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Seuchen: Gegen Ertrags-ausfall absichern?

Lesezeit: 7 Minuten

Wie ein Damoklesschwert schwebt die Afrikanische Schweinepest über den Schweinehaltern. Wann eine Ertragsausfallversicherung sinnvoll ist und wie hoch die Prämien aktuell sind, weiß Burkhard Fry von der Landwirtschaftskammer NRW.


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Niemand weiß, ob die Afrikanische Schweinepest (ASP) wirklich bis nach Deutschland kommt. Allerdings rückt die Seuche näher. Den ­Osten Polens hat sie schon erreicht. Auch über Lebensmittel wie zum Beispiel Wildfleisch kann das Virus jederzeit von Osteuropa zu uns kommen und einen plötzlichen Ausbruch verursachen. Impfen ist dann auch keine Lösung, denn gegen ASP gibt es keinen Marker-Impfstoff.


Viele Schweinehalter haben deshalb eine private Ertragsausfallversicherung abgeschlossen. Andere Landwirte zögern noch. Kein Wunder: Die Versicherung kostet größere Betriebe schnell mehrere tausend Euro im Jahr.


Absichern ja oder nein?

Eine Ertragsausfallversicherung ist dann sinnvoll, wenn Ihrem Betrieb im Seuchenfall so große finanzielle Schäden entstünden, dass der Betrieb dadurch existenzgefährdet wäre.


Bedrohlich sind hohe Schäden vor allem für Betriebe mit viel Fremdkapital, hohen Pachten und Löhnen, die im Falle einer Keulung schnell in Zahlungsschwierigkeiten kommen können. Deshalb ist die Ertragsausfallversicherung vor allem für stark gewachsene Sauenbetriebe eine Option. Diese müssen ­gerade im Falle einer Keulung mit dramatischen finanziellen Einbrüchen rechnen. Denn nach einer Keulung entstehen diesen Betrieben nicht nur Erlösausfälle, sondern auch hohe Kosten für den Wiederaufbau der Herde. Vielfach dauert es ein bis zwei Jahre bis der alte Leistungsstand wieder erreicht ist.


Das musste auch Stefan M. (Name geändert), Sauenhalter mit 500 Sauen, erleben. Nachdem auf seinem Betrieb die europäische Schweinepest festgestellt und der gesamte Tierbestand gekeult wurde, war der Betrieb für insgesamt 35 Tage gesperrt. Danach benötigte der Sauenhalter insgesamt acht bis neun Monate bis die Produktion wieder im vollen Gange war. Und die volle Leistung erbrachten die Sauen von Stefan M. erst nach etwa 1,5 Jahren. Der Schaden belief sich auf über 250 000 €.


In der Schweinemast sind die Verluste auch im Falle der Keulung in der Regel weniger dramatisch, da der Wiederaufbau des Bestandes in der Regel ohne große Leistungseinbußen abläuft. Bei sehr großen Beständen von mehreren tausend Mastplätzen mit hohem Liquiditätsbedarf für Fremdkapital, Pachten und Löhne kann aber auch hier der Abschluss einer Ertragsausfallversicherung sinnvoll sein.


Betriebe im geschlossenen System können, um Kosten zu sparen, überlegen, ob sie ggf. nur die Sauenhaltung absichern und auf eine Absicherung der Schweinemast verzichten. Das ist machbar und oft sinnvoll.


Auf eine Versicherung verzichten können Betriebe, die über ausreichend Eigenkapital und eigene Flächen verfügen und die vielleicht auch noch ein zusätzliches Standbein haben, wie z. B. den Mitverdienst der Ehefrau. Das gilt erst recht für ohnehin auslaufende Betriebe, die ihre Produktion nach einem Seuchenfall eventuell sogar vorzeitig einstellen würden.


Eine große Rolle spielt auch Ihre persönliche Risikobereitschaft. Wie verkraften Sie und Ihre Familie eine drohende oder augebrochene Tierseuche? Schlafen Sie womöglich besser mit einer abgeschlossenen Police? Auch das kann den letzten Ausschlag für den Abschluss einer Ertragsausfallversicherung geben.


