SPD-Agrarsprecher Dr. Wilhelm Priesmeier hat in einem Gespräch mit AGRA-EUROPE davor gewarnt, die Herausforderungen des Agrarsektors nur aus der landwirtschaftlichen Brille zu betrachten. Die Perspektive der Verbraucher sei ebenso wichtig wie ökologische und soziale Belange. „Für deren hinreichende Beachtung treten wir ein“, betonte der langjährige Bundestagsabgeordnete.
Ausdrücklich verwies Priesmeier auf sein gutes persönliches Verhältnis zu seinem Unionskollegen Franz-Josef Holzenkamp, trotz unterschiedlicher Positionen in einigen Fragen. Das sei für die politische Zusammenarbeit beider Seiten in diesem Bereich eine entscheidende Voraussetzung.
Nicht überbewerten will der Sozialdemokrat die unterschiedlichen Positionen des Bundesumwelt- und des Bundeslandwirtschaftsministeriums, aus denen ein Teil der „hin und wieder auftretenden Spannungen“ in der Koalition resultiere. Der Dissens zwischen diesen beiden Ministerien habe eine lange Tradition und sei auch in Koalitionen mit anderer „Farbzusammensetzung“ aufgetreten.
Den Grünen bescheinigt Priesmeier das Bemühen, agrarpolitische Themen zu besetzen. Er bezweifelt aber, „dass deren Positionen immer nah an der Realität sind“. Unverzichtbar sei für seine Fraktion eine Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK), und zwar unabhängig von zusätzlichen Finanzmitteln. Die EU-Direktzahlungen betrachtet Priesmeier als Auslaufmodell.
Kein Bedarf für neuerliche Agrarwende
Keine Illusionen macht sich der Niedersachse über den Stellenwert der klassischen Agrarpolitik in der SPD; dieser sei „nicht sehr hoch“. Im Vordergrund stehe für seine Partei der ländliche Raum: „Wir wollen die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum verbessern oder zumindest sichern.“ Die Landwirtschaft spiele für eine positive Entwicklung des ländlichen Raums „keine entscheidende, aber eine sehr wesentliche Rolle“.
Priesmeier bekräftigte den politischen Gestaltungsanspruch der SPD auf allen Ebenen im ländlichen Raum. Den gelte es auch wahrzunehmen, wenn sich dazu die Gelegenheit biete. Er halte wenig davon, so der Agrarsprecher, „die Agrarressorts in den Ländern, in denen wir Regierungsverantwortung tragen, bei Koalitionsverhandlungen regelmäßig als Morgengabe auf den Tisch zu legen“.
Brandenburg und Mecklenburg Vorpommern sieht er als gute Gegenbeispiele. Keine Notwendigkeit besteht nach Auffassung von Priesmeier für eine neuerliche Agrarwende. Eine solche Agrarwende sei unter Rot-Grün eingeleitet worden. Das wirke bis heute.
Nicht akzeptabel sind für den Abgeordneten polemische Angriffe auf die Landwirtschaft, wie sie aus den Reihen der Grünen zu vernehmen seien. „Als Bauernsohn und Tierarzt, der große Teile seines beruflichen Lebens mit der Landwirtschaft verbracht hat, sehe ich die gegenwärtige Debatte über unsere Landwirtschaft mit großer Sorge“, so Priesmeier. (AgE)