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Ernährungssicherheit

Was in der Weizenproduktion jetzt geändert werden muss

Die Debatte um die Produktivität der Landwirtschaft ist mit brutaler Macht zurück. Beim Anbau von Weizen gibt es noch Potenziale nachhaltiger zu werden, ohne die Produktivität stark zu reduzieren.

Lesezeit: 5 Minuten

Ein Gastkommentar von Prof. Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim:

Russlands Krieg in der Ukraine betrifft zwei Länder, die sehr wichtig für die Produktion von zahlreichen Agrarrohstoffen und Lebensmitteln sind. Uns allen wird plötzlich wieder vor Augen geführt, dass eine Lebensmittel-Grundversorgung der Weltbevölkerung keine Selbstverständlichkeit ist. Auch bisher war sie dies nicht. Die Weltbevölkerung wächst nämlich ständig und unsere Konsumgewohnheiten in den wohlhabenden Staaten sind nicht nachhaltig.

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Die Strategien aus der Krise sind wissenschaftlich klar formuliert: Wir müssen weniger Fleisch und Milchprodukte essen, weniger wegschmeißen, nachhaltiger produzieren, die Biodiversität schützen und wieder steigern und irgendwie trotzdem eine effektive Landwirtschaft erhalten. Für die Landwirtschaft bedeutet dies, dass mehr Ertrag pro Fläche und pro eingesetzter Ressourcen benötigt wird.

Wir sollten also diese Krise nutzen, um endlich die konventionelle Landwirtschaft grüner zu machen, und zwar schrittweise, ohne dabei aber die globale Ernährungssicherung auszublenden. Als Weizenzüchter halte ich folgende fünf Schritte für eine Ökologisierung der konventionellen Weizenproduktion für notwendig:

1. Mehr Strukturen in der Agrarlandschaft

Es kommt darauf an, die Biodiversität zu steigern und umweltschädliche Maßnahmen zu minimieren, ohne gleich große Produktivitätsverluste zu akzeptieren. Wichtig wäre, die wenigen kleinstrukturierten Feldflure mit artenreichen Ackerstreifen und Hecken zu erhalten und mittelfristig ausgeräumte Agrarlandschaften in diese Richtung zurückzuentwickeln. Diese Struktureinheiten haben wenig Auswirkung auf Ertrag pro Fläche aber große Wirkung auf die Biodiversität.

2. Vielfältigere Fruchtfolgen

Zudem könnte die Biodiversität auf dem Acker schnell gesteigert werden durch den heimischen (Wieder)Anbau von alternativen Kulturarten. Das ermöglicht der Landwirtschaft abwechslungsreichere Fruchtfolgen zu fahren, was indirekt erhebliche Mengen an Düngung und Pestiziden einsparen kann. Dafür eigenen sich neben Leguminosen und Faserpflanzen auch Kulturarten, die in Backwaren und Frühstückscerealien eingesetzt werden. Aktuell importieren wir dafür Lein, Buchweizen, Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne in einer Menge, die mehreren 100.000ha Anbaufläche dieser Blühpflanzen entspricht. Wichtig bei der Etablierung alternativer Kulturarten ist, dass diese rentabel für die Wertschöpfungskette sind sei es durch angemessene Preise und/oder Subventionen gekoppelt an diese Leistungen.