Übrigens wirkt sich der Vertragsabschluss u. U. auch positiv auf das Rating der Hausbank aus.


Was die Versicherung leistet:

Die private Ertragsausfallversicherung ersetzt dem Landwirt die Ertragseinbußen, die nicht von der Tierseuchenkasse gedeckt werden (siehe Kasten). Dabei orientieren sich die meisten angebotenen Entschädigungsmodelle am entgangenen Deckungsbeitrag. Im Schadensfall erhalten Sie zunächst eine Abschlagszahlung. Später wird der tatsächliche Schaden ermittelt. Dieser hängt ab von der Größe und dem Leistungsstand des Betriebes, den aktuellen Marktpreisen und der Dauer der Sperre. Diese beträgt bei der Afrikanischen Schweinepest im Sperrgebiet mindestens 40 Tage und im Beobachtungsgebiet mindestens 30 Tage. Die Schadensberechnung führt meist ein Gutachter der Versicherung durch. Falls Sie mit der Berechnung nicht einverstanden sind, können Sie selbst auf eigene Kosten einen öffentlich bestellten Sachverständigen beauftragen. Dann wird in einem Sachverständigenverfahren über den Entschädigungsbetrag entschieden.


Nur einzelne Versicherungen bieten neben der Entschädigung nach dem entgangenen Deckungsbeitrag eine pauschale Entschädigung nach Tabellenwerten an. Dabei wird schon bei Vertragsabschluss eine feste Entschädigung vereinbart, die allerdings erheblich vom tatsächlichen Schaden abweichen kann. Andererseits wissen Sie von vornherein, mit welchem Betrag Sie im Seuchenfall rechnen können.


Angeboten wird die Ertragsausfallversicherung nur von wenigen Versicherungsunternehmen:


  • vom LVM, der VTV (R +V), der München Magdeburger sowie
  • von der Westfälischen Provinzial, der Uelzener Versicherung, der Versicherungskammer Bayern und der VGH, die gemeinsam die „MGV-Tier“ (Mitversicherungsgemeinschaft Tier) vertreiben.


Darüber hinaus haben manche Verbände und Erzeugergemeinschaften mit einzelnen Versicherungen Sondertarife ausgehandelt, z. B. mit Vorteilen hinsichtlich der Selbstbeteiligungen.


Die private Absicherung gegen einen Seuchenausbruch kostet größere Betriebe immer mehrere tausend Euro pro Jahr. Dabei gibt es jedoch – bei vergleichbaren Leistungen im Schadensfall – sehr große Unterschiede zwischen den einzelnen Versicherungsangeboten. Das zeigt auch unsere oben stehende Übersicht, für die wir bei vier verschiedenen Versicherungen aktuelle Prämien und Selbstbeteiligungen für zwei Modellbetriebe erfragt haben.


Ein Betrieb mit 300 Sauen zahlt Prämien zwischen 2 998 € und 4 220 € pro Jahr. Hinzu kommt im Schadens-fall eine Selbstbeteiligung zwischen 11 940 € und 23 621 €. Ein 3 000er-Mastbetrieb zahlt jährlich zwischen 1 428 € und 1 939 €, dazu eine Selbstbeteiligung zwischen 6 750 € und 22 838 €. Dabei ist eine geringe Prämie allerdings nicht unbedingt mit einer viel höheren Selbstbeteiligung verbunden.


Wir empfehlen Ihnen, unbedingt mehrere Angebote einzuholen und zu vergleichen. Geben Sie den Versicherungsgesellschaften gleiche Tierzahlen und Leistungsdaten vor, damit Sie die Angebote vergleichen können. Ob Ihnen dann die günstigste Prämie oder die geringste Selbstbeteiligung wichtiger ist, ist letztendlich auch eine Geschmacksfrage. Klar ist: Von der niedrigen Prämie profitieren Sie jedes Jahr, von der niedrigen Selbstbeteiligung nur im Schadensfall.


