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Bauer Willi: Massentierhaltung – Organisierte Tierquälerei?

Ein neuer Eitrag von Bauer Willi aus dem Rheinland, zuerst veröffentlicht unter www.bauerwilli.com . Massentierhaltung: Ein wunderschöner Begriff um in den Medien Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie ist ein Kampfbegriff gegen jede Form der bäuerlichen Tierhaltung geworden.

Lesezeit: 9 Minuten

Ein neuer Eintrag von Bauer Willi aus dem Rheinland, zuerst veröffentlicht unter www.bauerwilli.com.


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Massentierhaltung: Ein wunderschöner Begriff um in den Medien Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie ist ein Kampfbegriff gegen jede Form der bäuerlichen Tierhaltung geworden. Und der Chor der Kritiker ist groß: Parteien, Prominente, Tierrechtler, Umweltschützer, Fernsehköche, Pfarrer: alle sind sich einig, dass es „so ja nicht weitergeht“.


Jedem Nutztierhalter stehen 80 Mio. sachkundige Tierhaltungsexperten gegenüber, denn jeder unserer Mitbürger glaubt, sich ein Urteil erlauben zu können. Deshalb möchte ich mal meine Sicht der Dinge erzählen, falls ihr die überhaupt hören wollt…


Gestern und heute


Zugegeben: Moderne Tierhaltung ist nicht „schön“ und „nostalgisch“ anzusehen. Sie ist hochspezialisiert, sie ist effizient, sie ist hygienisch. Und deshalb nennen wir sie auch „Intensivtierhaltung“. Es gibt keine Misthaufen mehr, auf denen der Hahn kräht, keine Weide, auf der sich die Schweine im Schlamm suhlen. Und kaum noch Kühe, die in einem dunklen Stall an der Kette stehen. Ich habe das selber alles noch auf unserem Hof erlebt, das ist gerade mal 50 Jahre her. Und es stank nach Ammoniak, die Wände waren voller Fliegen und die Kühe auch.


Auch die Schweine liefen in einem dunklen Stall, auch hier stank es nach Ammoniak und die Ratten liefen durch die Tröge. Kann man auch heute noch sehen: in einem Freilichtmuseum in der Eifel. Da war ich vor ein paar Tagen. Ob man das schön findet, liegt nur am Betrachtungswinkel. Die Städter, die ich dort beobachtet habe, fanden das schön. Ich sage nur: Hygiene und Tierwohl sieht anders aus! Ställe des 19. Jahrhunderts wären heute überwiegend nicht mehr erlaubt, weil sie den heutigen Tierschutzstandards nicht mehr entsprechen.


Die Realität heute: moderne, offene, licht- und luftdurchflutete Kuhställe, in denen sich die Kühe frei bewegen können mit automatischer Entmistung und Liegematten aus weichem Gummi. Die Kuh geht dann zum Melkroboter, wenn sie Lust drauf hat, holt sich ihr schmackhaftes und gesundes Futter wann sie will oder lässt sich an der Kuh-Bürste den Rücken massieren. Wellness-Hotels für Milchkühe. Das ist tiergerecht! Das ist tierfreundlich!


Die moderne Tierhaltung ist aus dem Zwang entstanden, unter Preisdruck immer effizienter zu werden und so die Stückkosten zu senken. Die Milch ist ja nicht teurer geworden. Als 30 Kühe nicht mehr zum Überleben des Betriebes lohnten, mussten es 50 oder 100 werden, damit das gleiche Einkommen erzielt werden konnte. Das gleiche bei Hühnern: vor 40 Jahren haben wir die Eier für 24 Pfennig das Stück verkauft, heute kostet es beim Discounter 10 Cent. Das geht nur mit größeren Einheiten. Ich erinnere mich, dass meine Großmutter von einem teuren Kuchen sprach, wenn da drei oder vier Eier drin waren.


Was aber gestiegen ist sind die Anforderungen an die Hygiene. Und das ist gut so und war bestimmt auch nötig. Ein Beispiel: Als wir unsere Hühnerhaltung aufgegeben haben, haben wir die Eier von einem Nachbarn im Dorf gekauft. Von „freilebenden“ Hühner. Die Folge: unser damals dreijähriger Sohn hatte eine schwere Salmonellen-Infektion. Sein Freund im Kindergarten auch, weil seine Mutter auch diese Eier gekauft hatte. Als wir noch Hühner in Bodenhaltung hatten, mussten die Tiere regelmäßig entwurmt werden.


