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Zystennematoden – eine Gefahr für den Kartoffelbau

Lesezeit: 10 Minuten

Die Situation ist alarmierend: 16 % der bundesweit untersuchten Flächen weisen Nematodenbefall auf, davon deutlich über 50 % mit Weißen Kartoffelnematoden. Gegen diese gibt es kaum resistente Konsumsorten. Über den Stand informiert Dr. Stefan Krüssel, LWK Niedersachsen.


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Zystennematoden der Gattung Globodera zählen zu den gefährlichsten Quarantäne-Schaderregern bei Kartoffeln. Sie sind typische Fruchtfolgeschädlinge, vermehren sich enorm stark und sind im Boden extrem lange lebensfähig. Bis zu 20 Jahre können sie auf einer Ackerfläche überleben, selbst dann, wenn dort keine Kartoffeln oder andere Wirtspflanzen wachsen. Die wirtschaftlichen Verluste nehmen mit steigendem Nematodenbefall immer mehr zu.


Auf Befallsflächen geht mit zunehmender Nematodendichte der Ertrag so stark zurück, dass im Laufe der Zeit kein wirtschaftlicher Kartoffelanbau mehr möglich ist. Bereits vorher treten Qualitätsprobleme auf, und die Kartoffeln werden anfälliger für andere Schad­erreger.


Auf befallenen Flächen ist kein Pflanzkartoffelanbau erlaubt. Dies betrifft auch die hofeigene Vermehrung und die von Erhaltungssorten. Ein Export von Kartoffeln ist ebenfalls nicht mehr möglich.


Wirksame Pflanzenschutzmittel gegen Nematoden (Nematizide) stehen bei uns nicht zur Verfügung. Für Befallsflächen gelten schärfere gesetzliche Auflagen. Im Konsum­anbau darf man z. B. nur noch resistente Sorten gegen die vorkommenden Arten und Pathotypen anbauen.


Befall häufiger als erwartet:

Jährlich müssen 0,5 % der Konsumkartoffelfläche in Deutschland auf Nematoden untersucht werden. Dies ist seit in Kraft treten der Verordnung zur Bekämpfung des Kartoffelkrebses und der Kartoffelzystennematoden im Oktober 2010 vorgeschrieben. Die Auswahl der Flächen erfolgt zufällig aus den Daten des inte­grierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKos), die Betriebe im Rahmen ihrer Anträge auf Flächenbeihilfe angeben. Dabei berücksichtigt man nur Kartoffelflächen, die größer als 0,5 ha sind. Die Probenahme erfolgt nach der Kartoffelernte.


Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass Kartoffelzystennematoden in Deutschland häufiger auftreten als erwartet. Die regionalen Unterschiede sind jedoch groß. Nach Angaben des Julius Kühn-Instituts hat man im Rahmen der amtlichen Erhebung in Deutschland bisher auf ca. 16 % der untersuchten Fläche Nematodenbefall festgestellt. Davon ließ sich auf deutlich mehr als der Hälfte der befallenen Flächen Globodera pallida (Weißer Zystennematode) nachweisen.


Dies Ergebnis überrascht, da man bis zum Beginn der Erhebung nur von einem regional begrenztem Auftreten des Weißen Nematoden ausgegangen ist. Inzwischen hat sich das Verbreitungsgebiet dieser Nematodenart offensichtlich stark vergrößert. Die Erkenntnisse aus der amtlichen Erhebung sind sehr wichtig für weitere Maßnahmen, um die Verbreitung dieser gefährlichen Schädlinge einzugrenzen und sie zu bekämpfen.


Entwicklung in Deutschland:

Bis in die 80er-Jahre verursachte der Gelbe Zystennematode (Globodera rostochiensis) erhebliche Ertragsausfälle. Auf weit mehr als 90 % der aktuellen Vermehrungsfläche in Deutschland stehen heute aber Sorten, die eine Resistenz gegen den Pathotyp Ro1 besitzen. Der konsequente Anbau dieser Sorten hat die Nematodendichte auf befallenen Flächen im Laufe der Jahre erheblich reduziert, in vielen Fällen sogar unterhalb der Nachweisgrenze. Auf solchen Flächen lassen sich dann nur noch leere Zysten finden, da der Zystenkörper extrem lange den Abbauprozessen im Boden widersteht. Flächen, auf denen sich keine Zysten mit lebensfähigem Inhalt entdecken lassen, gelten als befallsfrei.


Ein Problem mit Nematoden stellt sich erst dann wieder ein, wenn man anfällige Sorten ohne Nematoden­resistenz anbaut oder eine neue Art bzw. ein neuer Pathotyp eingeschleppt wird. Auf Flächen, auf denen neben G. rostochiensis mit dem Pathotypen Ro1 auch andere vorhanden sind, kommt es bei Anbau Ro1 resistenter Sorten zu einer Selektion innerhalb der Nematodenpopulation. Dies zeigt am Beispiel einer Fläche mit einer Ro1-Population, auf der Globodera pallida eingeschleppt worden ist, die Übersicht 1. Der Anteil des Pathotyps Ro1 nimmt mit jedem Kartoffelanbau ab und der von G. pallida stark zu. Nach einer Reihe von Rotationen ist fast nur noch G. pallida vorhanden.


