Gegen Schwarz-Weiß-Malerei und unzulässige Pauschalisierungen in der Agrarstrukturdiskussion hat sich der scheidende Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU), Klaus Wiesehügel, ausgesprochen.
„Für mich ist industrielle Landwirtschaft nicht automatisch ein Schimpfwort“, so Wiesehügel. Entscheidend sei nicht die Größe eines Betriebes, sondern der Umgang mit seinen Beschäftigten. Statt der Stallgröße komme es vielmehr darauf an, dass eine vernünftige Betreuung der Tiere durch qualifizierte Arbeitskräfte und artgerechte Rahmenbedingungen gewährleistet seien. Wichtig sei dabei ein angemessenes Größenverhältnis von Beschäftigten und Tierbestand.
Nach Auffassung von Wiesehügel, der im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für die Bereiche Arbeit und Soziales zuständig ist und im Falle eines Regierungswechsels Bundesarbeitsminister werden soll, kann in Beständen mit vielen Tieren bei entsprechender Betreuung durch qualifizierte Arbeitskräfte ein höheres Maß an Tierwohl erreicht werden als in kleinen Ställen.
Neues Leitbild
Das alleinige Leitbild einer familiengeführten bäuerlichen Landwirtschaft hält der langjährige Gewerkschafter für überholt. Man müsse endlich zur Kenntnis nehmen, „dass die Entwicklung in Richtung einer großstrukturierten Landwirtschaft mit einem immer weiter wachsenden Anteil von Lohnarbeitskräften geht“.
Aufgabe der Politik müsse es sein, die Voraussetzungen für gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dazu zählen laut Wiesehügel ein gesetzlicher Mindestlohn ebenso wie entsprechende Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten, vernünftige Personalentwicklung sowie Gesundheitsprävention.
Kein Problem mit Investoren
Kein Problem hat der designierte SPD-Arbeitsminister mit dem Einstieg von Investoren in landwirtschaftliche Unternehmen. Allerdings müsse gewährleistet sein, dass die Kriterien für gute Arbeit eingehalten werden. Zudem müsse man dafür sorgen, „dass die Regionen von den Unternehmen profitieren und die Wertschöpfung vor Ort bleibt“. Wie das erreicht werden kann, müsse eingehend geprüft werden.
Wirtschaftlich starke landwirtschaftliche Unternehmen sind laut Wiesehügel eine wichtige Voraussetzung für prosperierende ländliche Räume. Die wiederum brauchten eine funktionierende Infrastruktur. Dazu zähle beispielsweise auch ein leistungsfähiges Straßennetz. Wiesehügel hält nichts von Gießkannenförderung, wie sie die aktuellen Direktzahlungen darstellten. Direktzahlungen seien nur dann gerechtfertigt, „wenn sie beispielsweise zur Sicherung von Beschäftigung beitragen und sozial-ökologische Bedingungen regeln“. (AgE/ad)