"Die deutsche Veredlungswirtschaft ist auch im Vergleich zu anderen europäischen Mitgliedsstaaten voll wettbewerbsfähig. Die Nachfrage nach Fleisch wird weltweit weiter steigen, vor allem in Asien. In Osteuropa, Russland und auch in einer Reihe asiatischer Staaten kann die Verbrauchernachfrage bis auf weiteres nicht durch die heimische Erzeugung gedeckt werden. Das bietet zusätzliche Exportmöglichkeiten für deutsches Fleisch. Inzwischen ist Deutschland zum Nettoexporteur geworden." Das sagte top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals kürzlich in einem Vortrag bei der WLV-Kreisverbandsausschusssitzung Warendorf.
Die Tierhaltung sei die Lebensader der deutschen Landwirtschaft, verdeutlichte er. 60 % der Verkaufserlöse der heimischen Landwirtschaft entfielen auf die Tierproduktion (2010: 21,6 Mrd. Euro). Zudem biete die Veredlung 600.000 Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich.
Für die positive Entwicklung der letzten Jahre macht der Journalist sechs wichtigste Gründe verantwortlich:
- Bessere tierische Leistungen (Zahl der Ferkel, Mastleistung),
- Zum Teil weniger strenge Umwelt- und Tierschutzvorschriften als z.B. in den Niederlanden
- Einen intensiven Wettbewerb um die Schlachttiere (anders als in Dänemark)
- Geringere Schlachtkosten durch niedrigere Personalkosten
- Wachsende Anteile im Exportgeschäft
- Einen großen heimischen Verbrauchermarkt mit über 80 Mio. Menschen.
Voraussetzung für eine weitere positive Entwicklung sei jedoch die Akzeptanz der Produktion. Heute gebe es eine wachsende Kritik an den modernen Haltungsmethoden. Diese erstrecke sich auf die Größe der Betriebe, auf die Eingriffe am Tier (z.B. Kastration, Schwänze kürzen oder Enthornen), aber auch auf die Tiergesundheit und den Antibiotikaverbrauch. Die Politik werde auf die Kritik reagieren. Bekanntlich gebe es zahlreiche Bestrebungen, das Tierschutz-, Tiergesundheits-, Umweltschutz- und Baurecht zu verschärfen. "Dabei besteht die Gefahr, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert werden, ohne dass es praxisgerechte Alternativen gibt", befürchtet Schulze Pals.
Deshalb müssten alle Seiten den sachlichen Dialog suchen und die Umwelt-,Tier- und Verbraucherschutzverbände auch die wirtschaftlichen Zwänge der Landwirte im internationalen Wettbewerb respektieren. Er forderte die Politik auf, das Ordnungsrecht mit Augenmaß und angemessenen Zeitachsen anzupassen. Letztlich seien aber auch die Verbraucher gefordert. "Sie müssen bereit sein, für die zusätzlichen Tierschutzleistungen auch mehr Geld auf den Tisch zu legen. Mehr Tierschutz zum Nulltarif geht nicht", ist der Journalist sicher.
Der Berufsstand müsse seine Öffentlichkeitsarbeit noch deutlich ausbauen. Jeder könne auf seinem Betrieb damit anfangen und den Bürgern vor Ort erklären, wie moderne Landwirtschaft heute aussehe. "Die meisten Verbraucher haben heute keine Beziehung mehr zur Landwirtschaft. Da fängt das Problem der mangelnden Akzeptanz schon an", so Schulze Pals. (ad)