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LWK-Unternehmertag: Landwirte zwischen Wunsch und Wirklichkeit

„Noch nie war der gesellschaftliche und politische Druck auf unsere landwirtschaftlichen Unternehmer so hoch wie heute. Gleichzeitig haben sich die Betriebe tagtäglich den knallharten Marktbedingungen zu stellen und somit einen Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu vollführen.

Lesezeit: 6 Minuten

„Noch nie war der gesellschaftliche und politische Druck auf unsere landwirtschaftlichen Unternehmer so hoch wie heute. Gleichzeitig haben sich die Betriebe tagtäglich den knallharten Marktbedingungen zu stellen und somit einen Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu vollführen. Wenn dann noch schlechte Preise wie derzeit bei Milch und Schweinen auf die Stimmung drücken, denken einige Landwirtsfamilien ans Aussteigen.“


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Mit eindringlichen Worten schilderte Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die aktuelle Lage auf vielen Höfen. Bei seiner Eröffnung des diesjährigen landwirtschaftlichen Unternehmertags, der am Donnerstag in Oldenburg stattfand, nannte Schwetje die gesellschaftliche und politische Akzeptanz „einen wichtigen Standortfaktor für die Betriebe“.

 

Rund 1.000 Besucher waren in die Weser-Ems-Halle gekommen, um zu erfahren, wie die Landwirtschaft angemessen auf die wachsende Kritik reagieren kann. Dabei gab das Thema der Veranstaltung die Richtung vor: „Landwirte im Fokus – Tue Gutes und rede darüber!“.


Vorschläge für Öffentlichkeitsarbeit


Schwetje forderte in diesem Zusammenhang „eine aktive und authentische Öffentlichkeitsarbeit mit positiven Botschaften“ und nannte einen Strauß an möglichen Instrumenten: die Führungen durch Ställe, die Einrichtung von Besucherfenstern, die Vermittlung landwirtschaftlicher Realität in Schulen und Kindergärten, aber auch die Nutzung der sozialen Medien wie Facebook oder Instagram. Landwirtschaftliche Unternehmer müssten noch stärker und besser vermitteln, wie ihre tägliche Arbeit tatsächlich aussieht. Dieses Vorgehen nannte Schwetje „geradezu existenziell“ und formulierte als Ziel „eine Landwirtschaft, deren Produktionsweise gesellschaftlich akzeptiert und wirtschaftlich tragfähig ist“.


Medien geben vor, welche Meinung der Bürger zu haben hat


Den Medien kommt nach Ansicht von Prof. Dr. Ulrich Nöhle bei dem Werben um mehr Akzeptanz eine zentrale Rolle zu. „Sie bestimmen in unserer Gesellschaft, was richtig oder falsch, gut oder schlecht ist“, so der Krisenmanager und Vorsitzende der niedersächsischen Verbraucherkommission. Einzelmeinungen verbreiteten sich in Sekundenschnelle um die ganze Welt und könnten einen Sturm der Entrüstung bis hin zum „Volksempören“ entfachen – oder im umgekehrten Falle zu Akzeptanz, Verständnis und Anerkennung führen.

 

Bei Lebens- und Futtermitteln würden Abweichungen von der Norm – ob gesundheitlich relevant oder nicht – schnell zu einem „Lebensmittelskandal“ hochstilisiert. Das könne nur verhindert werden, indem „sich der Inverkehrbringer innerhalb kürzester Zeit vor der medialen Öffentlichkeit entlastet“. Geschehe das nicht, werde das als Verdunkelung, Inkompetenz oder gar „vorsätzlich herbeigeführte mangelnde Transparenz“ ausgelegt. Die mediale Abstrafung folge auf dem Fuß. Den Akteuren der Lebensmittelwirtschaft empfahl Prof. Nöhle sicherzustellen, dass alle betrieblichen Abläufe transparent und für den Verbraucher verständlich sind und die Tatsachen im Krisenfalle ohne Verzug kommuniziert werden.


Billig einkaufen, aber auf die Bauern schimpfen


Der Honorarprofessor der Technischen Universität (TU) Braunschweig attestierte dem Verbraucher eine Art „doppelte Moral“: Einerseits sei sein Kaufverhalten „discountergeprägt“, andererseits empöre er sich „vor laufender Kamera über industrielle Produktion“ und „Massentierhaltung“. Er äußerte aber auch Verständnis dafür, dass der Konsument die „Werbung á la Fachwerk-Bauernhof“ für Lebensmittel nicht mit der Realität ihrer industriellen Produktion in Einklang bringen könne. Das gelte besonders im Fleischbereich. Hier würde aus dem „Normalzustand“ schnell ein „gefühlter Skandal“.