Welche Zusatzmodule?

Zusätzlich zu den Tierseuchen wird in der Regel der „Unfall“ mitversichert. Das ist auch sinnvoll. Denn gerade im Schweinebetrieb kann z. B. ein Lüftungsausfall existenzbedrohend sein.


Die zusätzliche Versicherung übertragbarer Krankheiten sollten Schweinehalter sich allerdings gut überlegen. Denn bei den übertragbaren Krankheiten ist zwar das Krankheitsgeschehen oft dramatisch, der finanzielle Schaden ist aber vielfach nicht existenzbedrohend. Die Kosten der zusätzlichen Absicherung sind dagegen gewaltig. Je nach Versicherungsgesellschaft beträgt der Prämienaufschlag zwischen 40 % bis 100 %. Die Selbstbeteiligung bleibt konstant (siehe Übersicht auf S. 47).


Hinzu kommt, dass die Versicherer bei den übertragbaren Krankheiten eine penible Risikoprüfung vornehmen. Als Schweinehalter müssen Sie zahlreiche Fragen zum Gesundheitsstatus Ihres Bestandes beantworten, vielfach muss auch der Tierarzt einen Fragebogen ausfüllen. Bei sehr großen Betrieben, z. B. ab 1 000 Sauen, schauen die Versicherer den Bestand auch gerne selbst an. Liegen Gesundheitsmängel vor, lehnt der Versicherer die Absicherung ab oder schließt bestimmte Krankheiten aus. Andere Gesellschaften bieten die Absicherung übertragbarer Krankheiten von vornherein nur sehr zurückhaltend an.


Die zusätzliche Absicherung von Schäden durch eine Schadstoff-Kontamination von Futter und anderen Betriebsmitteln kostet für einen Sauenbetrieb 1 € bis 2 € pro Sau und für einen Mastbetrieb unter 0,50 € pro Mastplatz. Im Schadensfall müssten Sie jedoch auch die entsprechende Selbstbeteiligung berappen. Und die ist gerade in solchen Fällen schnell höher als der Schaden selbst.


Darauf achten!

Sauenhalter, die sich für eine Ertragsausfallversicherung entscheiden, sollten den im Schadensfall entgangenen Deckungsbeitrag absichern, um auch den überdurchschnitt­lich großen Schaden in einer Hochpreis­phase voll abzusichern. Für Schweinemäster ist im Einzelfall auch die u. U. etwas günstigere Versicherung über Pauschal- bzw. Tabellenwerte als eine Art Teilabsicherung denkbar.


Geben Sie bei Vertragsabschluss den korrekten Tierbestand an und melden Sie umgehend Veränderungen der Produktion (Anzahl der Mastschweine, und Sauen oder Anzahl der Ferkel). Dann bekommen Sie im Schadensfall auf jeden Fall den Schaden am gesamten Tierbestand ersetzt.


Achten Sie darauf, welchen Unterversicherungsverzicht die Versicherung anbietet. Üblich ist ein Unterversicherungsverzicht von 10 % oder 20 %. Ist also der tatsächliche Tierbestand im Schadensfall höher als der bei Vertragsabschluss versicherte Bestand, übernimmt die Versicherung nicht nur den Schaden für die versicherten Tiere, sondern auch für 10 % bzw. 20 % des darüber hinausgehenden Bestandes.


Klären Sie bei Vertragsabschluss auf welchen Zeitraum sich die Selbstbeteiligung bezieht. Problematisch ist es, wenn sich die Selbstbeteiligung nicht auf das Schadensjahr, sondern auf das Versicherungsjahr bezieht. Dann müssten Sie, falls sich der Schaden über zwei Versicherungsjahre zieht, u. U. zweimal die Selbstbeteiligung zahlen. Das sollten Sie von vornherein vermeiden.


Und bedenken Sie: Für anzeigepflichtige Seuchen greift der Versicherungsschutz in der Regel erst nach drei Monaten. Bei Verhandlung ist aber auch eine Wartezeit von nur einem Monat drin.

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