Verbreitungsrisiken:

Ein wichtiger Verschleppungsweg ist die Anhangserde von Pflanzkartoffeln. Deshalb darf man anerkanntes Pflanzgut nur auf Flächen erzeugen, die intensiv auf Befall mit Kartoffelzystennematoden untersucht und als „befallsfrei“ erklärt worden sind. Diese Anforderung gilt auch für die hofeigene Vermehrung. Auf Grund einer Ausnahmeregelung müssen diese Flächen allerdings nicht zwingend untersucht werden, solange die produzierten Pflanzkartoffeln nicht weiter als 20 km von der Produktionsfläche entfernt ausgepflanzt werden. Eine Dokumentation ist vorgeschrieben. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Nematodenbefalls sollten allerdings Flächen zur hofeigenen Vermehrung von Pflanzgut künftig verstärkt in die Untersuchung einbezogen werden.


Das Risiko, Nematoden einzuschleppen, ist besonders hoch bei Abfallerden aus Kartoffelverarbeitungsbetrieben, wenn diese wieder auf Kartoffelflächen gelangen.


Die weitere lokale Ausbreitung hängt entscheidend von der Kartoffelanbaudichte im Betrieb und in der Region ab. Dabei gelangen Zysten über mehrere Wege von Befallsflächen auf andere Felder:


  • Maschinen (anhaftende Erde),
  • Winderosion und
  • mit selbst erzeugtem Pflanzgut.


Grundsätzlich gilt: Je höher die Befallsstärke, desto größer ist das Verbreitungsrisiko. Je mehr vitale Zysten auf einer Fläche vorhanden sind, umso stärker ist der Befall. Wie stark sich die Nematoden in einer Region letztlich vermehren können, hängt entscheidend von den vorkommenden Arten und Pathotypen der Zystennematoden, der Fruchtfolge und vor allem den ange-bauten Kartoffelsorten ab.


Fruchtfolge enorm wichtig!

Kartoffelzystennematoden haben nur wenige Wirtspflanzen. In Deutschland sind es Kartoffeln, Tomaten und Nachtschattengewächse als Unkräuter. In den Anbaujahren ohne Wirtspflanzen (Anbaupausen) nimmt die Nematodenpopu­lation auf natürliche Weise ab. Aus diesem Grund hat die Fruchtfolge eine enorme Bedeutung für das Ausmaß des Befalls. Die Entwicklung einer Nematodenpopulation bei Anbau anfälliger Sorten zeigt Übersicht 2. Dabei war die Ausgangsdichte sehr gering im Bereich der Nachweisgrenze (1 Zyste/Schlag).


Die Vermehrungsraten sind dichte­abhängig und bei geringem Befalls-niveau sehr hoch (20 und mehr). Je höher der Befall, desto kleiner die Vermehrungsrate aufgrund der zunehmenden Konkurrenz der Nematoden untereinander. Es zeigt sich deutlich, dass der Befall sehr lange nicht sichtbar ist. Ab einer Dichte von einigen Hundert Eiern und Larven/100 ml Boden steigt er aber schlagartig.


Maßgeblich für den Schaden ist die Nematodendichte vor dem Anbau der Kartoffeln, da alle aus den Zysten schlüpfenden Nematoden in die Wurzeln einwandern (Kasten, S. 83). Befallssymptome im Feld sind also erst bei höheren Nematodendichten zu sehen.


Nematodenbefall kostet aber auch Ertrag, ohne dass Befallssymptome zu sehen sind. Dies gilt für anfällige und resistente Sorten. Verkürzt man die Fruchtfolge und hat nur zwei Jahre Anbaupause, so werden erheblich früher hohe Schädlingsdichten und in der Folge starke Ertragsschädigungen erreicht.


Durchwuchskartoffeln sind in diesen Berechnungen nicht berücksichtigt. Wachsen in den Anbaupausen auch Kartoffeln als „Unkraut“ auf einer Befallsfläche, hat dies eine weitere Vermehrung der Nematoden zur Folge. Zudem steigen die Nematodendichten schneller auf ein bedeutendes Niveau. Im Rahmen der Feldhygiene ist es daher sehr wichtig, Durchwuchskartoffeln konsequent zu beseitigen.


Resistente Sorten:

Auf mit Kartoffelzystennematoden befallenen Flächen dürfen generell keine Pflanzkartoffelnangebaut werden. Das betrifft auch die Eigenvermehrung. Die Erzeugung von Konsumkartoffeln ist allerdings unter bestimmten Bedingungen möglich. Dazu haben die Pflanzenschutzdienste der Länder als zuständige Behörden in Zusammenarbeit mit dem Julius Kühn-Institut ein amtliches Bekämpfungsprogramm entwickelt, dessen wichtigster Baustein der Anbau von resistenten Kartoffelsorten gegen die auf dem jeweiligen Feld vorhandenen Arten und Pathotypen ist.


