Keime in der Luft, Antibiotika im Futter und Trinkwasser? Die Vorwürfe gegen die deutschen Geflügelhalter werden immer bunter. Jetzt wollen die Geflügelhalter aus Niedersachsen zeigen, wie es wirklich zugeht in deutschen Ställen.
Der Landesverband der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft (NGW) hat am 7. August das Projekt „Transparenz in der Veredelungswirtschaft“ vorgestellt und damit den Startschuss für einen intensiveren Dialog zwischen Landwirten und Verbrauchern gegeben. Im Rahmen der Aktion öffnen mehr als 60 Tierhalter aus Niedersachen ab September ihre Stalltüren für interessierte Besucher.
Herzlich Willkommen, Besuch erwünscht!
„Unsere Betriebe sind absolut in Ordnung und gut geführt“, ist der Vorsitzende des NGW, Wilhelm Hoffrogge, überzeugt und fordert: Die Verbraucher sollen die „Realität miterleben und kennenlernen können.“ An einem Wochenende pro Monat werden drei bis vier Betriebe in Niedersachsen angemeldete Besuchergruppen empfangen. Das Ziel der teilnehmenden Landwirte: Sie wollen im Rahmen von Stallrundgängen und anschließenden Diskussionsrunden Vorurteile in der Bevölkerung abbauen – aber auch die Sichtweise der Konsumenten besser verstehen.
Koordiniert und betreut wird das Projekt durch Professor Dr. Hans-Wilhelm Windhorst vom Institut für Strukturforschung und Planung in agrarischen Intensivgebieten (ISPA) der Universität Vechta. Geht es nach dem Wunsch der Initiatoren soll am Ende des dreijährigen Projektes an jedem Hoftor ein Schild hängen auf dem steht: „Herzlich Willkommen, Besuch erwünscht!“
Zwischen Schockbildern und Werbeidyll
Michael Gretenabel aus Lorup im Emsland nimmt mit seinem Putenbetrieb an der Aktion teil. Er hat bereits vor der Initiative Schulklassen durch seinen Betrieb geführt und möchte dazu beitragen, dass sich Verbraucher ein genaueres Bild von moderner Tierhaltung machen können. Um das neue Projekt vorzustellen, haben er und drei weitere Geflügelhalter bereits in dieser Woche ihre Hoftore für Journalisten geöffnet. Viele Medienvertreter folgten der Einladung.
Die Journalisten schnupperten nicht nur Stallluft, sie erlebten auch hautnah wie eine mehrköpfige Familie vom Einkommen aus der Putenhaltung leben muss. „Die Fernsehbilder, die man in der Regel über die Tierhaltung sieht, haben mit dem Alltag in unserem Betrieb nichts zu tun“, ist der 31jährige überzeugt. Entsprechend scheute er sich nicht, seine Stalltüren auch für kritische Besucher zu öffnen. Dabei waren auch die Ställe mit älteren Tieren, Puten kurz vor der Ausstallung, kein Tabu.
„Das, was PETA und andere Organisationen verbreiten, ist nicht das normale Bild der Landwirtschaft“, erklärte NGW-Vorstand Wilhelm-Hoffrogge den Journalisten im Rahmen der Projektvorstellung. Auf der anderen Seite müssten aber auch romantisierende und idyllische Werbebotschaften korrigiert werden. Die falschen Vorstellungen wollen die Projektinitiatoren durch realistische Bilder der täglichen Arbeit ersetzen. Ihr Motto: Falschen Erwartungen vorbeugen und Vorurteile korrigieren.
BUND und Grüne üben Kritik
Weniger begeistert von dem Dialogangebot der Geflügelhalter zeigten sich dagegen der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und die Grünen. Beide bezeichneten die Initiative als Werbeaktion für die Veredelungswirtschaft und kritisierten, dass nur Vorzeigebetriebe für die Öffentlichkeit zugänglich wären.
Ob die Initiatoren des Projektes etwas anderes erwartet hatten? „Konflikte wird es immer geben", erklärte Wilhelm-Hoffrogge, man müsse aber zumindest miteinander reden. (Kira Meiß)