In den kommenden drei Jahren dürfen alle Wildschweine in der Toskana ganzjährig und ohne Rücksicht auf die Rottenstrukturen – also Leitbache schonen, Frischlinge und Überläufer zuerst - mit Flinten, Fallen oder Käfigen gejagt werden. Und das gilt nicht nur für Jäger, sondern auch für Bauern.
Grund für diese aus deutscher Sicht fragwürdige Freigabe ist eine Verdopplung der Wildschweinbestände seit dem Jahr 2000; über 1 Mio. Tiere sollen es inzwischen sein. Dementsprechend massiv sind die Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen.
Toskanische Winzer und Bauern haben voriges Jahr Ausfälle von rund zwölf Millionen Euro gemeldet - tatsächlich sind es wohl weit mehr, berichtet Spiegel online. Denn der größte Teil der Schäden werde nicht gemeldet, weil die meisten Landwirte keine teure Wildschadenversicherung haben und keine Aussicht auf staatliche Entschädigungen sehen. Insgesamt spricht man von Ausfällen der italienischen Agrarbranche von weit mehr als 100 Millionen Euro.
„Jetzt ist Krieg!“
Deshalb wird nun im Norden wie im Süden eine Lösung des Problems geplant, die Toskana führt sie gerade ein. Fabrizio Filippi, Präsident der toskanischen Bauernschaft, hat laut dem Spiegel einen großen Anteil an dem jetzt geltendem Ausnahmegesetz. "Wir sind nicht schießwütig", sagt er, "aber wir werden unsere Ernte verteidigen - und zwar richtig." Und ein Bauer ergänzt: "Jetzt ist Krieg!" Das Ziel: Mindestens 170.000 Schadschweine, dazu einige Zehntausend Problem-Rehe und -Hirsche weniger soll es im Kampfgebiet geben.
Natürschützer und Intellektuelle sind entsetzt. In den Zeitungen gebe es jede Menge Leserbriefe und Kommentare dazu. Von "menschenunwürdigem" Vorgehen sei da u.a. die Rede. Schon jetzt gebe es "bis an die Zähne bewaffnete" Horden von Jägern in Militärklamotten, die einem bei Waldspaziergängen ständig begegneten, schrieb etwa ein Schriftsteller.
Dabei gebe es viele Alternativen zur schlichten Ballerei, sagen die Naturschützer. Man könne mit Medikamenten die Vermehrung der Tiere begrenzen, man könne gefährliche Straßenabschnitte mit Zäunen schützen oder die Trampelpfade der Wildschweine mit Ober- oder Unterführungen ausstatten, wo sie die Straßen queren. Das alles kostet freilich sehr viel Geld, was die Kommunen nicht haben. Ganz mutige Tierschützer raten sogar, mehr Wölfe auszusetzen. Viele Tierschützer sind laut dem Spiegel ohnehin überzeugt, dass die ganzjährige Freigabe ein Geschenk der regierenden Sozialdemokraten an die Lobby der 80.000 toskanischen Jäger ist. Denn im späten Frühjahr wird in vielen großen Städten ein neuer Bürgermeister gewählt - ein Entscheid mit Signalwirkung auch für Regierungschef Matteo Renzi in Rom.