Werden auf einer Befallsfläche Sorten mit einer Resistenz gegen die vorhandenen Arten- und Pathotypen ausgepflanzt, reduziert sich der Befall. Dass der einmalige Anbau einer anfälligen Sorte bei geringem Ausgangsbefall zu einer massiven Vermehrung der Nematoden führt, zeigt das Beispiel einer mit G. pallida befallenen Fläche in Übersicht 3. Eine mindestens zweijährige Anbaupause in Verbindung mit Pa-resistenten Sorten reduziert dagegen die Nematodendichte. Wie stark die Reduktion ist, das hängt vom Ausgangsbefall (je höher, desto stärker die Reduktion) und dem Resistenzgrad der Sorte ab. Es wird aber auch deutlich, dass der Prozess sehr lange dauert und eine Befallsfreiheit auch nach 20 Jahren nicht erreicht wird.


Resistente Sorten können auch befallsfreie Flächen schützen. Werden Nematodenzysten auf Flächen eingeschleppt, kann sich bei Anbau entsprechend resistenter Sorten kein Befall aufbauen. Diese Vorsorgemaßnahme müssen kartoffelanbauende Betriebe künftig stärker nutzen.


Kaum Konsumsorten:

Ein großes Problem ist die Verfügbarkeit resistenter Sorten. Während der überwiegende Teil der Kartoffelsorten eine Resistenz gegen den Gelben Kartoffelnematoden mit dem Pathotyp Ro1 besitzt, sind erheblich weniger Sorten widerstandsfähig gegenüber den Pathotypen Ro2 und Ro3.


Besonders problematisch ist die Situation jedoch beim Weißen Kartoffelnematoden bei Speise- und Verarbeitungskartoffeln. Aktuell stehen zwar 30 Sorten zur Verfügung, die als resistent gegen G. pallida Pa2 und Pa3 in Deutschland anerkannt sind. Die meisten Sorten lassen sich aber nur für die Stärkeproduktion nutzen. Weitere Sorten mit einer breiten Resistenz werden erwartet. Sorten mit anerkannter Resi­stenz gegen Globodera pallida sind in Übersicht 4 zusammengestellt. Neben den Resistenzeinstufungen sind auch Hinweise zur Ertragstoleranz einer Sorte aufgeführt. Diese Daten basieren auf langjährigen Feldstudien. Dabei hat man ermittelt, ob eine Sorte auf steigenden Nematodenbefall mit starken oder weniger starken Ertragsverlusten reagiert.


Besonderheiten G. pallida:

Das Problem für die Züchtung besteht darin, dass es mehrere Arten und Pathotypen des Kartoffelzysten­nematoden (siehe Kasten auf Seite 83) gibt. Dies wäre eigentlich nicht weiter tragisch, wenn die Resistenz auf der gleichen genetischen Basis beruhen würde. Leider ist es deutlich komplexer. Sowohl für beide Arten als auch für die Pathotypen muss eine unterschiedliche Genetik in der Kartoffelpflanze vorhanden sein.


Während z. B. die Resistenz gegen Ro1 auf einem einzelnen Gen basiert, sind gegen Pa2/3 mehrere Haupt- und Nebengene beteiligt. Dies erschwert den Züchtungsgang erheblich, zumal eine Kartoffelsorte neben der Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen eine Vielzahl weiterer Eigenschaften besitzen soll. Bei G. pallida kommt hinzu, dass die Virulenz von Pa2 und Pa3 im Gegensatz z. B. zu Ro1 und Ro4 unterschiedlich ist. Das bedeutet, dass eine Ro1-Sorte auch gleichzeitig resistent gegen Ro4 ist. Eine Pa2-resistente Sorte kann dagegen die Nematoden des Pathotyps Pa3 nicht reduzieren. Da in der Regel beide Pathotypen auf einer Fläche vorkommen, erfolgt eine Selektion auf die höhere Virulenz, sobald Pallida-resistente Sorten mit einer schwachen oder fehlenden Resistenz gegen Pa3 ausgestattet sind.


In Anbauregionen, in denen der Weiße Kartoffelnematode schon vor langer Zeit eingeschleppt wurde, findet man Populationen mit einem hohen Anteil des Pathotyps Pa3. Auf solchen Standorten bleibt den Betrieben nichts anderes mehr übrig, als nur noch Kartoffelsorten mit der höchsten vorhandenen Resistenz gegen Pa3 anzubauen.


Eine weitere Besonderheit bei G. pallida ist die insgesamt schwächere Ausprägung der Resistenz. Auch bei hoch Pa3-resistenten Sorten entwickelt sich bei niedrigem Ausgangsbefall eine geringe Zahl neuer Zysten.


Neuer Virulenztyp:

Leider gibt es inzwischen Nachweise, dass die Resistenz gegen Globodera pallida auf einigen Standorten an der niederländischen Grenze durchbrochen worden ist. Der Pflanzenschutzdienst führt derzeit Untersuchungen durch, um diesen neuen, bisher unbekannten Virulenztyp „Emsland“ zu charakterisieren und seine Verbreitung festzustellen (siehe auch top agrar 3/2015, Seite 96). Nach jetzigem Wissensstand gibt es keine Sorte, die eine Resistenz gegen diese neue Virulenz aufweist.

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