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Scheidung auf dem Hof

Lesezeit: 9 Minuten

Was passiert bei einer Scheidung mit dem Betrieb? Welchen Ausgleichsanspruch hat der Ehepartner? Darum geht es in der Vermögensauseinandersetzung.


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Mehr als jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden. Betroffen sind auch Landwirte und ihre Ehepartner. Neben den emotionalen Belastungen müssen viele vermögensrechtliche und finanzielle Fragen geklärt werden. Vor allem: Was passiert mit dem Hof und welche Ausgleichszahlungen stehen dem Ehepartner zu?


Nach Schätzungen aus der Praxis leben ca. 60–70% der Ehepaare auf den Höfen im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Für den Hof kann das bei einer Scheidung eine enorme finanzielle Belastung mit sich bringen. In anderen Fällen hat der Ehepartner das Nachsehen und geht evtl. quasi mittellos aus der Ehe. Deshalb sollten der Betriebsinhaber und der Ehepartner wissen, was bei einer Scheidung auf sie zukommt.


ZUGEWINNGEMEINSCHAFT


Bei der Zugewinngemeinschaft bleibt jeder Ehepartner Alleineigentümer seines Vermögens, und zwar auch des Vermögens, welches in der Ehe von ihm erworben wurde. Auch der Betrieb, den ein Landwirt mit in die Ehe gebracht hat oder nach Eheschließung übertragen bekommen hat, bleibt im Alleineigentum des Landwirts. Hieran ändert auch die Ehescheidung nichts. Lediglich der während der Ehe erzielte Wertzuwachs des Vermögens, der sog. Zugewinn, muss wirtschaftlich aufgeteilt werden. Hierbei werden für beide Eheleute getrennt sämtliche Vermögenswerte zu Beginn der Ehe (Stichtag: standesamtliche Trauung) mit dem Vermögen zum Ende der Ehe (Stichtag: Zustellung Scheidungsantrag) verglichen. Während der Ehezeit ererbtes oder geschenktes Vermögen wird fiktiv dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, so auch z.B. ein nach Eheschließung an den Landwirt von den Eltern übergebener Betrieb. Zugewinn dafür ist die Wertsteigerung vom Zeitpunkt der Übergabe/Schenkung bis zum Eheende.


Beim Zugewinnausgleich muss dann derjenige Ehepartner, der den größeren Vermögenszuwachs (Zugewinn) hatte, die Hälfte des von ihm erzielten Mehrwerts an den anderen Ehepartner auszahlen (Übersicht 1).


Sowohl das Anfangs- als auch das Endvermögen können negativ sein. Sollte der Vermögenszuwachs sich negativ entwickelt haben, wird jedoch der Zugewinn mit Null angesetzt. Da bei der Zugewinnberechnung Vermögen verschiedener Stichtage verrechnet wird, wird das Anfangsvermögen um die allgemeine Preissteigerung korrigiert.


Beide Ehepartner haben übrigens wechselseitige Auskunftsansprüche über das Vermögen des anderen Ehepartners zu den Stichtagen von Eheschließung (Anfangsvermögen), Trennung und Zustellung des Scheidungsantrages.


Ertragswert für den Hof


Die Vermögensbewertung erfolgt grundsätzlich im Anfangs- und Endvermögen nach dem Verkehrswertansatz. Für einen landwirtschaftlichen Betrieb ist jedoch u.U. der sog. Ertragswert anzusetzen. Dieser liegt in der Regel erheblich unter dem Verkehrswert. Auch der Wertzuwachs des landwirtschaftlichen Betriebes fällt hierbei in den allermeisten Fällen weitaus geringer aus.


Diese Privilegierung dient der Erhaltung der landwirtschaftlichen Betriebe und ist an enge Voraussetzungen gebunden.


  • Es muss ein land- und/oder forstwirtschaftlicher Betrieb mit geeignetem Flächenbesatz und einer funktionsfähigen Hofstelle mit entsprechenden Wirtschaftsgebäuden vorliegen, um einen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Betrieb zu ermöglichen. Gerade bei Nebenerwerbsbetrieben fehlt das manchmal.
  • Die Fortführung des Betriebes durch den Betriebsleiter oder einen Abkömmling (Kind/Enkel) muss gewährleistet sein. Gerade älteren Landwirten ohne absehbaren Hofnachfolger bleibt das Ertragswertprivileg deshalb u.U. versagt. Bei verpachteten Betrieben muss die Wiederaufnahme der Bewirtschaftung durch den Eigentümer oder einen Abkömmling absehbar sein. Indizien dafür sind eine nach Art und Umfang geeignete Hofstelle sowie eine entsprechende Inventar- u. Flächenausstattung.
  • Der Betriebsinhaber muss ausgleichspflichtig sein, also dem Ehepartner Zugewinnausgleich schulden. Denn das Ertragswertprivileg dient nur dazu, die Ausgleichsforderungen des Ehepartners abzuwehren. Möchte der Landwirt dagegen seinen Ehepartner auf Zugewinn in Anspruch nehmen, wird der Hof zum Verkehrswert angesetzt.
  • Der landwirtschaftliche Betrieb muss im Anfangs- und Endvermögen vorhanden sein, er musste also dem Landwirt schon vor der Ehe gehören oder ihm im Laufe der Ehezeit durch Erbfall bzw. im Wege der vorweggenommen Erbfolge übergeben worden sein.


