Im europäischen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) zeichnen sich grundlegende Strukturveränderungen ab, wodurch die Marktmacht gegenüber Lebensmittelherstellern und Landwirtschaft noch weiter wachsen dürfte.
In der Folge wäre auch mit zunehmendem Druck auf die Erzeugerpreise der Bauern und Verkaufspreise der Nahrungsmittelanbieter zu rechnen. So prognostiziert die Unternehmensberatung Oliver Wyman in ihrer aktuellen Branchenstudie eine „folgenschwere und länderübergreifende Konsolidierungswelle“, die auch mit Preiskriegen einhergehe.
Derzeit gebe es in Europa 25 große Anbieter mit einem Umsatz von jeweils mehr als 10 Mrd Euro pro Jahr. Bis 2025 werde sich diese Zahl halbieren und die Größe der „Überlebenden“ deutlich steigen. Jedes einzelne Unternehmen dürfte dann einen größeren Anteil des europäischen Marktes kontrollieren.
Der LEH werde sich letztendlich in zwei Lager spalten: In starke, „paneuropäische Supermächte“ und flexible, lokale „Platzhirsche“, deren Schwerpunkt auf der raschen und effizienten Erfüllung von Bedürfnissen einer kleineren Kundengruppe liegen müsse. In jedem Fall müssten Unternehmen heute handeln, um zu den Gewinnern im künftigen Marktumfeld zu zählen.
Die Zukunft werde diejenigen Unternehmen belohnen, die sich schon heute mit der nötigen Entschlossenheit bewegten - die Zeit der kleinen, schrittweisen Veränderungen sei vorbei. Kostenführerschaft werde zur Pflichtübung, betonen die Berater, und länderübergreifendes Wachstum gehöre zu den wenigen Möglichkeiten, um Skaleneffekte zu realisieren. Nur hochproduktive Geschäftsmodelle würden überleben. Außerdem sei es angesichts neuer Wettbewerber entscheidend, Kunden enger zu binden.
Nachfrage stagniert
Die wichtigsten Antriebsfaktoren des Wandels im europäischen LEH werden sich den Consultern zufolge in den kommenden zehn Jahren nicht verändern. Dazu gehörten die stagnierende Nachfrage und die überaus aggressive europaweite Expansion spezialisierter Wettbewerber. So seien Discounter wie Aldi und Lidl bereits in der Vergangenheit kräftig gewachsen: Von 2004 bis 2014 hätten diese beiden Konzerne die Zahl ihrer Filialen in Deutschland um insgesamt rund 1 120 erhöht, in Polen um 640, in Frankreich um 600 und in Großbritannien um 590.
Außerdem hätten sie jeweils 180 bis 320 neue Filialen in Irland, Tschechien, Österreich, Ungarn, Italien, der Schweiz, Rumänien, den Niederlanden und Spanien gebaut. Ein Zuwachs von jeweils mehr als 100 Filialen sei jeweils in Kroatien, Portugal, Schweden, Slowenien, Griechenland, der Slowakei, Belgien und Bulgarien verzeichnet worden.
Nationale Konsolidierung oft kaum noch möglich
Nach Ansicht der Unternehmensberater bleibt die Größe entscheidend für die Finanzkraft jedes Handelsunternehmens. Allerdings stoße die nationale Konsolidierung in vielen europäischen Ländern an ihre Grenzen. Einige Regulierungsbehörden sträubten sich, weitere Übernahmen oder Zusammenschlüsse zwischen den verbleibenden großen Handelsunternehmen zuzulassen.
Die Alternative sei die internationale Konsolidierung. Diese Strategie sei allerdings über lange Zeit im LEH „verpönt“ gewesen, während die betreffende Entwicklung in anderen Sektoren bereits abgeschlossen sei: So gebe es heute bei Tabak, Softdrinks, Verteidigung und Automobilherstellung nur noch eine kleine Zahl großer Unternehmen.
Aber auch der LEH beginne, sich entlang dieser Konsolidierungskurve zu bewegen. In anderen Handelszweigen geschehe dies bereits, etwa bei Möbeln, Textilien und bei Luxusgütern. Mit Blick auf dieses Modell hänge der langfristige Erfolg eines Unternehmens davon ab, wie schnell und wie erfolgreich es sich entlang der Konsolidierungskurve bewege. Wer zu langsam sei, verschwinde vom Markt oder werde das Ziel von Übernahmen.