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Regionalstrom: Viele Chancen, hohe Hürden

Auf einem Fachgespräch des C.A.R.M.E.N. e.V. in Ingolstadt stellen Experten Möglichkeiten vor, Strom außerhalb des EEG zu vermarkten.

Lesezeit: 4 Minuten

Ist die regionale Stromvermarktung eine Chance für Anlagen, die demnächst keine EEG-Förderung mehr erhalten? Können sich Stadtwerke damit ein neues Geschäftsfeld erschließen? Diesen Fragen gingen gestern in Ingolstadt auf dem Fachgespräch des C.A.R.M.E.N. e.V.  zum Thema „Perspektiven der Stromvermarktung“ verschiedene Referenten nach.


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Staatsministerium gegen dezentrale Energieerzeugung


Viel Kritik zog sich gleich am Anfang Christian Hahn vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie zu, der die dezentrale Stromerzeugung und damit die Eckpfeiler der Energiewende in Frage stellte. „Die Dezentralität stellt die Verteilnetze vor neue Herausforderungen. Wegen der Volatilität von Wind- und Solarenergie werden wir weiterhin zentrale Kraftwerke sowie den Netzausbau benötigen“, sagte Hahn. Den Ruf nach Energieautarkie sieht er kritisch. Ballungszentren würden auch künftig auf überregionalen Strombezug angewiesen sein. Er forderte in seiner Rede vor den 150 Teilnehmern mehr Realistätsinn.


Energiegenossenschaften lösen sich zum Teil wieder auf


„Wer gegen die Energiewende vor Ort ist und stattdessen Energie aus Russland kaufen will, dürfte eigentlich nicht im Bayerischen Wirtschaftsministerium arbeiten“, kritisierte Markus Käser in seinem Vortrag die Aussagen des Ministeriumsvertreters. Wie Käser deutlich machte, gibt Deutschland pro Kopf im Jahr rund 1000 € für fossile Energien aus. „Die Milliarden Euro könnten wir in Bayern besser für die Energiewende verwenden“, sagte der Vorsitzende des Bürgerenergie Bayern e.V., der mit dem Produkt „Bavariastrom“ ein regionales Produkt zusammen mit dem Ökostromanbieter „Naturstrom“ aufgelegt hat. Der Verein würde gern über regionale Herkunftsnachweise Strom aus den Anlagen vor Ort kennzeichnen, damit die Stromkunden wüssten, woher ihr Strom genau kommt. Doch das von der Bundesregierung angekündigte Regionalnachweisregister kommt nach Aussage von Martin Berelson vom Umweltbundesamt erst im Jahr 2019.


Käser berichtete, dass Energiegenossenschaften und andere Bürgerenergiegesellschaften seit mehreren Jahren mit den schlechten Rahmenbedingungen zu kämpfen hätten. Immer wieder würden sich Gesellschaften auflösen, nachdem es jahrelang einen Boom bei neuen Zusammenschlüssen gegeben hatte. Was den Betreibern bei der Direktbelieferung von Strom zu schaffen macht, sind vor allem die massiven bürokratischen Hürden sowie die Vielzahl an Umlagen und Abgaben. „Das ist ganz klar ein Markteintrittshemmnis“, sagt Rechtsanwalt und  Oliver Eifertinger, der ebenfalls im Vorstand der Bürgerenergie Bayern tätig ist.


Virtuelles Kraftwerk als Chance


Dr. Hans-Joachim Röhl vom Direktvermarkter Next Kraftwerke zeigte die Chancen auf, die gerade für Biogasanlagen in Virtuellen Kraftwerken liegen. Im Verbund mit anderen Stromerzeugungstechnologien und einem erfahrenen Stromvermarkter könnten sie mit einer flexiblen Anlage durchaus vom Strommarkt profitieren und sich neue Geschäftsfelder erschließen. „Ich vermisse jedoch bei den Netzbetreibern, dass sie Anlagenbetreiber als Partner ansehen. Stattdessen sind diese für sie ein Übel. Das müssen wir ändern“, forderte Röhl.


Blockchain zieht in die Energiewelt ein


Mittelfristig könnte auch die vieldiskutierte Blockchain-Technologie eine Chance für die regionale Stromvermarktung sein. „Bei Blockchain werden nicht wie früher Dateien über das Internet übertragen, sondern digitale Gegenstände direkt zwischen zwei Vertragspartnern“, erklärte Sven Buschke vom Deloitte Blockchain Institute aus München. Mit der Blockchain-Technologie könnte es künftig möglich sein, Strom dezentral zwischen Nachbarn auszutauschen, auch kleinere Mengen.


Wie so etwas in der Praxis aussehen könnte, erläuterte Joachim Klaus von den Allgäuer Überlandwerken (AÜW) aus Kempten. In dem Projekt „Allgäuer Microgrid“ wollen die  AÜW einen nachbarschaftlichen Stromhandel anbieten. „Wir wollen ein neues Rollenverständnis für Stadtwerke etablieren. Nur mit dem Stromverkauf werden Unternehmen wie das unsere künftig nicht überleben“, verdeutlichte Klaus. Stattdessen sehen sich die AÜW als Dienstleister, die eine Stromhandelsplattform anbieten und Erzeuger und Verbraucher zusammen bringen. Damit sollen auch Märkte für Kleinerzeuger geschaffen werden wie z.B. Betreiber von kleineren Photovoltaikanlagen. Jetzt geht es darum abzuklopfen, inwiefern die Blockchain-Technologie mit aktuellen Rahmenbedingungen vereinbar ist, nicht nur in Bezug auf den Stromhandel und die Energiewirtschaft, sondern auch bezüglich Datenschutz.


Das Fazit der Tagung: Der Wunsch von Verbrauchern und Erzeugern nach regionaler Stromvermarktung wächst. Doch es gibt aktuell eine Vielzahl an Hürden, die die dezentrale Vermarktung, Speicherung und Sektorkopplung unwirtschaftlich machen. Um diesen Markt in Gang zu bringen, müsste die Politik als erstes das System der Abgaben und Umlagen auf den Strom reformieren.

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