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Wie intelligente Milchpreis-Modelle den Preisverfall stoppen können

Benjamin Meise ist Landwirtschaftsmeister und Geschäftsführer der Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH Buchholz mit 740 Milchkühen zzgl. Nachzucht mit Milchdirektvermarktung. Hier seine Gedanken zum Milchmarkt.

Lesezeit: 6 Minuten

Benjamin Meise ist Landwirtschaftsmeister und Geschäftsführer der Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH Buchholz mit 740 Milchkühen zzgl. Nachzucht mit Milchdirektvermarktung. Hier seine Gedanken zum Milchmarkt:


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Allen ist klar: Auch der Milchpreis ergibt sich aus Angebot und Nachfrage. Die aktuelle Disharmonie zwischen diesen beiden Marktfronten hat die Milchpreise in den Keller geschickt. Um die Talfahrt zu stoppen, sind im Wesentlichen zwei Wege denkbar.


Einerseits kann die Nachfrage angekurbelt werden. Die Inlandsnachfrage ist aber seit Jahren, nicht zuletzt auch aufgrund der vergleichsweise erschwinglichen Preise für Milchprodukte, stabil. Größere Nachfrageimpulse durch noch niedrigere Preise bleiben offensichtlich aus. Der Konsument macht scheinbar keinen Unterschied zwischen billig und richtig billig. Cents, die für einen Milchbauern kriegsentscheidend sind, veranlassen niemanden dazu, seine Essgewohnheiten fundamental zu verändern. Wenn überhaupt, sind wahrscheinlich nur noch innovative Produkte fernab von der bisherigen Standartverwertung rund um Butter und Käse hilfreich, um die Inlandsnachfrage zu forcieren.


Da vielen Molkereien hierfür aber die nötige Kreativität fehlt, bliebe andererseits nach dem Inlandsmarkt noch die Steigerung des Exports. Auch diese Lösung ist, wie wir nun schmerzlich lernen mussten, angesichts politischer Erpressbarkeit und konjunktureller Abhängigkeiten nicht ganz risikofrei. Zudem läuft man mit einer Schwemme europäischer Billigmilch Gefahr, Erzeugern in anderen Teilen der Welt die Lebensgrundlage zu entziehen und damit eine weitere Flüchtlingswelle Richtung Europa loszutreten.


Der andere Weg zu besseren Preisen führt über die Angebotsdrosselung. Hierfür gibt es drei Möglichkeiten. Sehr effektiv läuft dieser Tage erstens das Höfesterben. Da es große und kleine Betriebe zu gleicher Maßen dahinrafft, kann hier auch nicht mehr beschwichtigend vom „beschleunigten Strukturwandel“ gesprochen werden. Es ist auch ein Irrglaube davon auszugehen, dass nur die „modernisierten und effizienten“ Betriebe die aktuelle Durststrecke überdauern.


Die Frage nach dem Sein oder Nichtsein wird nun vielmehr bankenseitig mit einem Blick auf die verbliebenen Sicherheiten und eventueller ausgleichender Standbeine entschieden. Wer hier getreu dem agressiv-archaischen Motto „wachse oder weiche“ auf Pump in neue Ställe investiert hat, um auch noch den allerletzten Cent herauszukitzeln, hat womöglich am Ende aufs falsche Tier gesetzt. Besonders brisant erscheinen hier auch die neuesten Forderungen nach der langfristigen Halbierung des Tierbestandes zur Einhaltung der nationalen Klimaschutzziele.


Aufgrund vom Höfesterben kann zweitens auch der Staat seiner Verantwortung gerecht werden und das Angebot per Dekret drosseln. Seit der letzten Agrarministerkonferenz übt die Androhung dieser nicht überall gern gesehenen Maßnahme einen gewissen Handlungsdruck zur schnellen Findung brancheninterner Wege der Mengensteuerung aus. Dies wäre dann die dritte Möglichkeit. Hierzu haben sich die derzeit übliche Milchgeldabrechnung zum Einheitspreis und die Uneinigkeit zwischen den Milchbauern selbst als gewisse Hürden herauskristallisiert.


Divide et impera – Teile und herrsche. Schon die alten Römer wussten, dass es genügt, eine Gruppe in unterschiedliche Lager zu trennen, um sie besser zu beherrschen. Und so ist es die Uneinigkeit der Milchbauern und Molkereien, die sie zu dem machen, was sie sind: Der Spielball des Handels und damit die Restgeldempfänger ihrer Wertschöpfungskette. Herzlichen Glückwunsch!