Für einen während der Ehe zugekauften Betrieb gilt das Ertragswertprivileg nicht, ebenso grundsätzlich nicht bei in der Ehezeit hinzugekauften Flächen, es sei denn, diese sind zur Erhaltung des Betriebs zwingend notwendig. Ansonsten sind Zukäufe grundsätzlich nach Verkehrswert zu berechnen.


Übrigens: Sind beide Ehepartner Eigentümer eines land- und/oder forstwirtschaftlichen Betriebes, werden beide Betriebe zum Ertragswert bewertet.


Kommt bei der Ertragswertbewertung ausnahmsweise ein höherer Betrag als bei der Verkehrswertberechnung heraus, ist im Sinne der Privilegierung der niedrigere Verkehrswert bei der Zugewinnermittlung anzusetzen.


Erfolgt die Bewertung des landwirtschaftlichen Betriebes nach dem Verkehrswert, können ggf. Steuern und sonstige Kosten, die bei einer (fiktiven) Veräußerung anfallen würden, vom Verkehrswert in Abzug gebracht werden.


Berechnung Ertragswert


Anders als beim Verkehrswert geht es bei der Ertragswertermittlung nicht um den Verkaufswert, sondern um die Ertragskraft des Betriebes. Zunächst wird der Reinertrag des Betriebes ermittelt, meist auf Grundlage der vorliegenden Buchführungsergebnisse der letzten drei bis fünf Jahre vor dem Stichtag. Für aktuellere Beträge reichen ggf. Schätzungen. Weicht der ermittelte Reinertrag grob von den amtlichen Statistiken von Durchschnittsgewinnen vergleichbarer Betriebe ab, ist eine Anpassung ggf. möglich. Denn es geht um die Bewertung des Betriebes, nicht um die Bewertung des Betriebsleiters. Am Ende wird der Reinertrag entsprechend des landesüblichen Kapitalisators kapitalisiert. In Niedersachsen beträgt dieser das 17-fache des jährlichen Reinertrags.


Zum Ertragswert zählen auch Erträge aus zugepachteten Flächen (abzüglich Pachtaufwand). Wegen der Unterschiede bzgl. des Verbleibs dieser Flächen in der Nutzung des landwirtschaftlichen Betriebes wird der Ertragswert von Pachtflächen separat ermittelt und nach Dauer des Pachtverhältnisses kapitalisiert. Oft umstritten ist, mit welchem Faktor jeweils gerechnet wird.


Bei der Ertragswertermittlung werden auch die betrieblichen Verbindlichkeiten berücksichtigt. Bislang wurde dabei die Zinslast der Verbindlichkeiten nicht in Abzug gebracht. Dafür wurde aber nach der Berechnung des kapitalisierten Ertrags der Nominalbetrag der Verbindlichkeiten abgezogen, ähnlich wie bei der Verkehrswertberechnung, wo ebenfalls der Nominalbetrag der Verbindlichkeiten abgezogen wird.


Nach einem neuen Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) aus dem Jahr 2016 wird nun bei der Ermittlung der Durchschnittserträge schlichtweg die Zinslast der betrieblichen Verbindlichkeiten berücksichtigt und nur der sich danach ergebende Betrag kapitalisiert, aber nicht mehr die betrieblichen Verbindlichkeiten in Abzug gebracht (Az.: XII ZB 578/14).


Ob sich anhand der nun maßgeblichen Berechnungsmethode zu den betrieblichen Verbindlichkeiten höhere oder niedrigere Zugewinne ergeben, wird letztlich von dem zugrunde liegenden Zinssatz abhängen. Aktuell dürfte die neue Berechnung wegen der niedrigen Zinssätze eher zu höheren Zugewinnen für den Landwirt führen.


Übrigens: Falls der Ertragswert eines landwirtschaftlichen Betriebes negativ ist, ist bislang ungeklärt, ob der negative Wert auf das sonstige nach Verkehrswert ermittelte Vermögen anzurechnen ist (so wie das bei verschiedenen Vermögenspositionen im Rahmen einer Verkehrswertberechnung möglich ist).


Häufige Streitfälle


In den Ertragswert gehen alle Vermögensgegenstände ein, die zum ordnungsgemäßen Betrieb erforderlich sind oder ihm auch nur gewidmet oder eingegliedert sind. Alle anderen Vermögensgegenstände werden zum Verkehrswert bewertet. Übersicht 2 gibt hierfür einen groben Überblick.


