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„Ein Leben für die Rinderzucht“

Lesezeit: 6 Minuten

Katharine Dethleffsen schaute im „Power-­Praktikum“ von top agrar der Zucht-Ikone Conny Derboven über die Schulter.


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Ich war noch keine zwei Stunden auf dem Betrieb, da stand für mich schon fest: Hier sind Vollblut-Züchter am Werk!


Schon beim ersten Rundgang, als mir Familie Derboven aus Warpe (Niedersachsen) die Ställe und einige der genetisch wertvollsten Kühe gezeigt hat, spürte ich diese unglaubliche Leidenschaft, mit der sie ihre Herde züchten. Mit funkelnden Augen konnten mir alle Familienmitglieder aus dem Stand heraus sämtliche Vorfahren der Top-Genetik-Kühe aufzählen. Und das bei einer Herde von 480 Kühen!


Alle mischen mit.

Die Kühe von Familie Derboven sind weltweit bekannt. Zudem ist Betriebsleiter Conny Derboven auf nationalen und internationalen Tierschauen als Richter ein bekanntes Gesicht.


Der Züchter legt seit vielen Jahren besonderen Wert auf Spitzen-Genetik und stimmt den Bulleneinsatz in seiner Herde genau ab. Bei exquisiten Kühen mischt aber die gesamte Familie bei der Bullenwahl mit. Da kann es durchaus mal heiß hergehen!


Für die Milchkühe wählen sie jedoch meist Vererber aus, deren genomische Leistungen bereits in Töchterprüfungen mit höheren Sicherheiten belegt wurden.


Bullen, die die Herde prägen, sind unter anderem Elevation, Astronaut, Starbuck, Blackstar und Raider. Aktuell setzen Derbovens beispielsweise Atwood, Sanchez, Damion, Alexander, Sid und Sea ein.


Für mich war es eine große Freude zu verfolgen, aus welcher der erfolgreichen Kuhfamilien die Top-Kühe stammen. Oft gibt es bereits so viele Nachkommen, dass es schwierig wird, Namen mit dem gleichen Anfangsbuchstaben zu finden, wie beispielsweise in der Roxy- oder Gretchen-Familie.


Besonders fasziniert hat mich die Talent-Tochter „Melly“. Sie ist eine der exquisiten Erstkalbinnen des Betriebes und Tochter der erfolgreichen amerikanischen Schaukuh „Hillcroft Leader Melanie“. Die Ausnahmekuh hat die Royal Winter Fair im kanadischen Toronto gewonnen, war mehrmals All-Canadian, All-American und Weltkuh. Gleichzeitig ist sie noch eine hervorragende Zuchtkuh mit derzeit dreizehn „Excellent“ klassifizierten Töchtern.


Ein absoluter Höhepunkt war, dass ich einen Embryotransfer bei „Melly“ live miterleben durfte. Nachdem bei ihr durch Prostaglandin-Spritzen eine Superovulation ausgelöst wurde und sie in der Hauptbrunst besamt wurde, kam die Tierärztin, um „Melly“ zu spülen. Dabei hat sie mit einem einfachen „Durchspülen“ der Gebärmutter die Embryonen gewonnen. Das Ergebnis haben wir uns unter dem Mikroskop angesehen. Letztlich durften wir uns über zehn gute Embryonen freuen. Diese hat die Tierärztin anschließend in Trägertiere eingepflanzt, die sich am gleichen Zyklustag wie „Melly“ befanden. Dann hieß es Daumen drücken, dass sich die Embryonen optimal einnisten.


Übrigens: Technische Hilfsmittel für die Brunstbeobachtung brauchen Derbovens nicht. Auch bei der Betriebsgröße verlassen sich alle Familienmitglieder ausschließlich auf das Auge. Dass das klappt, zeigt die durchschnittliche Zwischenkalbezeit von 405 Tagen, die Remontierungsrate von unter 20 % sowie das Erstkalbealter von 23,7 Monaten. Hilfreich ist aber sicherlich, dass Anna Lena, die älteste Tochter, Eigenbestandsbesamerin ist.


Dreimal Melken für 11 000 kg:

Derbovens melken dreimal täglich und erreichen damit eine Herdenleistung von 11 000 kg abgelieferter Milch (3,7 % Fett, 3,4 % Eiweiß).


Morgens um 5.00 Uhr und mittags um 14.00 Uhr melkt je einer der drei Lehrlinge oder ein Familienmitglied. Die Melkzeit abends um 21.30 Uhr übernimmt ein Nachbar aus dem nächsten Ort.