Es ist ja verständlich, dass ein kapitaldienstgetriebener und pachtmarktgequälter Milchbauer, der gerade versucht, seinen vergrößerten neuen Stall mit Kühen zu füllen, nicht an vorderster Front kämpft, wenn es darum geht, Milchmengen zu reduzieren. Und dennoch, da kann man sich drehen und wenden wie man will: Das Angebot muss gedrosselt werden! Und im Rahmen einer brancheninternen Lösung müssen dafür mit intelligenten Milchpreismodellen die richtigen betriebsindividuellen Anreize gesetzt werden.


Die alte Milchgeldabrechnung zum Einheitspreis (Ein-Preismodell) kommt dieser Verantwortung jedenfalls nicht nach. Wie in Abbildung 1 ersichtlich, setzt sie stets nur Anreize zur Produktionsmaximierung, damit in guten Zeiten der Profit maximiert und in schlechten der Kapitalabfluss minimiert wird. Das gefällt zwar wachstumswilligen Erzeugern, ist aber auf dem Gesamtmarkt gerade in Krisenzeiten kontraproduktiv und schadet letztlich allen Milchproduzenten.

 






Aufgrund der Kritik gerade wachstumswilliger Produzenten und der Molkereien an den bisher diskutierten Mehr-Preismodelle (z.B. A/B-Preismodell) wurde jüngst das „Projektionsmilchgeld“ entwickelt. Dieses entbindet die Molkereien von der Suche nach den „richtigen“ A und B Preisen und gibt zudem allen Produzenten, sowohl den Drosselgegner als auch den Befürwortern die Flexibilität, betriebsindividuell die Produktionsmengen zu steuern, ohne sich gegenüber der Abrechnung nach dem Ein-Preismodell schlechter zu stellen.


Beim Projektionsmilchgeld handelt es sich ebenfalls um ein Mehr-Preismodell. Aber anders als die bisherig bekannten Mehr-Preismodellen werden hier die Preise für die Teillieferungen nicht statisch vorgegeben, sondern orientieren sich dynamisch an der jeweils aktuellen Verwertungsstruktur einer Molkerei. Diese Struktur ist in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass einige Verwertungskanäle sowohl erheblich über als auch unter dem Verwertungsdurchschnittspreis liegen (siehe Abbildung 2).


Im Prinzip werden sich beim Projektionsmilchgeld diese Preiseunterschiede zu Nutze gemacht, um die Milchgeldkurve zu „krümmen“, indem die Verwertungsstruktur auf die Milchgeldabrechnung „projiziert“ wird. Dabei wird die „erste“ gelieferte Milch anteilig mit der höchsten Verwertung vergütet. Jede weitere Liefertranche erhält in absteigender Reihenfolge den Preis der nächstbesten Verwertung. Die „letzte“ gelieferte Milch wird entsprechend des schlechtesten Verwertungskanals entlohnt.


Wie in Abbildung 3 zu erkennen ist, liegt bei hohen Milchpreisen das betriebliche Produktionsoptimum sowohl beim Ein-Preismodell, als auch beim Projektionsmilchgeld bei der maximalen Produktionskapazität. Unter schlechten Marktbedingungen verschiebt sich jedoch anders als beim Ein-Preismodell die optimale Produktionsmenge beim Projektionsmilchgeld unter das Kapazitätsmaximum. So können drosselwillige Betriebe den Markt entlasten, ohne finanziell "bestraft“ zu werden und wachstumswillige Betriebe weiter ihren Bestand aufbauen, ohne sich gegenüber  der Abrechnung nach dem Ein-Preismodell zu verschlechtern.  






Über die Frage, ob die Einführung des Projektionsmilchgeldes in einer Einzelmolkerei Marktrelevanz hat oder nicht, kann man endlos streiten. Am Ende ist diese Frage aber uninteressant, da die Entscheidung hierüber letztlich in der Hand eines jeden Betriebes selbst liegt und auch liegen sollte. Es sind ja schließlich auch die Milcherzeuger, die weiterhin die finanzielle Verantwortung und das Preisrisiko tragen.


Interessanter ist vielmehr die Frage, wie die Molkerei die tatsächliche maximale Produktionskapazität seiner Lieferanten feststellen kann, um einen möglichen Missbrauch des Abrechnungsmodells vorzubeugen. Hier könnten beispielsweise Schnittstellen zu den Landeskontrollverbänden und zur HIT-Datenbank hilfreich sein. Auch wenn das Projektionsmilchgeld die Milchgeldabrechnung für die Molkereien etwas verkompliziert, ist das mit Sicherheit deutlich einfacher zu verkraften, als das, was die Milchbauern gerade durchmachen. Das Gebot der Stunde lautet nun, mit unternehmerischen Mut und Geschlossenheit aktiv in das Marktgeschehen einzugreifen, um diese Preiskrise zu überleben und zukünftige Krisen zu umschiffen.

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