In der Käfighaltung war das nicht mehr nötig. Federpicker hatten wir nur in der Bodenhaltung, Kannibalismus auch. Die Eier in der Käfighaltung wurden aber sofort über ein Laufband von den Hühnern wegtransportiert. Hygienischer geht es gar nicht. Wie lange liegen wohl Eier in Bodenhaltung im kotverschmierten Nest bis sie aufgesammelt werden? Und durch die Eischale marschieren viele Bakterien geradewegs durch. Ich weiß, dass wollt ihr nicht hören, es ist aber trotzdem wahr.


Wie soll es anders gehen?


Heute kommen 98 % des Fleisches aus moderner Tierhaltung, 2 % aus Biobetrieben. Ein Schlachthuhn aus einem Biobetrieb kostet zwischen 12 und 18 € und das ist ein absolut fairer Preis (Dirk Steffens, Wissenschaftsjournalist, hat dies in seinem Film „Projekt Hühnerhof“ ZDF dokumentiert). Denn das Bio-Huhn braucht mehr Platz, mehr Futter, mehr Zeit und macht mehr Arbeit. Und alle diese Produktionsfaktoren müssen entlohnt werden.


Das ist beim Biobauern nicht anders als beim modernen Bauern. Beide müssen von ihrer Arbeit leben können. Wenn ihr bereit seid, diesen Preis zu bezahlen, wird es mehr Bauern geben, die so produzieren. Aber wenn die Nachfrage nicht da ist, wird sie auch nicht gedeckt. Und noch eine unbequeme Wahrheit: die meisten Bioeier, die ihr beim Discounter kauft, stammen aus Ställen mit bis zu 10.000 Hühnern. Recherchiert vom WDR (Wieviel Bio ist im Ei?)


Jetzt kommt das Argument, dass ja niemand Fleisch essen muss. Das ist richtig. Auch in meiner Familie gibt es Vegetarier und das ist völlig in Ordnung. Aber es sei die Frage erlaubt, wo dann Milch, Käse, Eier oder Daunen und Leder herkommen sollen? Wo kommen Katzen- und Hundefutter her? Der Umsatz von Hunde- und Katzenfutter betrug im Jahr 2013 rund 2,7 Mrd. € (zum Vergleich: Babynahrung: 0,650 Mrd. €). In diesem Zeitraum lebten 19,8 Mio. Katzen und Hunde in deutschen Haushalten. Katzen und Hunde sind aber in den wenigsten Fällen Vegetarier. Sie waren früher mal Raubtiere und fressen auch heute noch Fleisch.


Wo sollen organische Dünger wie Gülle, Mist und Jauche herkommen, wenn wir die Tierhaltung abschaffen würden? Ich dünge gerne organisch, allein schon wegen der Erhaltung des Humus im Boden. In Biobetrieben ist es sogar ein Muss. Das geht nur durch Zufuhr von außen, weil wir ja das Erntegut (Getreidekörner, Rüben, Kartoffeln, Rapskörner) abfahren.


Jetzt sagt bloß nicht: vom Kompost! Wir reden hier von ein paar Millionen Hektar Ackerflächen, nicht von eurem Hausgarten. Tierische Scheiße ist kostbar, tierische Scheiße ist Natur. Durch den gezielten Einsatz von organischen Düngern aus der tierischen Produktion konnte der Einsatz von Phosphat- und Kalidüngern deutlich verringert werden ohne dass die Erträge sanken. Weil mineralische Dünger immer teurer werden, lohnt der Transport über weite Strecken in die Ackerbauregionen, wo er gemäß diversen Verordnungen und in staatlichen Datenbanken sauber dokumentiert, sinnvoll energieintensiv hergestellte Dünger ersetzt. Und die Bilanz in den viehstarken Regionen entspannt.


Aufreger Methan


Das Methan, dass die Kühe ausscheiden, enthält den Kohlenstoff, der vorher von den Futterpflanzen der Atmosphäre entzogen wurde. Methan wird übrigens auch abgebaut und in seine Urbestandteile zerlegt! Liest man aber nirgends. Und dass die Zahl der Rindviecher in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen ist und aufgrund der höheren Milchleistung der Ausstoß an Methan pro Liter Milch deutlich zurückgegangen ist, wird auch nicht berichtet. Passt ja auch nicht ins Weltuntergangsszenario.


