Die Getreide-Vermehrung rechnet sich kaum. Über die Ursachen sprach top agrar mit dem Geschäftsführer des Saatbauvereins Minden-Ravensberg-Lippe, Dirk Höke, LWK NRW.
top agrar: Warum geben immer mehr Betriebe die Getreide-Vermehrung auf?
Höke: Das Risiko ist hoch und die Margen sind gering. Hier in Ostwestfalen kommen viele Betriebe auf Aufbereitungskosten von 7 bis 9 €/dt Saatware. Diese Zuschläge lassen sich am Markt nicht realisieren. Bei der aufbereiteten Saatware haben Sie zusätzlich noch das Risiko, auf der Ware sitzenzubleiben.
top agrar: Welche Betriebe machen dennoch weiter?
Höke: Vor allem die Spezialisten. Wir haben in der Region viele traditionelle Zuchtunternehmen. Diese schließen mit hiesigen Vermehrern und/oder Aufbereitern direkte Verträge ab, zum Beispiel zur Vermehrung von Basissaatgut. Wichtig ist: Die Züchter geben auch entsprechende Abnahmegarantien und zahlen ordentliche Zuschläge. Das ist aber nur ein Geschäft für wenige. Darüber hinaus sehe ich bei der Vermehrung den Trend, nur noch Rohware zu produzieren.
top agrar: Also hat die klassische Vermehrung mit Aufbereitung ausgedient?
Höke: Wenn die Nachfrage nach Z-Saatgut weiter sinkt, werden weitere Betriebe aus der Vermehrung aussteigen. Die hiesigen Vertriebsorganisations-Firmen (VO-Firmen) haben sich zwar zum Ziel gesetzt, etwa 40 % des Saatgutbedarfs aus regionaler Vermehrung zu decken. Allerdings werden die gängigen Standardsorten in anderen Regionen mit günstigeren Kostenstrukturen vermehrt.
Für die hiesigen Landwirte bleiben dann nur die neuen Sorten, die noch nicht so bekannt sind und sich entsprechend schwer vermarkten lassen. Dieses Risiko können Sie als Vermehrer nicht tragen. Allenfalls die Produktion von Rohware wäre betriebswirtschaftlich vertretbar, wenn die Zuschläge hoch genug sind.
top agrar: Und rechnet sich das?
Höke: Nur bedingt. Einige VO-Firmen versuchen Neueinsteiger mit Rohwaren-Zuschlägen von 1 bis 1,50 €/dt zu ködern. Allerdings verursacht das Basissaatgut bereits zusätzliche Kosten von bis zu 1 € je dt. Die Vermehrung lohnt sich bei den aktuell niedrigen Getreidepreisen also nur, wenn sie keine weiteren Mehrkosten durch zusätzliche Arbeitszeit für Feldhygiene, -bereinigung und -kontrolle haben. Damit steigt allerdings das Risiko, das die Vermehrungsbestände nicht anerkannt werden. Wenn es schief geht, bleiben die Vermehrer auf den zusätzlichen Saatgut- und Pflanzenschutzkosten hängen. Wer einmal zugebuttert hat, hat von der Vermehrung meistens die Nase voll.
top agrar: Was raten Sie den Landwirten?
Höke: Wer kein passionierter Vermehrer ist, sollte die Finger von der Vermehrung lassen. Solange der Saatgutmarkt überversorgt ist, bleiben die Zuschläge überschaubar. Das gilt für die Rohware und erst recht für die Saatware. Bei letzterem kommt das Abnahmerisiko noch hinzu. Dies wird durch die enorme Sortenvielfalt noch erhöht. Wer kann heute mit Sicherheit sagen, welche Sorte im nächsten Jahr angesagt ist?
Ludger Schulze Pals