Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

News

"WWF-Bigoasstudie ist unseriös"

"Deutschland wird immer mehr zur Mais-Wüste. Zwischen 2005 und 2010 ist die Maisanbaufläche von 70.000 Hektar auf 600.000 Hektar hochgeschnellt, mit fatalen Folgen für Umwelt und Landwirtschaft", heißt es in einer am Dienstag vorgelegten Studie der Umweltorganisation WWF.

Lesezeit: 5 Minuten

"Deutschland wird immer mehr zur Mais-Wüste. Zwischen 2005 und 2010 ist die Maisanbaufläche von 70.000 Hektar auf 600.000 Hektar hochgeschnellt, mit fatalen Folgen für Umwelt und Landwirtschaft", heißt es in einer am Dienstag vorgelegten Studie der Umweltorganisation WWF. Grund dafür sein falsche Förderanreize für Strom aus Biomasse im Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG). Das EEG belohne Strom aus Biogas mit umgerechnet jährlich rund 3000 Euro pro Hektar. Das sei fast das Zehnfache dessen, was Bauern sonst pro Hektar durchschnittlich an EU-Förderungen erhalten.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Folge: Investoren pachten oder kaufen im großen Stil Ackerflächen. Angebaut werde darauf hauptsächlich Energie-Mais. Ein für die Investoren lukratives Geschäft, das die Pachtpreise in die Höhe treibe und ganze Landstriche in Mais-Monokulturen verwandele. "Das Erneuerbare Energien-Gesetz muss in dieser Hinsicht schnell und umfassend geändert werden", fordert WWF-Agrarreferentin Tanja Dräger de Teran. "Es ist unsinnig, das halbe Land in Maisfelder zu verwandeln. So, wie er heute angebaut wird, vernichtet Mais die Artenvielfalt, belastet die Gewässer und trägt wertvollen Mutterboden ab." Die dramatische Ausweitung des Maisanbaus gefährde die nationalen Ziele zum Schutz der Biodiversität.


Besonders irritierend für den WWF: Für die Erzeugung von Bioethanol muss Mais Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, für Biogas hingegen nicht. "Das ist vollkommen unlogisch und muss sich umgehend ändern", so die WWF-Expertin. Nach WWF-Angaben ist die Zahl der Biogasanlagen in Deutschland von etwa 2000 im Jahr 2005 auf heute 6000 gestiegen. Der Biogas-Boom lasse die Pachtpreise in vielen Regionen Deutschlands anziehen. In Ostdeutschland haben sich die Pachtpreise für Agrarflächen laut WWF in den vergangenen drei Jahren beinahe verdreifacht.


"Die derzeitige Situation zeigt, dass Bioenergie nicht per se umweltfreundlich oder nachhaltig ist. Es kommt sehr darauf an, woher die Rohstoffe stammen und wie sie angebaut werden", sagt WWF-Expertin Dräger. Die Bundesregierung müsse nun schnell das EEG verbessern. Die geltenden Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe müssten auch für Energiepflanzen gelten, die zum Betrieb von Biogasanlagen angebaut werden.


Biogasrat: Studie verherrlicht "Agrar-Romantik"


"Die Studie des WWF zu den Auswirkungen der Biogasproduktion auf die Landwirtschaft bleibt völlig unter dem Niveau, das wir sonst von dieser Umweltorganisation gewohnt sind", bedauert der Geschäftsführer des Biogasrat e.V. Reinhard Schultz.


Die agrar-romantische Parteinahme für die traditionelle "gute" und zugleich "kleine" Landwirtschaft blende aus, dass es immer schon den Wettbewerb und darauf folgend Strukturwandel im Agrarsektor gegeben hat. "Die von früheren Bauernpräsidenten geprägte Formel "Wachsen oder Weichen" sei nicht von der Biogaswirtschaft erfunden worden, sondern beschreibe eine Gesetzmäßigkeit, die mit technischem Fortschritt, sich verändernden Märkten und der unterschiedlichen Finanzkraft der Marktteilnehmer zu tun hat. "Extrem sichtbar wird dieses Prinzip in Veredelungsregionen", erklärt Schultz. "Der Boom der Veredelungswirtschaft mit der Massentierhaltung führt zu Flächenbedarf und verschärft den Wettbewerb um die Fläche. Da die Zahl von Schweinen und Rindern, die ein Landwirt halten darf, an die Größe der Fläche gebunden ist, auf die er die Gülle verbringen kann, führt das Wachstum dieser Branche zu immer größeren Betrieben, während die kleineren verschwinden", betont Schultz und verweist auf eine Befragung der Landwirte durch das Landwirtschaftministerium in Schleswig-Holstein. "Mit dieser Entwicklung hat die Erzeugung von Biogas so gut wie nichts zu tun."


Die vom WWF unterstellten EEG-Vergütungen in Höhe von 750.000 Euro für eine 600 KW-Biogasanlage seien nicht mit den Zuschüssen zur landwirtschaftlichen Produktion vergleichbar: Denn das EEG vergüte ausschließlich die durchschnittlichen Mehrkosten der Strom- und Wärmeerzeugung aus Biogas gegenüber den Marktpreisen für Strom. Der Gewinn sei oft bescheiden und hänge von der Gesamteffizienz der Anlagen ab. Im Übrigen werden die aller meisten Biogasanlagen in dieser Größenordnung von Landwirten betrieben.


Der Boom der Veredelungswirtschaft in 15 von über 400 Landkreisen in Deutschland, wie in Nordniedersachsen, Schleswig-Holstein, Teilen des Münsterlandes und in Teilen von Bayern und Baden-Württemberg hätten dazu geführt, dass teilweise 70 Prozent der Anbauflächen mit Mais als Futtermittel bepflanzt sind. "Das sich in diesen Regionen Tierveredeler und Fleischwirtschaft in ihrem Wachstum durch Biogasanlagen gestört fühlen, ist aus Sicht dieser Unternehmen verständlich, lenkt aber davon ab, dass sie selbst die eigentlichen und einzigen Verursacher des Drucks auf Flächen und Pachtpreise sind."


Schultz versteht grundsätzlich auch die Landwirte, die Opfer dieser Entwicklung sind, weil sie Pachtflächen verlieren. "Aber die Schuld nur bei anderen zu suchen, verstellt den Blick auf die Wirklichkeit und diskreditiert eine ganze Branche. Im Übrigen sind die WWF-Angaben zum Anstieg der Maisanbauflächen sind irreführend. Auf das gesamte Bundesland Niedersachsen bezogen, liegt der Anteil der landwirtschaftlichen Fläche, die für den Anbau von Biomasse zur Biogaserzeugung genutzt wird, nur geringfügig über dem Anteil der Flächen, die vor 2005 stillgelegt waren (EU Programm zum Abbau der Produktionsüberschüsse).


Über die Auswirkungen von Massentierhaltung und überbordenden Fleischverzehr könne man sich sehr gut streiten, meint Reinhard Schultz. "Aber das Umweltorganisationen wie der WWF jetzt Massentierhalter vor Biogas in Schutz nehmen, ist schon merkwürdig."

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.