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topplus Interview zur Jagd auf Wölfe

DJV-Präsident geht mit Wolfsabschussverfahren hart ins Gericht

Bei zwei Wolfsentnahmen im letzten Jahr stellt sich die Frage: Warum so wenige? Vor welchen rechtlichen und praktischen Hürden stehen deutsche Jäger? Helmut Dammann-Tamke kennt die Sicht der Schützen.

Lesezeit: 7 Minuten

Im vergangenen wurden lediglich zwei verhaltensauffällige Wölfe entnommen. Und das, obwohl die Summe der offiziellen Schadensfälle durch das Großraubtier inzwischen im mittleren vierstelligen Bereich liegt. Ein ab der Weidesaison 2024 geplantes „Schnellabschussverfahren“ soll unbürokratischere Entnahmen ermöglichen. Wölfe müssen dann beispielsweise nicht mehr vorab per DNA-Nachweis identifiziert werden.

Welche Veränderungen kommen damit auf die deutschen Jäger zu? Woran ist der Abschuss bisher gescheitert? Helmut Dammann-Tamke ordnet die politische Entwicklung aus der Perspektive der Jäger ein. Seit Juni 2023 ist er Präsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV) und seit über 15 Jahren Präsident des Landesjagdverbandes Niedersachsen.

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Jägern drohen Anfeindungen von Naturschützern

Wer sich bereit erklärt, die behördlich angeordnete Entnahme von auffälligen Wölfen durchzuführen, muss Hetze und rechtliche Probleme befürchten. Doch im kommenden Jahr wird es voraussichtlich weit mehr Entnahmeverfahren geben als bisher. Wie blickt die Jägerschaft auf den Beschluss?

Dammann-Tamke: Die vergangene Rechtslage gewährleistete dem Schützen alles andere als Sicherheit. Denn das Risiko war hoch, ein Artenschutzvergehen zu begehen. Im Zweifel sind die Folgen Freiheits- und Geldstrafen sowie der Verlust des Jagdscheines. Rechtlich haben wir nun freiere Hand, da es nicht mehr um den „richtigen“, per DNA-Nachweis bestimmten Wolf, sondern nur um ein Exemplar aus dem auffälligen Rudel geht.

Trotzdem werden Wolfschützer versuchen, mögliche Schützen einzuschüchtern. Deshalb werden wir nicht in allen Revieren Leute finden, die das Risiko auf sich nehmen wollen.

Was muss rechtlich passieren, bevor Jäger Wölfe schießen können?

Dammann-Tamke: Der Wolf ist eine Art Doppelrechtler: Er unterliegt dem Naturschutzrecht und in Sachsen, Niedersachsen und Schleswig Holstein zusätzlich dem Jagdrecht. Das Jagdrecht schützt den Wolf im Übrigen über das Naturschutzrecht hinaus: Paragaph 1 des Bundesjagdgesetzes verpflichtet Jäger, für einen gesunden, artenreichen, den landeskulturellen Gegebenheiten angepassten Wildbestand zu sorgen und dessen Lebensgrundlagen zu sichern. Das Gegenteil also von dem, was Wolfsschützer suggerieren, nämlich, dass wir den Wolf wieder ausrotten wollen.

Unabhängig davon war es bisher so, dass vor jeder Entnahme eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach Artikel 16 der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) vorliegen musste.

In Niedersachsen gab es seit der Rückkehr des Wolfes lediglich sechs Wolfsentnahmen. Was musste bisher passieren, damit die artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen gelten?

Dammann-Tamke: Aus einem Rudel musste ein und derselbe Wolf mindestens drei Mal einen Grundschutz überwunden und Nutztiere gerissen haben. Und das innerhalb einer gewissen Zeitspanne. Anschließend musste der Tierhalter einen Antrag auf die Entnahme stellen. Und der Knackpunkt: Das Individuum musste für den Abschuss über einen genetischen Nachweis identifiziert werden.

Der einzelne Wolf trägt seinen Gencode nicht wie ein Kfz-Kennzeichen vor sich her."

Wie sah das in der Praxis aus?

Dammann-Tamke: Ein Rissbegutachter nimmt an den verletzten oder getöteten Nutztieren Tupferproben und schickt diese an ein Forschungsinstitut. So wird der verantwortliche Wolf ausfindig gemacht. Die Jäger konnten den Gencode zwar einem Rudel zuordnen. Doch der einzelne Wolf trägt ihn nicht wie ein KFZ-Kennzeichen vor sich her. Der Jäger stand in der Dämmerung also zwischen allen Rudeltieren vor der Entscheidung: Welcher Wolf war’s?

In allen sechs Fällen war es so, dass zwar das Rudel stimmte, aber nicht das Tier, das die Institute schlussendlich über die Genetik identifizierten. Die Wolfsschützer haben das massiv kritisiert.

Der genetische Nachweis gehört bald der Vergangenheit an. In Zukunft steuern wir auf eine neue Regel zu: Das Schnellabschussverfahren soll eine Entnahme nach einem einmaligen Riss innerhalb von 21 Tagen in einem Umkreis von 1.000 m ermöglichen. Muss der Wolf dafür überall ins Jagdrecht?

Dammann-Tamke: Nein. Über Jahre hat man den Menschen in Wolfshotspots gesagt, dass der Abschuss rechtlich nicht möglich ist. Und auf einmal hat man die Schnellschussregelung auf den Weg gebracht und verkündet, dass man nicht einmal die Rechtslage anpassen muss. Von der EU ist alles seit Langem rechtlich abgesegnet. Und auch ins Jagdrecht muss der Wolf dafür nicht.

