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Tiere holen die Erinnerung zurück

Lesezeit: 4 Minuten

Kerstin Riechers und Hartmut Callsen bieten seit 2016 eine tierbegleitete Demenzarbeit und -betreuung auf ihrem Hof an. Die Erkrankten kennen die Landwirtschaft oft noch aus der Kindheit.


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Auf dem Begelhof Weesby-Bögelhuus (Schleswig-Holstein) halten Kerstin Riechers und Hartmut Callsen auf 54 ha Grünland 32 Salers Mutterkühe plus Nachzucht. Das Bio-Fleisch vermarkten die gelernten Landwirte seit 2015 im eigenen Hofladen. Von da an haben sie auch Ferienwohnungen im Angebot. 2017 kam dann die Betreuung von Menschen mit Demenz hinzu. Die Idee ist ihnen über die Vermietung der Ferienwohnungen gekommen. In die Ferien haben einige Gäste ihre an Demenz erkrankten Angehörigen mitgenommen.


Kerstin Riechers ist nicht nur gelernte Landwirtin, sondern hat auch eine medizinische Ausbildung gemacht. Sie hat viele Jahre als Fachkraft für Demenz gearbeitet. Auf dem Bauernhof kann sie nun beide Berufe verbinden. „Es ist für uns ein einmaliges Gefühl, wenn sich unsere Gäste wohlfühlen“, lächelt sie.


Für den neuen Betriebszweig investierten die Betriebsleiter v.a. in einen barrierefreien Hof. Sie bauten für 5000 € befestigte Wege und zusätzliche Sitzgelegenheiten auf dem Gelände. An den Weidezäunen brachten sie leicht zu öffnende Tore an. Außerdem errichteten sie barrierefreie sanitäre Anlagen im Außenbereich und bauten ein Ferienhaus altersgerecht um.


Kammer berät Betriebe


Für vier bis sechs Stunden pro Tag betreuen Riechers und Callsen einen Demenzkranken. Im Sommer haben sie etwa zwei bis vier Demenzkranke pro Woche. Im Winter ist die Nachfrage noch ausbaufähig. Zwischen 15 bis 30 €/h können für diese Art der Betreuungsleistung gerechnet werden.


Mit Vor- und Nachbereitung stecken Callsen und Riechers zusammen etwa 25 Stunden/Woche in den Betriebszweig. Über die Alzheimer Gesellschaft hat Hartmut Callsen eine 30-stündige Schulung speziell für die Betreuung von Menschen mit Demenz absolviert. Diese Schulung wird im Rahmen des Projektes Bauernhof als Ort für Menschen mit Demenz mittlerweile auch von der Landwirtschaftskammer (LWK) angeboten. Sind die Demenzkranken in einer Pflegestufe, zahlt die Pflegekasse den Angehörigen 125 € im Monat für Betreuungsleistungen. Das Geld können sie für die Betreuung auf dem Begelhof nutzen. Riechers betreute anfänglich Gruppen auf dem Hof. Das waren oft Bewohner von Altenheimen oder Vereine. Dabei war oft das Problem, dass zu wenig zusätzliche Betreuer dabei waren oder die Besucher waren noch so rüstig, dass sie keine Hilfe brauchten. Das ist aber nicht der Sinn des Angebotes auf dem Begelhof. „Wir wollen gezielt ein Entlastungsangebot für Angehörige von Menschen mit Demenz anbieten und schließen damit eine Versorgungslücke im ländlichen Raum Schleswig-Holsteins“, sagt Riechers. Daher betreut sie aktuell nur einzelne Personen.


Vor der eigentlichen Betreuung ist im Vorfeld ein gemeinsames Kennenlernen unverzichtbar. Riechers und Callsen führen ein Vorgespräch mit den Angehörigen. Hier erfahren sie, wie stark die Krankheit fortgeschritten ist, oder organisatorische Dinge, z.B. wer der zuständige Arzt ist. Viele ältere Leute sind auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen. „Unsere Gäste erinnern sich wieder, wenn sie hier sind“, erzählt Riechers. Sie versucht mit ihrem Mann die Fähigkeiten, die die Erkrankten nicht verloren haben, zu verstärken. „Wir halten die Besucher so gut es geht in Bewegung – körperlich und geistig“, sagt Callsen. Dazu gehören Arbeiten wie Futter anschieben oder Heu verteilen. Auch gehen sie gemeinsam mit den Tieren spazieren. Esel, Ponys und Rinder bilden die Betriebsleiter selber aus. Das dauert etwa zwei Jahre. Die Tiere müssen an alles gewöhnt sein, sie dürfen sich z.B. nicht vor Rollstühlen erschrecken.


Angehörige Entlasten


Trotz zwei Jahren Laufzeit ist die Annahme des Betreuungsangebotes noch zögerlich. Kerstin Riechers vermutet, dass die Angehörigen Schwierigkeiten haben, Hilfe von Fremden zuzulassen. Bei ca. 1,6 Mio. Menschen mit Demenz in Deutschland liegt der Anteil der im Haushalt pflegenden Angehörigen beinahe bei 60%. Diese stehen oft kurz vor dem Burn-Out. Der Begelhof kann die Familie unterstützen und entlasten.


Die Bewerbung des Angebotes geht über Social Media aber auch über Flyer und Hoffeste. Der persönliche Kontakt zu den Landwirten ist den Angehörigen aber noch immer der wichtigste.


Für die Zukunft wollen sie mit der Gemeinde zusammenarbeiten. „Wir möchten einen Shuttleservice mit einem Bürgerbus anbieten. Einen Parkplatz haben wir schon gebaut“, erklärt Riechers.


www.begelhof-offeneweiden.com ▶

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