 

Für eine erfolgreiche und krisenfeste Lebensmittelbranche sieht Prof. Nöhle das Nebeneinander folgender Faktoren als unabdingbar: ein klassisches Qualitätsmanagement für die gelieferte Ware, den Nachweis gesellschaftlicher Akzeptanz gegenüber den tatsächlichen Prozessen und transparente sowie für den Verbraucher verständliche Abläufe.


Intensive Tierhaltung = Intensive Betreuung


Keine Probleme mit den Begriffen „Massentierhaltung“ und „Intensivtierhaltung“ hat die Junglandwirtin Alena Knoop, die nach ihrem Agrarstudium vor 1,5 Jahren auf dem elterlichen Michviehbetrieb mit Biogaserzeugung einstieg. Sie sieht in der größeren Tieranzahl zum Einen arbeitswirtschaftliche Vorteile und zum Anderen die Voraussetzung für einen professionelleren Umgang mit den Tieren: „Die Arbeitszeiten werden wegen mehrerer Mitarbeiter angenehmer, und schwierige Situationen werden routinierter abgearbeitet“, sagte sie. Außerdem ermögliche eine intensive Tierhaltung „auch eine intensive Tierbetreuung und -beobachtung“.

 

Zur Steigerung der Akzeptanz betreibt die Landwirtin „passive“ Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Credo lautet: „Alles was ich tue und was ich nicht tue, ist Öffentlichkeitsarbeit.“ Der „Butenpad“, ein aktiv beworbener Fuß- und Radweg um ihre Heimatstadt Osterholz-Scharmbeck, führt in Teilen über den Betrieb Knoop. Interessierte erhalten unmittelbar vom Weg aus Einblicke in die Ställe der 300 Milchkühe – und das ungeschönt. „Wir zeigen hier die Realität mit ihrer Sonnen-, aber auch ihrer Schattenseite“, erklärte Knoop, denn auch bei Schwergeburten oder kranken Tieren blieben die Tore offen.


Mörixmann vermarktet Aktivstall öffentlichkeitswirksam


„Jeder Tierhalter hat ein großes Interesse am Wohlergehen seiner Tiere“, brach Gabriele Mörixmann eine Lanze für ihre Berufskollegen und ergänzte: „Wenn man Tierwohl oder Ökologie ohne Berücksichtigung der Ökonomie ins Unendliche treibt, ist der Ruin die Folge.“ Ein Systemwechsel, wie von Gesellschaft und Politik so oft gefordert, finde immer zuerst an der Kasse statt.

 

Diesen Systemwechsel im Kleinen vollzog die selbstständige Landwirtin, die nach dem Studium in den Familienbetrieb in Melle (Landkreis Osnabrück) einstieg und dort für die Schweinehaltung verantwortlich ist. Vor zwei Jahren baute sie einen alten Schweinestall, der den Kriterien einer tiergerechten Haltung kaum noch standhielt, in einen „Aktivstall“ um und vermarktet ihn seitdem öffentlichkeitswirksam.

 

Knapp 900 Tiere haben dort die Möglichkeit, sich in acht verschiedenen Räumen auf einer Fläche von 1.300 Quadratmetern aufzuhalten. Es gibt zwei Fressabteile mit vier Fressbereichen, einen lichtdurchfluteten Ruhebereich, einen leicht abgedunkelten Ruhebereich, ein Bällebad mit zwei Schweineduschen, zwei Wühlbereiche und einen Auslauf auf eine außenliegende Terrasse.

 

„Die Kosten pro Kilogramm Fleisch liegen um 25 Cent über der Standardproduktion“, bilanzierte die Landwirtin. Um die höheren Preise umzusetzen, hat sie neue Vermarktungswege entwickelt. Ihre Abnehmer bewerben das Fleisch mit dem Hinweis auf den „Aktivstall für Schweine“, und die Kunden bezahlen den Mehrpreis. „Wir erfahren viel positive Rückmeldung“, weiß die Meller Landwirtin aus vielen Gesprächen. Und so lautet ihr Fazit nach zweijähriger Erfahrung mit dem Aktivstall: „Faire Preise, weniger Emissionen, gesunde Tiere und eine hohe Akzeptanz.“

 

Der landwirtschaftliche Unternehmertag fand dieses Jahr zum 16. Mal statt. Veranstalter waren die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die Arbeitsgemeinschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken Weser-Ems und das Landvolk Niedersachsen.

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