Die Agrarökonomen Martin Odening und Silke Hüttel haben sich im top agrar-Interview skeptisch zu der Frage geäußert, ob landwirtschaftliche Bodenmärkte vor Investoren geschützt werden müssen. Bei einigen Entwicklungen sieht das BMEL ebenso wie die Autoren negative Tendenzen auf den Bodenmarkt: Dazu gehört der Abfluss von Faktorentlohnung bei überregionalen Investoren, die Fehlleitung von Agrarsubventionen an Finanzinvestoren und die Gefahr marktbeherrschender Stellungen auf regionalen Bodenmärkten.
Fehlende Berücksichtigung des Rechtsrahmens
Leider vernachlässigen die Autoren wesentliche gesellschaftliche Ziele auf dem Bodenmarkt. Am Beispiel des wirtschaftspolitischen Auftrags, Preismissbrauch bei wichtigen Gütern und Ressourcen zu verhindern, wird deutlich, dass Politikempfehlungen nur Sinn machen, wenn diese die gesellschaftlichen Ziele berücksichtigen. Dass der Staat Marktmissbrauch und exzessive Spekulation verhindern soll, ist in verschiedenen Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union verankert. Auf dem Bodenmarkt soll Preismissbrauch mit dem Grundstückverkehrsgesetzes und dem Landpachtverkehrsgesetzes unterbunden werden. Dies gelingt seit Jahren nicht mehr, weil in Ostdeutschland inzwischen 20 % aller Flächentransfers im Rahmen von Anteilskäufen an der Kontrolle das GrdstVG vorbei laufen, in einzelnen Jahren sind es bis zu 50 %. Im Hinblick auf Pachtverträge kommt die gesetzeswidrige Praxis hinzu, dass im Bundesdurchschnitt 75 % der Verträge nicht angezeigt werden, weil im Gesetz eine Sanktionsregelung fehlt.
Datenbasis ungeeignet
Auf der Suche nach außerlandwirtschaftlichen Investoren haben die Autoren Daten der BVVG ausgewertet. Dafür sind diese Daten wenig geeignet, weil die Auktionen weder regional noch aufgrund der staatlichen Vorgaben repräsentativ für den Bodenmarkt in Deutschland sind und Investoren mit dem Datensatz nicht identifiziert werden können. Die in dem Beitrag genannten 1 % ausländischen Bieter haben keinen Bezug zum tatsächlichen Engagement von Investoren auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt.
Intransparenz auf dem Bodenmarkt
Bedauerlicherweise gibt es keine bundesweite Statistik zu der Frage, aber Immobilienexperten berichten seit der Finanzkrise 2007 von einer umfangreichen Verschiebung von außerlandwirtschaftlichem Vermögen in Äcker, Weiden und Weinberge. Das BMEL schätzt, dass seit dem jährlich um die 30 % der Einzelflächen an Nichtlandwirte veräußert werden und dass das einen Preiseffekt hat. Allein mit der Produktivitätsentwicklung der Landwirtschaft ist der Preisanstieg für Agrarflächen in Deutschland von fast 177 % seit 2005 jedenfalls nicht zu erklären.
Vorrang für aktive Landwirte
Die Frage der Autoren „Müssen Landwirte vor Investoren geschützt werden?“ kann beantwortet werden, wenn man in das GrdstVG schaut. Der Deutsche Bundestag hat damit die Agrarverwaltung beauftrag, den Vorrang von Landwirten auf dem Bodenmarkt sicherzustellen. Nichtlandwirte können nur kaufen, wenn kein aufstockungsbedürftiger Landwirt Interesse hat. Dieses agrarstrukturelle Ziel wurde von Bund und Ländern 2015 überprüft und bestätigt. Wissenschaftliche Politikberatung sollte dazu beitragen, gesetzliche Regelungen möglichst effizient auszugestalten, um Ziele wie den Vorrang von Landwirten zu erreichen.
Wissenschaftliche Politikberatung erwünscht
Trotz dieser kritischen Anmerkungen legt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Wert auf wissenschaftliche Analysen und Empfehlungen. Das Projekt FORLand, an dem die Autoren maßgeblich beteiligt sind, kann wichtige Erkenntnisse zu den massiven Umbrüchen auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt liefern, wenn die gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt werden.