Übrigens produzieren auch Schafe, Ziegen, Büffel, Kamele, Giraffen, Antilopen, Elche und Rentiere und selbst Hirsche und Rehe Methan. Sie sind nämlich alle Wiederkäuer und sind damit in der Lage, vom Menschen nicht nutzbare Pflanzen (Gras) in Energie (Fleisch, Milch, Leder) umzuwandeln.


Wenn wir einmal überlegen: Eine Kuh mit einer Jahresmilchleistung von 12.000 Liter hat 1x Grundumsatz (den braucht sie nur für den Erhalt ihres Körpers ohne Milchproduktion). Hält man dafür 3 Kühe mit je 4.000 Liter Milch brauchen die die Basisversorgung, den Grundumsatz dreimal. Man braucht statt einer Kuh mit hoher Leistung dreimal den Platz, das Futter und die dazugehörige Futteranlieferung. Die Verwertung des Futters ist so optimiert, dass diese eine Kuh auch viel weniger Methan ausstößt als 3 Kühe mit 4.000 Liter Jahresleistung. Und schließlich muss ich drei Kühe melken statt einer. Also auch viel mehr Arbeit.


Ja, Exzesse gibt es, überall, auch in der Tierhaltung. Aber sie sind nicht die Norm. Sie werden aber von selbsternannten Tierschützern zur Norm erhoben. Es geht bei der modernen Tierhaltung, die kritisiert wird, auch nicht um Schuld, sondern um die unterschiedlichen Perspektiven von Erzeuger und Verbraucher. Wenn man diese Form der Tierhaltung nicht mehr will, woher kommen dann die Produkte? Aus dem Ausland. Ist es da besser?


Das wissenschaftliche Gutachten


Jetzt gibt es ja das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates. Dort steht sinngemäß geschrieben, dass „die Landwirte mit Tieren Geld verdienen was zum Fehlen einer emotionalen Beziehung führt.“ Denkt man dies konsequent zu Ende, bedeutet es doch, dass erst dann eine gesellschaftliche Akzeptanz der Nutztierhaltung erreicht sein wird, wenn die Tiere in Freiheit leben. Doch dieser Gedanke ist erscheint mir absurd. Jedenfalls ginge es ihnen dann besser als unseren Hunden, Katzen, Wellensittichen, Goldfischen, Meerschweinchen und Goldhamstern.


Aber weiter heißt es auch: „In welchem Ausmaß allerdings Nutztieren Gelegenheit zum Erleben positiver Emotionen gegeben werden soll, ist eine weitgehend ethische Fragestellung”. Das heißt, wenn ich das mal für mich übersetze: Wir wollen es anders, wissen aber auch nicht richtig wie. Das hilft mir auch nicht viel weiter.

Und noch etwas: Die Initiative Tierwohl startet gerade und viele Landwirte machen freiwillig mit. Es soll ja auch ein paar Cent mehr fürs Kilo Fleisch geben, als Gegenleistung für die dafür notwendigen Investitionen. Hoffentlich werden die Bauern nicht enttäuscht und der Verbraucher greift doch wieder zum Sonderangebot…?! Mal sehen, welche Erklärung dann aus dem Hut gezaubert wird.


Und jetzt bin ich auf eure Kommentare gespannt. Ihr könnt mir aber auch zum x-ten Male vorwerfen, ich sei ja nur ein Handlanger von irgendwem, ihr könnt, statt sich sachlich mit diesem brisanten Thema auseinanderzusetzen, lieber persönlich werden. Sagt mir nur, wo die 80 kg Fleisch pro Kopf herkommen sollen, die aktuell jeder Deutsche pro Jahr verzehrt. 


Und verzichtet wenn möglich auf den Begriff “man sollte”. Dass man den Fleischverzehr einschränken sollte, dass man lieber weniger aber dafür besser essen sollte, und, und, und. Sagt mir doch konkret, wie es geht, ohne Verweise auf andere, die sich ändern müssen. Für Veganer stellt sich das Thema ja nicht. Wohl aber für Vegetarier, die Milch trinken und Käse essen.


Ich wollte euch das nur mal aus einer anderen Perspektive zeigen. Ganz wertfrei, ohne Ideologie, nur zum Nachdenken…


Euer Bauer Willi


Video-Tipp: Bauer Willi in der Lokalzeit Düsseldorf

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