Erboste Bergbauern aus dem westlichen Österreich wollen diese Woche vor dem Landwirtschaftsministerium in Wien mit einer Demonstration ihrem Ärger Luft machen, der sich vor allem gegen Ressortchef Nikolaus Berlakovich richtet. Anlass für den Protestzug ist der seit längerem andauernde Streit um die Erfassung von Almflächen in der Alpenrepublik.
Nachdem das alte System der Almflächenfeststellung im Zuge verschärfter EU-Kontrollen durch digitale Luftaufnahmen abgelöst worden war, wurden von Brüssel Abweichungen zwischen der tatsächlichen und der beantragten Weidefläche auf den Almen beanstandet. Tausenden Almbauern wird vorgeworfen, in den vergangenen Jahren aufgrund zu großzügig bemessener Almfutterflächen zu hohe Agrarförderungen bezogen zu haben. Nun werden die Gelder zurückgefordert, oft mehrere Tausend Euro pro Betrieb, rückwirkend auf vier Jahre.
Auch „Auftreiber“, die ihr Vieh im Sommer auf Gemeinschaftsalmen weiden lassen, sind betroffen. Sie fordern nun, die Gelder ohne Sanktionen behalten zu dürfen und machen sich für eine neue, praxistauglichere Förderregelung stark. Die Almbauern argumentieren, dass sich die Weidefutterflächen auf den oft hunderte Hektar großen Almen nicht auf den Hektar genau feststellen ließen.
In den Bezirksbauernkammern - vor allem von Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Kärnten - stapeln sich mittlerweile die Einsprüche. Die Landwirte wie auch die obersten Funktionäre der Landwirtschaftskammern in den genannten Bundesländern argumentieren, dass die Verantwortung für das praktizierte wie komplizierte Berechnungssystem beim Landwirtschaftsministerium und der Agrarmarkt Austria (AMA) liege. Deshalb müsse der Bund für die Rückforderungen seitens der EU-Kommission - die Rede ist von 64,2 Mio Euro - geradestehen. Diese Summe betreffe allein die Verfehlungen bei den Almvermessungen für die Jahre 2006 bis 2008, bestätigte vergangener Woche das Wiener Landwirtschaftsministerium.
Kein Verständnis
Gegen den Sitz des Landwirtschaftsministeriums im Regierungsgebäude am Wiener Stubenring wollen voraussichtlich diese Woche Milchbauern aus dem Pinzgau, aber auch aus Tirol ziehen, wo es - völlig anders als in der Steiermark sowie Ober- und Niederösterreich - dem Vernehmen nach besonders viele und auch besonders krasse Beanstandungsfälle geben soll.
Im Landwirtschaftsministerium sieht man die Kritik der Almbauern bislang eher gelassen. Von Bauern, die sich an die Fördervorgaben hielten, werde es keine Forderungen geben, hieß es vergangene Woche. In Brüssel hat man dagegen weiterhin kein Verständnis für die falschen Angaben: Diese müssten allerdings nicht unbedingt von den Bauern kommen, sondern könnten auch in der Verwaltung ihre Ursache haben, räumte Georg Häusler, Büroleiter von EU-Agrarkommissar Dr. Dacian Cioloş, in einem Radiointerview ein. Diese Woche soll erneut eine Prüfungskommission aus Brüssel nach Österreich reisen, um die umstrittenen Förderangaben für die insgesamt rund 11 000 ha große, strittige Fläche zu prüfen. (AgE)
Hintergrund:
Tiroler Almbauern: „Uns geht die Luft aus!“ (5.4.2013)