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Schutzgebiete für Natura 2000: "Das böse Erwachen kommt später!"

Viele Vogelschutz- oder FFH-Gebiete sind seit Jahren ausgewiesen. Nun erhalten die Landwirte die zugehörigen Schutzverordnungen mit Bewirtschaftungseinschränkungen. Für die Reportage "Vogelschutz und FFH überrollen uns" in der top agrar 7/2017 sprach Gesa Harms mit Dr. Tilman Giesen. Er ist Rechtsanwalt in Kiel:

Lesezeit: 4 Minuten

Für die top agrar-Reportage "Vogelschutz und FFH überrollen uns" in der top agrar 7/2017 sprach Gesa Harms mit Dr. Tilman Giesen. Er ist Rechtsanwalt in Kiel:


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Harms: Viele Vogelschutz- oder FFH-Gebiete sind seit Jahren ausgewiesen. Nun erhalten die Landwirte die zugehörigen Schutzverordnungen mit Bewirtschaftungseinschränkungen. Wie kommt das in der Praxis an?


Dr. Tilman Giesen: Viele Landwirte sind schockiert. Behörden und Politiker hatten ihnen versprochen: Ihr könnt weitermachen wie bisher, denn Eure bisherige Nutzung hat die Schutzwürdigkeit des Gebietes erst hervorgebracht. Die meisten Landwirte haben sich nur auf ein Verschlechterungsverbot eingestellt. Jetzt stellt sich raus, dass das schon damals falsch war. Die Naturschutzverwaltungen haben die Politiker offenbar falsch informiert.


Harms: Können Landwirte Gebietsausweisungen rückgängig machen?


Dr. Tilman Giesen: Grundsätzlich eröffnet die EU-Kommission die Möglichkeit, Gebiete zurückzunehmen. Dazu muss die Ausweisung aber auf einem nachweisbaren wissenschaftlichen Fehler basieren. Wie die Länder vorgehen können, legt das interne Dokument „doc hab 05-06-08“ fest. Brüssel weiß genau, dass durch den enormem Zeitdruck bei der Auswahl vieler Flächen Fehler passiert sind. Um ein Schutzgebiet aufzuheben, muss der Landwirt den Nachweis führen, dass die Unterschutzstellung fälschlich erfolgte. Das ist gut möglich, wenn bereits bei der Ausweisung ein Gegengutachten gemacht wurde. Bei Gutachten, die jetzt verfasst werden, heißt es aufgepasst: Nicht selten kommt heraus, dass der Zustand der Natur sogar noch besser ist als im Standard-Datenbogen der Ausweisung festgestellt.


Harms: Kennen Sie Fälle, bei denen es gelungen ist, ein Schutzgebiet zurückzuziehen?


Dr. Tilman Giesen: Mir ist bislang kein Fall bekannt. Realistischer ist da eher die Teilrücknahme.


Harms: Wie kann man die Ausweisung des Schutzgebietes rechtlich überprüfen?


Dr. Tilman Giesen:Sie könnten zum Beispiel pro forma einen Bauantrag im FFH-Gebiet stellen. Anhand der Ablehnung lassen sich dann die Grundlagen des ganzen Gebietes überprüfen. Das ist aussichtsreich, wenn die Behörde den Bauantrag ausschließlich aufgrund des bestehenden Schutzgebietes ablehnt und es anschließend gelingt, den Fehler bei der Ausweisung nachzuweisen. Meist nennt die Baubehörde mehrere Ablehnungsgründe, die beispielsweise im Baurecht oder im gesetzlichen Biotopschutz gründen. Dann wird es schwierig.


Harms: Oft ist von einer Normenkontrollklage die Rede. Wann ist sie zulässig?


Dr. Tilman Giesen: Die Normenkontrollklage ist erst zulässig, wenn eine Schutzverordnung für das Gebiet in Kraft getreten ist. Die Rechtsetzungsverfahren für solche Verordnungen laufen vielerorts gerade.

Im Endeffekt basieren die Schutzverordnungen dann auf zwei verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen. Die Normenkontrolle muss also zum Ersten die Natura 2000 Voraussetzungen prüfen, zum Zweiten aber zusätzlich auch die klassischen Rechtsbegriffe Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit. Das sind sehr dehnbare, offene Voraussetzungen.


Für den Landwirt bedeutet das praktisch, dass er den Vollbeweis für zwei parallele Argumentationen antreten muss. Das ist ein schwieriger Prozess, weil Schutzschichten nacheinander zu durchstoßen sind.


Harms: Das Grundgesetz schützt das Eigentum sehr stark. Ist das ein Ansatzpunkt?


Dr. Tilman Giesen: Eine Klage kann erfolgreich sein, wenn die Unterschutzstellung gegen den Gleichheits- oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Das könnte bei extremen Auflagen der Fall sein.


Harms: Parallel zur Schutzverordnung, die Lebensräume und Arten feststellt und sichert, erarbeiten die Naturschutzbehörden Managementpläne mit konkreten Bewirtschaftungsvorschlägen – teilweise ohne Beteiligung der Betroffenen. Sind die Pläne rechtlich bindend?


Dr. Tilman Giesen: Managementpläne haben für sich genommen keine rechtliche Außenwirkung für den Landwirt. Sie sind aber für die Verwaltung verbindlich. Nur wenn Verbote, etwa in Form eines Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung, nach außen treten, kann ein Managementplan, der zur Begründung des Bescheides herangezogen wird, inzident auf dem Rechtsweg überprüft werden.


Bei den Maßnahmen des Managementplanes sollten sich Landwirte genau überlegen, ob sie mitziehen. Allein durch seine Existenz, seine gebetsmühlenartige Wiederholung und natürlich auch den faktischen Vollzug erhalten die Inhalte eines Managementplanes Gewicht. Wer dann zu spät aufmuckt, hat rechtlich schlechtere Karten.


Harms: Was raten Sie betroffenen Landwirten?


Dr. Tilman Giesen: FFH und Vogelschutz sind nicht wieder umkehrbar. Angesichts der sehr überschaubaren rechtlichen Möglichkeiten sollten Sie auf jeden Fall mit der Naturschutzbehörde im Gespräch bleiben. Das

ist zum beiderseitigen Interesse: Die Landwirte sind durchaus zu mehr Naturschutz bereit, wenn Maßnahmen erklärbar sind und übermäßige Belastungen finanziell ausgeglichen werden. Halten Sie bei den Managementplänen nicht nur fest, was verboten, sondern auch was erlaubt ist.

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