3. Proteingehalte von Weizen an Backqualitäten anpassen

Auch in der Weizenproduktion selbst haben wir mehrere Möglichkeiten, nachhaltiger zu werden, ohne die Produktivität stark zu reduzieren. Der mit Abstand wichtigste Punkt ist die Stickstoffdüngung. Die Produktion von synthetischem Stickstoffdünger ist sehr energieaufwendig und es gibt immer noch Auswaschungsprobleme auf Grund unangemessener Stickstoffdüngung. Laut zahlreicher Experten könnte Weizen durchaus weniger gedüngt werden. Aber der internationale Handel fordert einen hohen Proteingehalt bei Weizen, der in vielen Produktionsgebieten nur über viel Düngung erreicht werden kann. Doch der Proteingehalt korreliert eben nur mäßig mit der Backeignung von Weizenpartien. Ein E-Weizen mit 11% Proteingehalt backt immer besser als ein C-Weizen mit 13%. Es kommt vielmehr darauf an, Sorten bzw. Weizenpartien auszuwählen, die eine gute Backqualität abgesichert durch gute Proteinqualität haben. Wenn man als Händler nicht genauer hinschauen will, dann könnte man wenigstens drei Silos nutzen und diese nicht über den Proteingehalt sondern über Sortenkenntnis füllen: ein kleines Silo für Aufmischweizen (E- und guter A-Weizen), ein mittleres Silo für Backweizen (A/B-Weizen) und ein großes Silo für Futterweizen und erntegeschädigte Ware. Wenn wir also beim Handel von Weizen endlich wirkliche Qualitäten handeln, könnten wir problemlos beim Proteingehalt geringere Mengen zulassen und somit auch deutlich weniger Stickstoff düngen ohne dass die Endqualität für den Bäcker schlechter wird.

4. Futterweizen ohne Proteinvorgabe mit Leguminosen mischen

Aktuell wird nur 30% unserer Weizenproduktion für Backzwecke benötigt, wir bauen aber mehr als 80% backfähigen Weizen an. Backqualität und Ertrag korrelieren aber negativ, deswegen haben C-Weizen ja auch einen etwas höheren Ertrag pro Fläche und eingesetzter Ressourcen als A- und E-Weizen. Auch benötigt ein Futterweizen eben keine 12% Proteingehalt, das kann man durch Mischung mit Leguminosen im Futterwert in Menge und Qualität viel nachhaltiger ergänzen. Somit könnten wir auf ca. 50% der heimischen Weizenfläche durch den Anbau von echtem Futterweizen ohne Proteinvorgabe mehr Ertrag unter weniger Einsatz von Düngung realisieren.

5. Rezepturanpassungen beim Backen

Und dann gibt es beim Backen ja auch noch zahlreiche Möglichkeiten, mit geringeren Proteinmengen des Weizens sehr gut zurechtzukommen. Rezepturanpassungen wie Nutzung von Vor- oder Sauerteigen oder lediglich die Anpassung der Knetenergie bewirken mehr als jede Stickstoffdüngung! Insofern sollte auch das Backgewerbe hier in die Pflicht genommen werden: mit mehr Wissen deutlich höhere Toleranzen der Spezifikationen neuer Mehllieferungen ermöglichen, sei es durch einen eigenen Teig- oder Backversuch oder Einsatz von etwas Laboranalytik, die meistens die Müller sowieso schon machen. Auch nutzen einige Bäcker in ihren Rezepten zugesetztes Gluten, welches in der Stärkeproduktion als Zweitprodukt anfällt. Wenn man die Menge des Glutens aus der Stärkeproduktion betrachtet, dann könnte der Protein- bzw. Gluten-Gehalt von mehreren 100.000 Tonnen Mehl pro Jahr allein bei uns um mehrere Prozentpunkte gesteigert werden und somit wiederum im Feld einiges an Stickstoffdünger gespart werden.

Zusammenfassend befinden wir uns in der Lebensmittelproduktion in einer Zwickmühle - wir müssen mehr produzieren und parallel unbedingt nachhaltiger werden. Naivität und Dogmatismus helfen hier aber wenig, aber auch keine Rückkehr in veraltete Muster und Strukturen. Im Gegenteil sollte endlich eine Professionalisierung der Wertschöpfungsketten erfolgen, die dem jetzigen Wissensstand auch angemessen ist. In der aktuell immer kritischeren Lage der Ernährungsversorgung und Umweltsituation müssen wir Partner der Wertschöpfungskette endlich alle zusammenhalten. Gemeinsam müssen wir eine wirklich faire, und deutlich nachhaltigere, aber sichere Lebensmittelversorgung auf unserem Planeten hinbekommen, und zwar schnell.

Gastkommentare geben nicht in allen Fällen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie, wenn wir den Inhalt für diskussionswürdig halten.

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