Als Conny Derboven mir erzählte, dass in dem 20er-Swing-Over-Melkstand eine Person locker 140 Kühe in der Stunde melkt, konnte ich das kaum glauben. Doch ich war schnell überzeugt: Es wird vorgemolken und anschließend das Melkgeschirr angesetzt, auf großes „Saubermachen“ und Dippen nach dem Melken wird verzichtet. Der durchschnittliche Zellgehalt der Herde von deutlich unter 200 000 Zellen/ml zeigt, dass dieses System gut funktioniert.


Auch die Gruppeneinteilung der Kühe sorgt für den hohen Durchsatz. Alle Kühe, die behandelt wurden (Sperrmilch) oder gerade frisch gekalbt haben (Biestmilch), sind in der so genannten „Strohgruppe“ aufgestallt. Das erleichtert die Arbeitsroutine enorm, da in den drei anderen Kuhgruppen keine Rücksicht auf Kannenkühe genommen werden muss.


Eine besonders intensive Erfahrung war es zu erleben, wie viel Vertrauen mir Familie Derboven in der Woche geschenkt hat. Beispielsweise habe ich ab meinem dritten Praktikumstag morgens nach der „Strohgruppe“ immer allein gemolken. So macht das Arbeiten wirklich viel Spaß!


Komfort für die Kühe:

Zum betrieblichen Erfolgskonzept der Familie Derboven zählt vor allem auch der Kuhkomfort.


Die Familie legt viel Wert darauf, dass es den Kühen gut geht. Denn nur so können sie die Höchstleistungen erbringen. Die Ställe sind so gebaut, dass immer ausreichend Licht und Luftbewegung vorhanden ist, teilweise werden Ventilatoren hinzugezogen. Die planbefestigten Laufgänge sind breit angelegt, um unnötigen Stress zu vermeiden und werden stündlich von einem Gülleschieber gereinigt. Für ein optimales Wasserangebot befinden sich überall Tränken, die leicht zu säubern sind. Ausreichend Liege- und Fressplätze sind vorhanden, um Überbelegung zu vermeiden.


Derbovens setzen auf Tiefboxen. Diese werden wöchentlich neu eingestreut. Dazu wird Sägemehl mit Kalk im Futtermischwagen vermengt. Mit dem Mischwagen sind wir dann in den Stall gefahren und haben die Liegeboxen befüllt. Per Hand haben wir anschließend für eine ebene „Matte“ gesorgt. Ziel ist, dass sich jederzeit etwa 15 cm Einstreu in der Liegebox befinden. Nur dann fühlen sich die Kühe wohl.


Eigene Molkerei geplant.

Ideen für neue Dinge gehen Derbovens nicht aus. So planen sie derzeit eine eigene Hofmolkerei.


Tochter Cathrin hat nach ihrer Ausbildung zur Molkereifachfrau gerade ihren Meister absolviert. Sie bringt somit das fachliche Know-how auf den Betrieb.


Zunächst soll nur ein kleinerer Teil der täglichen Milchmenge verarbeitet werden, vor allem zu Käse. Langfristig hat sich die Familie jedoch das Ziel gesetzt, ihre gesamte Milch selbst zu verarbeiten und zu vermarkten.


Den nötigen Kundenkontakt suchen sie bereits jetzt. Der Betrieb steht der Öffentlichkeit jederzeit offen. Im oberen Teil des Melkhauses ist ein großer Raum, in dem Besucher mit Blick auf das Melkgeschehen ihren Kaffee trinken können. Das ist für Conny Derboven ganz wichtig. Er ist der festen Überzeugung, dass die Milcherzeuger selbst Initiative ergreifen sollten, um den Verbrauchern die Landwirtschaft ein Stück näher zu bringen. Da stimme ich voll zu!


Mein Fazit:

Die Zeit verging wie im Flug. Aber meine Erwartungen an die Woche „Power-Praktikum“ wurden mehr als übertroffen! Dafür möchte ich mich bei Familie Derboven ganz herzlich bedanken.


Die spannenden Einblicke in das Management von 480 Kühen, in das Melken in Hochgeschwindigkeit, in die Arbeit eines Spitzen-Züchters und in den Umgang mit Top-Genetik-Kühen werden mir noch lange in guter Erinnerung bleiben. Und ich werde mein Versprechen halten – ich komme wieder!

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