Verbesserungsbedarf beim Elterntierschutz

Wenn egal ist, welchen Wolf die Jägerschaft aus dem Täterrudel entnimmt, wie können sie dann sicherstellen, dass es sich nicht um ein Muttertier mit jungen Welpen handelt?

Dammann-Tamke: Da kaum mit den Jägern gesprochen wurde, haben die Minister den sogenannten Elterntierschutz nicht berücksichtigt. Hier müssen sie nacharbeiten: Ich schätze, es wird eine Schonzeit von Anfang Mai bis Ende August geben, weil unsicher ist, ob nicht doch ein Elterntier erwischt wird.

Der Koalitionsvertrag der Ampel zielt auf ein „regional differenziertes Bestandsmanagement“ hin. Erfüllt der neue Beschluss dieses Ziel?

Dammann-Tamke: Das, was die Umweltminister als Durchbruch verkündet haben, ist weit weg von einem Bestandsmanagement. Denn erst müssen in einem Gebiet wiederholt Tiere zu Schaden kommen. Außerdem muss der Wolf den Grundschutz überwunden haben. Erst dann handelt es sich um eine Problemregion, in der die neue Regelung greift. Wenn jetzt der nächste Riss stattfindet und der Gutachter von der Landwirtschaftskammer feststellt, dass es ein Wolf war, dann möchte der zuständige Minister noch 24 Stunden Zeit haben, um die Entnahme im Vorfeld zu verkünden. Hier sehe ich ein großes Problem für die Jäger.

Welches Problem?

Dammann-Tamke: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Rudel an den Tatort zurückkehrt, ist in der darauffolgenden Nacht am größten. Ein Rudelterritorium umfasst etwa 150 Quadratkilometer, die Entnahme darf aber nur in einem 1.000-Meter-Radius, also in nur etwa 2 % dieser Fläche erfolgen. Mit jeder Stunde die verrinnt, sinkt die Chance, das Rudel anzutreffen.

Mit jeder Stunde die verrinnt, sinkt die Chance, das Rudel anzutreffen."

Machen wir uns außerdem nichts vor: Der Landwirt merkt den Riss am Morgen, mittags reist der Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer an, anschließend muss der das an den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz melden, das gibt die Info wiederum an das Umweltministerium weiter - dann ist es sicher schon Nachmittag. Wir dürften immer noch nicht schießen, weil die Umweltminister noch verkünden wollen „Jetzt geht’s los“.

So haben alle Wolfsschützer Zeit, um herauszufinden wo der Riss war. Sie müssen nun nur noch 21 Tage lang Unruhe in einem Umkreis von 1.000 Metern um die Rissstelle  stiften und es kommt zu keiner Entnahme. Die Erfahrungen in Niedersachsen haben gezeigt, dass  Störaktionen der Wolfsschützer an Kreativität keine Grenzen kennen, sie gehen vom nächtlichen Pilzesammeln bis zu Gitarrenkonzerten. Am Ende kommt die zeitliche und räumliche Eingrenzung denen enorm entgegen, die eine Wolfsentnahme unbedingt verhindern wollen.

Der Beschluss, der aus der Umweltministerkonferenz (UMK) hervorging, gilt als Durchbruch für Weidetierhalter. Wie könnte er in der Praxis aussehen?

Dammann-Tamke: Eine Vorgabe ist, dass der Wolf den Grundschutz überwunden haben muss. Laut den Zahlen des Niedersächsischen Umweltministeriums würde der flächendeckende Grundschutz für Weidevieh im Land 2,2 Mrd. Euro kosten. Aufgrund der immensen Summe hat man entschieden, dass bei Rind und Pferd die Herde als Grundschutz schon ausreicht. Allein im Jahr 2023 hätte die neue Schnellabschussregel bei Rindern rund 50 Mal gegriffen. Bei Pferden rund 30 Mal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die neuen Regeln in diese Weise umgesetzt werden können, denn der politische Druck der Wolfsschützer ist zu groß.

Auffällige Wolfsrudel vollständig entnehmen

Welche Lösung schlagen Sie vor?

Dammann-Tamke: Junge Wölfe übernehmen das Jagdverhalten der älteren Tiere. Dadurch lernen sie auch: Nutztiere sind leichte Beute. Auffällige Rudel würde ich deshalb komplett schießen lassen. Zusätzlich sollten wir beim Wolf wie bei jeder anderen Wildart vorgehen und das Wachstum regulieren, indem wir von August bis November gezielt in die Welpenklasse eingreifen. Darauf wird es früher oder später hinauslaufen. Ein vernünftiges Bestandsmanagement führt schließlich dazu, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung steigt.

Bevor es so weit kommen könnte, wird die ganze Landbevölkerung auf die Barrikaden gehen."

Sie glauben also nicht, dass sich der Wolfsbestand selbst reguliert?

Dammann-Tamke: Die Selbstregulierung einer Population funktioniert erst, wenn der Faktor Nahrung knapp wird. Da wird hier nicht in Alaska oder in der Taiga leben, gibt es vor dem Hintergrund der Weidetierhaltung keinen Mangel an Beute, der den Zuwachs bremsen könnte. Bevor es so weit kommen könnte, wird die ganze Landbevölkerung auf die Barrikaden gehen.

Gibt es eine Aus- und Weiterbildung für Jäger, die Wölfe entnehmen?

Dammann-Tamke: Dort, wo der Wolf im Jagdrecht ist, prüfen die Länder in der jagdlichen Ausbildung Wissen über den Wolf und seine Biologie. Die Jäger, die bereits die Jägerprüfung haben, könnten eine Schulung belegen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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