Was unterscheidet die ländliche Familienberatung (LFB) von anderen Beratungsangeboten?
Helga Rolfes: „Die ländliche Familienberatung ist eine psychosoziale Beratung für die Familien auf den Höfen. Es geht um persönliche und familiäre Themen, beispielsweise Familienkonflikte, Einsamkeit, Schuld, Trauer, Ängste, Älter werden, Verantwortungsübernahme, Überforderung, Loyalität zur Hofgeschichte und ihren Traditionen usw. Es kann und darf alles auf den Tisch kommen, was die Menschen auf den Höfen bewegt und belastet.“
Bernhard Hülsken: „Das Besondere ist, dass die LFB mit ehrenamtlichen Beratern arbeitet, die zu zweit auf die Höfe fahren und dort eine Familie begleiten. Die Berater kennen das System Landwirtschaft aus dem eigenen Leben, sind also nah dran an den Themen der Menschen, können aber durch die Vorbereitung bzw. Qualifizierung ihre Rolle als Berater wahrnehmen, ohne sich in die herausfordernden Themen verwickeln zu lassen. Unsere Erfahrung nach vielen Jahren der Ausbildung und Begleitung der Berater zeigt: Dieses Angebot der Ländlichen Familienberatung ist für Menschen im ländlichen Raum unverzichtbar.“
Das Land NRW hat die LFB Münster mit der Ausbildung von ehrenamtlichen Familienberaterinnen und -beratern beauftragt. Weitere Infos zur Ausbildung erhalten Sie unter 015152365750 oder lfb-rheinland@web.de
Für die Neuausbildung von Familienberatern für das Rheinland suchen Sie nun Bewerber. Was beinhaltet die Ausbildung?
Rolfes: „Die systemisch-ganzheitliche Ausbildung umfasst acht Ausbildungswochenenden verteilt über 1,5 Jahre. Die Beschäftigung mit der eigenen Lebensbiografie ist ein wesentlicher Baustein darin, der sich durch die gesamte Ausbildung zieht. Ein weiterer wichtiger Baustein ist das systemische Verstehen davon, wie Menschen und landwirtschaftliche Familien „ticken“. Das Handwerkszeug, also bestimmte Methoden und Techniken für Beratung, werden gelernt und die Umsetzung an konkreten Beratungsfällen immer wieder trainiert.
Aus welchem Grund ist die Reflektion der eigenen Biografie so wichtig?
Rolfes: „Indem ich mein eigenes Leben reflektiere und erlebe, wie andere ihr Leben reflektieren, hinterfrage ich automatisch bestimmte Rollenbilder. Ich kann anders auf meine Geschichte blicken und mehr Klarheit bekommen. Dadurch werde ich einfühlsamer und offener für andere Menschen, ihre Gefühle, ihre Entscheidungen etc. Bislang sagen alle ausgebildeten Beraterinnen und Berater, dass die Ausbildung ein Geschenk und eine Bereicherung für ihr Leben war und ist.“
Hülsken: „Die Berater treffen nach der Ausbildung auf Familien, die ihnen alle möglichen Themen offenbaren. Dies sind in aller Regel herausfordernde Themen, die oft die Nöte und Ängste der Menschen widerspiegeln. Dann ist es wichtig, dass diese Themen die Berater nicht verunsichern oder ängstigen, sondern sie mit ihrer beraterischen Kompetenz die ratsuchenden Menschen begleiten können.
Muss ich also selbst viele Krisen erlebt haben, um ein guter Berater zu werden?
Hülsken: „Nein, das muss man auf keinen Fall. Entscheidend ist, dass die Beraterinnen und Berater offen sind für Menschen und die Themen die ihnen begegnen.“
Was sollten die Bewerber noch mitbringen?
Hülsken: „Sie sollten in der Regel zwischen 25 und 60 Jahre alt sein, selbst vom Hof kommen oder landwirtschaftliche Erfahrung mitbringen.“
Rolfes: „Und sie sollten Freude daran haben, sich selbst und andere Menschen wirklich „von innen her“ kennenzulernen und zu verstehen. Zudem sind „Neugier“ und Interesse wichtig, Menschen auch in Konflikt- und Krisensituationen in ihrer Entwicklung zu begleiten. Und das immer auf Augenhöhe, niemals von oben herab.“
Wie geht es nach der Ausbildung weiter?
Hülsken: „Nach der Ausbildung haben die Teilnehmer das nötige Rüstzeug erworben, um zu zweit ratsuchende Menschen im ländlichen Raum zu begleiten. Die Erfahrungen, die sie in der Beratungsarbeit machen, werden im Rahmen von regelmäßiger Supervision reflektiert und schwierige oder herausfordernde Situationen noch einmal nachgearbeitet. Daneben werden zusätzliche Fortbildungen angeboten, die bestimmte Themen vertiefen.“
Die Ausbildung verändert und bereichert das eigene Leben.
Was macht Ihnen persönlich Freude an der Ausbildung?
Rolfes: „Ich empfinde es als sehr sinnstiftend, Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten, mit ihnen Themen zu be- und zu verarbeiten und zu erleben, wie sie auch aus krisenhaften Schicksalsschlägen neue Perspektiven entwickeln und (noch mehr) zu Gestaltern ihres Lebens werden.“
Hülsken: „Wer bin ich eigentlich? – An diese Frage kommen alle Teilnehmer im Rahmen der Ausbildung. Im alltäglichen Leben mit all den persönlichen und beruflichen Verpflichtungen ist für diese Frage in der Regel kaum Zeit. Zu erleben, wie die Frauen und Männer in der Ausbildung diese Frage für sich klären und wie sie in diesem Prozess wachsen, das ist auch für mich persönlich sehr bereichernd.“
Die Arbeit der ländlichen Familienberatung ist unverzichtbar.
Mehr über die Arbeit der Ländlichen Familienberatungen Münster und Hardehausen und des Landfrauentelefons NRW erfahren Sie in diesem 3-minütigen Video:
