In Schleswig-Holstein gibt es ein neues Reizwort unter Windmüllern: Netzengpassregion. Dieser Begriff ist in einer Beschlussvorlage für die Besprechung der Ministerpräsidenten der Bundesländer mit dem Bundeskanzleramt erstmals aufgetaucht. Darin empfiehlt der Bund für die Änderung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG): In so genannten Netzengpassgebieten soll eine Höchstmenge festgelegt werden, die maximal in den Ausschreibungen bezuschlagt werden darf. Diese Höchstmenge beträgt die Hälfte der Leistung, die in dem Netzengpassgebiet in den letzten drei Jahren durchschnittlich dazu gebaut wurde. Als Netzengpassregion soll ein Gebiet definiert werden, „bei dem zu erwarten ist, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren in erheblichem Umfang die Stromerzeugung aus Windenergieanlagen abgeregelt werden muss“.
Wie das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) In Schleswig-Holstein befürchtet, wären damit wahrscheinlich die Landkreise Nordfriesland, Dithmarschen und Ostholstein betroffen, wo derzeit die meisten Abregelungen von Windparks erfolgen. In diesen Regionen befinden sich aber auch die ertragsreichsten und somit kosteneffizientesten Windenergiestandorte. Eine solche Netzengpass-Regelung käme laut MELUR einem Ausbaustopp gleich. „Wir brauchen den kontinuierlichen Windzubau an Land, um die UN-Klimaschutzziele zu erreichen“, betont Dr. Ingrid Nestle, Staatssekretärin im MELUR. „Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der dafür notwendige Netzausbau müssen stringent und mit der Akzeptanz der Menschen fortgesetzt werden. Parallel brauchen wir mehr Möglichkeiten, Strom aus Erneuerbaren zu nutzen statt abzuschalten.“
Die Landesregierung arbeite aktuell an der Planung und Genehmigung neuer Hochspannungsleitungen, damit der produzierte Windstrom in große Verbrauchszentren wie Hamburg und Süddeutschland fließen könne. Für die sogenannte Westküstentrasse zwischen Niebüll und Brunsbüttel führte sie innerhalb von 1,5 Jahren einen Planfeststellungsbeschluss herbei. Das sei Rekord im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Die neue Stromleitung soll bereits 2018 fertig gestellt sein. Zum anderen hat die Landesregierung über den Bundesrat den Vorschlag eingebracht, nicht benötigten Wind- und Solarstrom durch zuschaltbare Lasten zu nutzen, damit die Energie nicht abgeregelt werden muss. Die zuschaltbaren, flexiblen Verbrauchseinheiten könnten zum Beispiel Stromspeicher oder Wärmeerzeuger sein. „Wir fordern die Bundesregierung auf, mit den Ländern über konstruktivere Lösungen, die schon auf dem Tisch liegen, zu diskutieren und die Windbrache nicht noch weiter zu verunsichern“, sagt Dr. Nestle. Die Staatssekretärin will beim EE-Community-Treffen in Husum am Donnerstag, 26. Mai 2016, vom aktuellen Stand der Beratungen über das EEG sowie die Vorschläge der Landesregierung berichten. Das EE-Community-Treffen ist ein Netzwerktreffen von Vertretern der Erneuerbare-Energie-Unternehmen aus Norddeutschland.