesserten Boxenhygiene die Euter- und Milchkontrollen. Die Milch auffälliger Kühe wird seit 2016 regelmäßig im Labor auf Erregerzahl und -typ untersucht. Außerdem arbeitet der Betrieb auf Anraten der Forscher seitdem mit Zitzenversieglern. Die Zellzahlen konnten aber trotz dieser Maßnahmen nicht nennenswert gesenkt werden.


Dafür hat Bosch eine Erklärung: „Hier stoßen wir einfach mit dem Melkpersonal an Grenzen. Oft wird einfach zu schnell gearbeitet und zu wenig kontrolliert, obwohl wir regelmäßig fortbilden. Und letztlich sind wir froh, wenn wir überhaupt Melker finden.“ Eine weitere schwierige Baustelle ist laut Bosch die Fütterung der Herde: „Unsere HF-Kühe sind sehr leistungsbereit und brauchen eine möglichst energiereiche Ration. Das kriegen wir aber mit unseren Ökofuttermitteln nicht immer hin, trotz der zum Teil hohen Kraftfuttermengen.“


Energie ins Grundfutter


Die Wissenschaftler rieten dazu, den Kraftfutteranteil für eine bessere Pansengesundheit zu reduzieren, die Grundfutterqualitäten zu verbessern und den Maisanteil zu erhöhen. „Mehr Mais kommt für uns aber nicht infrage, weil Biomais sehr teuer ist. Außerdem brauchen wir die Gülle für andere Kulturen.“ Stattdessen ist Kleegras das wichtigste Grundfutter für die Herde. Als wichtiger Bestandteil der Biofruchtfolge wird es ohnehin auf etwa 240 Hektar angebaut und bildet so für den Betrieb ein günstiges Grundfutter. Deshalb blieb Bosch bei einer Ration aus zwei Dritteln Kleegrassilage und einem Drittel Maissilage plus Kraftfutter.


Statt mehr Mais anzubauen, versucht er, die Qualität seines Grundfutters zu verbessern. „Die Frage bei Kleegras ist allerdings, ob es gut gelingt oder nicht“, sagt Bosch.


Im letzten Jahr erntete er mit 6,5 MJ NEL/kg TM hervorragende Qualitäten, die es erlaubten, den Kraftfutteranteil von 9 auf 6 kg/Tag zu reduzieren. In diesem Jahr konnte dagegen wegen Küstennebels erst vier Tage nach dem Schnitt geerntet werden, was zu deutlich schlechteren Qualitäten führte mit nur 6,0 MJ NEL/kg TM. „Wir haben beim Grundfutter einfach nicht alles selbst in der Hand und müssen deshalb mit größeren Schwankungen leben.“


Um dennoch maximale Kleegrasqualitäten zu verfüttern, ist Bosch dazu übergegangen, nur noch den ersten Schnitt im zweiten Anbaujahr an die Leistungsgruppe der hochleistenden Kühe zu verfüttern. Der Grund: Im Jahr der Einsaat kommt es oft noch zu einer stärkeren Verunkrautung der Bestände, die den Energiegehalt im ersten Schnitt „verdünnen“.


Ein weiterer Schritt zur Anpassung der Fütterung ist ein dichteres Kontrollnetz bei der Milch. Neben den monatlichen Daten aus der allgemeinen Milchkontrolle berücksichtigt Bosch auch die Fett-, Eiweiß- und Harnstoffwerte der Tankkontrollen. Die Daten erhält der Betrieb dreimal im Monat. Sie sind die Basis für kurzfristige kleinere Anpassungen der Ration.


HF oder Fleckvieh?


„Im Grunde stellt sich aber die Frage, ob die HF-Kühe für uns die richtige Rasse sind“, sagt Bosch. Auf der Suche nach Alternativen hat er schon einmal versuchsweise extensivere Rassen wie Fleckvieh oder Angler eingekreuzt. Aber die Tiere erwiesen sich entweder als zu kleinrahmig und verschmutzten die Boxen zu stark oder es gab Probleme mit unreinen Eutern. „So landen wir am Ende doch immer wieder bei unseren leistungsstarken HF-Kühen, die wir im Rahmen unserer Möglichkeiten ausfüttern.“ ▶

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