In der Praxis ist aber oft strittig, ob diverse Vermögenswerte dem Ertragswertprivileg unterliegen oder ob diese gesondert mit dem Verkehrswert zu bewerten sind, z.B. ob


  • ein Flächenzukauf wie im Regelfall der Betriebserweiterung dient oder doch nur der Erhaltung des Betriebes,
  • es sich z.B. bei einem Hofladen um einen unselbstständigen oder um einen selbstständigen Nebenbetrieb handelt,
  • der landwirtschaftliche Betrieb selbst, neben gewerblichen Aktivitäten wie Tierhaltung, Vermietung, Biogas oder PV selbst der Nebenbetrieb ist.


Wie genau für gewerbliche Einkünfte wie z.B. aus Hofcafes, Ferienwohnungen oder Pensionspferdehaltung der Verkehrswert berechnet wird, ist nicht abschließend vorgegeben. Dies wird letztlich von der vom Richter angeordneten Bewertungsmethode abhängen.


Mit der Frage, wie eine umfassende Umwandlung von Betriebszweigen eines Hofes auch Richtung Gewerbe zu bewerten ist, hat sich der BGH ebenfalls in der Entscheidung aus 2016 (Az.: XII ZB 578/14) beschäftigt. In diesem Fall bejahte der BGH im Ergebnis das Ertragswertprivileg für einen Betrieb, der sich während der Ehezeit von einem Betrieb mit Schweinemast und Milchviehhaltung zu einem Betrieb mit Putenmast, Ackerbau sowie Rinderaufzucht in Pensionstierhaltung entwickelt hat. Das gilt nach dem Urteil des BGH in diesem Fall ausdrücklich auch für die Putenmast als KG (Beteiligung des Sohnes von 20% als Kommanditist) und das Sonderbetriebsvermögen.


Der BGH betonte allerdings, dass die Privilegierung verloren gehe, wenn im Rahmen der Gesamtschau kein landwirtschaftliches Merkmal mehr zu erkennen sei.


Schieflage am Ende?


Je nach Betrieb, fallen die Zugewinne ganz unterschiedlich aus. Bei durchaus gesunden Betrieben, die aber evt. nur mäßig investiert haben und keine gewerblichen Erträge haben, findet man häufig recht niedrige Zugewinne. Hohe Zugewinne finden sich eher bei Betrieben, die stark gewachsen sind bzw. mit Flächenzukäufen den Betrieb erweitert haben und zudem gewerbliche Ertragsquellen haben oder auch Bau- bzw. Bauerwartungsland haben, das i.d.R. zum Verkehrswert bewertet wird.


Dabei kann es für beide Ehepartner zu finanziellen Härten kommen.


  • Für Landwirte, die den Ausgleichsbetrag für den Ehepartner kaum leisten können, ohne dafür Substanzverkäufe aus dem Betrieb vornehmen zu müssen.
  • Für den Ehepartner, der kaum berufstätig war, unentgeltlich im Betrieb gearbeitet hat, evt. Geld in den Hof gesteckt hat und bei Scheidung ohne Geld dasteht. Es gibt nämlich dem Grunde nach keinen Ausgleich für die eingebrachte Arbeit und wenig Möglichkeiten, eingebrachtes Geld wiederzubekommen.


In solchen Fällen ist es von Vorteil, wenn die Ehepartner neben dem Betrieb noch über weiteres Vermögen verfügen, das in den Zugewinnausgleich eingeht und das sie für eine faire Lösung ggf. als Alternative zum Zahlungsanspruch dem Ehepartner übereignen können.


Falls der eingeheiratete Ehepartner nach Zugewinnausgleich quasi leer ausgehen würde, könnte ggf. aus Fairnessgründen für dessen Arbeitseinsatz ein Ausgleich gezahlt werden. Beispielsweise bekäme der Ehepartner bei einem Einsatz von einer halben Arbeitskraft und 10 € Stundenlohn einen Betrag von 10000 € pro Ehejahr. Ein so ermittelter Kapitalstock könnte, so Betriebsberater Bernhard Gründken von der Landwirtschaftskammer NRW, den Neuanfang mit Wohnungs- und Arbeitssuche ein wenig erleichtern – i.d.R. ohne den Betrieb zu gefährden.


Welche emotionalen Folgen eine Scheidung für die ehemaligen Partner und die Kinder hat, lesen Sie ab Seite 156.


Welche emotionalen Folgen eine Scheidung für die ehemaligen Partner und die Kinder hat, lesen Sie ab Seite 156.


Welche emotionalen Folgen eine Scheidung für die ehemaligen Partner und die Kinder hat, lesen Sie ab Seite 156.


anne.schulze-vohren@topagrar.com

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