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"Ceta ist eine Liberalisierung mit angezogener Handbremse"

Die Landwirtschaft spielte eine Hauptrolle in der Hängepartie vor der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens Ceta. Wie die Veränderungen aus Agrarsicht zu bewerten sind und was das Abkommen mit Kanada für den Fleisch- und Milchmarkt bedeutet, erläutert Udo Hemmerling im Interview mit top agrar.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Landwirtschaft spielte eine Hauptrolle in der Hängepartie vor der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens Ceta am vergangenen Wochenende. Wie die Veränderungen aus Agrarsicht zu bewerten sind und was das Abkommen mit Kanada für den Fleisch- und Milchmarkt bedeutet, erläutert Udo Hemmerling, Stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), im Interview mit top agrar.


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Wie bewerten Sie das harte Ringen um Ceta aus der vergangenen Woche aus Agrarsicht? Hat sich der belgische Widerstand für die Landwirte gelohnt?


Hemmerling: Der DBV sieht in Ceta unter dem Strich mehr Chancen als Risiken. Viele kanadische Verbraucher schätzen deutsche und europäische Produkte, zum Beispiel Käse, Wurstwaren, Süßwaren und unseren Wein. Berufskollegen aus der Wallonie sind vor allem besorgt wegen unfairer Rind- und Schweinefleischimporte. Die Kollegen vom flämischen Boerenbond wiederum bewerten die Chancen von Ceta ähnlich wie der DBV.


Welche Aspekte aus den drei Zusatzerklärungen sind für die Landwirtschaft in Deutschland von Bedeutung?


Hemmerling: Die EU-Kommission hat nochmals bestätigt, dass mit Ceta die Schutzklausel, das Hormonverbot in der Tierfütterung und die EU-Regeln für gentechnisch veränderte Pflanzen sowie GVO-Lebens- und Futtermittel uneingeschränkt weitergelten. Außerdem hat die EU-Kommission zugesagt, spätestens innerhalb von fünf Jahren mit Kanada über die Erweiterung der Liste der geschützten geographischen Herkunftsangaben zu verhandeln. Damit kann dann auch das Problem mit dem Bayerischen Bier gelöst werden, welches bei Ceta leider noch nicht auf Englisch geschützt ist.

 

Was hat es mit der von Belgien erwirkten Schutzklausel bei Marktverwerfungen für die Landwirtschaft auf sich? Wann soll sie greifen und gilt sie auch für Deutschland?


Hemmerling: Eine solche Schutzklausel für sensible Agrarprodukte wird aus dem WTO-Abkommen in Ceta kopiert, ist also nichts Neues. Jeder EU-Mitgliedstaat kann bei der EU-Kommission im Krisenfall einen Antrag stellen. Belgien hat jetzt von der EU gefordert, die Auslöseschwellen für die Schutzklausel bei Marktverwerfungen vorab festzulegen. Darüber muss die EU jetzt weiter diskutieren. Eine Schutzklausel macht aus unserer Sicht eigentlich nur Sinn, wenn sie auf absolute Notfälle beschränkt bleibt.

 

Gab es auch noch Veränderungen, die die Lebensmittelstandards der EU betreffen?


Hemmerling: Nein. Fleisch von hormongefütterten Tieren aus Kanada bleibt in der EU tabu. Die EU und Kanada haben nochmals erklärt, dass das Recht beider Seiten, ihr Schutzniveau im Verbraucher- und Umweltschutz eigenständig festzulegen, durch Ceta nicht beeinträchtigt ist. Ceta ist hier auch eine politische Schutzlinie für die TTIP-Verhandlungen mit den USA, dahinter wird die EU nicht mehr zurückkönnen.

 

Was bedeutet das jetzt unterschriebene Abkommen für den Fleischmarkt? Wie hoch liegen die zollfreien Einfuhrkontingente für Fleisch von Kanada in die EU?


Hemmerling: Die EU hat Rind- und Schweinefleischimporte aus Kanada zu sensiblen Produkten erklärt. Daher werden die Importzölle hier nicht abgeschafft, sondern es werden zollfreie Importkontingente von insgesamt 50.000 Tonnen Rindfleisch und 81.000 Tonnen Schweinefleisch gewährt. Das entspricht etwa 0,6 und 0,3 Prozent der EU-Erzeugung, also eine Liberalisierung mit angezogener Handbremse. Immer muss es sich um Tierhaltung ohne Hormoneinsatz handeln, analog zum ‚Hilton Beef‘ aus den USA. Derzeit gibt es nur einen einzigen kanadischen Betrieb, der für die EU zertifiziert ist.

 

Welche Chancen und Risiken ergibt Ceta für den Milchmarkt? Wieviel Käse und Milchprodukte kann die EU bei Vollzug von Ceta nach Kanada exportieren?


Hemmerling:Kanada hat bei Ceta Geflügel, Eier und Käse zu sensiblen Produkten erklärt. Bei Käse gewährt Kanada ein zollfreies Importkontingent von 18.500 Tonnen statt bisher 800 Tonnen. Das entspricht einem rechnerischen Anteil an der kanadischen Milchproduktion von 2,2 Prozent und an der EU-Milchproduktion von 0,1 Prozent. Bei Milcheiweißpulver, etwa zur Eiscremeherstellung, gibt es dagegen eine unbeschränkte Marktöffnung. Ceta bringt sicherlich keinen Ersatz für die Einbußen im Russlandgeschäft, aber es ist eine gute Gelegenheit für eine notwendige Diversifizierung der Molkereien im Export. Kanadas Bevölkerung wächst jährlich um knapp 300.000 Menschen. Derzeit leben dort etwa 36 Millionen Menschen. Dem steht heute eine kanadische Milcherzeugung von etwa 8,5 Millionen Tonnen gegenüber, das ist etwa die gleiche Größe wie die bayerische Milcherzeugung. Es ist jetzt die Aufgabe unserer Molkereien, diese Marktchance im Export zu nutzen.

 

Das Interview führte top agrar-Redakteurin Stefanie Awater-Esper

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