Tierschutzverbände in Nordrhein-Westfalen können künftig vor Gericht die Rechte und Interessen von Tieren einklagen. Gegen die Stimmen von CDU und FDP hat der Landtag am Mittwoch das umstrittene Verbandsklagerecht beschlossen.
Nach Angaben des Bonner Generalanzeigers schafft der Landtag damit die Möglichkeit für Verbände, gegen Verstöße in der Tierhaltung oder bei Tierversuchen vorzugehen. Zudem können anerkannte Tierschutzvereine ab sofort an tierschutzrelevanten Verwaltungsverfahren mitwirken. Das Gesetz räumt ihnen etwa das Recht ein, gegen baurechtliche Genehmigungen zur Tierhaltung zu klagen. Außerdem kann gegen das Schlachten ohne Betäubung (Schächten) und gegen das Kürzen der Schnabelspitzen bei Nutzgeflügel von Verbandsseite vorgegangen werden.
Was die Grünen triumphierend als "Meilenstein" für den Tierschutz feiern, ist aus Sicht der Landwirtschaft äußerst bedenklich. CDU-Landwirtschaftsexpertin Christina Schulze Föcking warf Rot-Grün vor, Tierhalter in NRW unter den Generalverdacht zu stellen, ihre Tiere unsachgemäß zu halten. Zudem fürchtet sie die Abwanderung medizinischer und pharmakologischer Forschungsunternehmen ins Ausland. Schließlich seien die tierschutzrechtlichen Standards dort meist geringer als in Deutschland.
Tierschutzvereine sachkundiger als Veterinäramter?
Ablehnung kommt auch vom Rheinischen Landwirtschaftsverband (RLV): Das neue Gesetz lasse nur den Rückschluss zu, dass die Landesregierung eine ausreichende Überwachung des Tierschutzes in der Nutztierhaltung offensichtlich den Fachbehörden nicht zutraut, so der Bauernverband. Man bezweifle, dass Tierschutzvereine über eine sachkundigere Kenntnis als etwa vor allem die Veterinärämter verfügten. Im Übrigen gelte gerade in der Nutztierhaltung, dass diese nur dann erfolgreich praktiziert werden könne, wenn die Tiere gesund sind, sich wohl fühlen sowie artgerecht gehalten und gefüttert werden.
Der RLV fragt sich auch, ob das Gesetz überhaupt verfassungsgemäß ist, weil der Bund für das Tierschutzgesetz zuständig sei und die Tierschutzvereine in NRW nun weitaus stärkere Mitwirkungsrechte bekommen hätten. Hier gehe es doch schließlich auch um den Schutz individueller betrieblicher und persönlicher Daten, kritisiert der Verband, die rot-grüne Landesregierung.
Wenn der Gesetzgeber einen Tierschutzverein in bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren (etwa alle Stallbauten) die Gelegenheit zur Äußerung gebe, diesen gleichzeitig aber mit Einwänden bei einer späteren verwaltungsgerichtlichen Klage ausschließe, die zuvor im Verwaltungsverfahren schon hätten aufgegriffen werden können, dann offenbare dies doch folgende Konsequenz: Entweder könne der Tierschutzverein keine sachlich begründete Stellungnahme abgeben, weil diesem aus datenschutzrechtlichen Gründen die dazu erforderlichen Grunddaten vorenthalten werden müssten oder aber der Tierschutzverein werde dazu in die Lage versetzt, in dem unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen individuelle persönliche und betriebliche Daten preisgegeben werden.
Der RLV verwahrt sich mit großem Nachdruck auch dagegen, dass persönliche Daten über die Mitglieder in die Hände anerkannter Tierschutzvereine gelangten. Der Schutz persönlicher Daten sei ein so hohes Gut, der nicht dafür geopfert werden könne, weil von persönlichem Empfinden für den Tierschutz geleitete Mitbürger Einblick in Baugenehmigungsverfahren erhalten wollten. (ad)
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