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Landfrust: Geiz vernichtet die Bauern

Ein Milchviehhalter bekommt für einen Liter Milch im Moment weniger Geld, als im Supermarkt eine leere Plastiktüte kostet. Beim Discounter wird der Liter dann für weniger als 50 Cent an den Verbraucher abgegeben – der Gegenwert von zweieinhalb Plastiktüten. Milch ist billiger als Mineralwasser.

Lesezeit: 4 Minuten

Ein Milchviehhalter bekommt für einen Liter Milch im Moment weniger Geld, als im Supermarkt eine leere Plastiktüte kostet. Beim Discounter wird der Liter dann für weniger als 50 Cent an den Verbraucher abgegeben – der Gegenwert von zweieinhalb Plastiktüten. Milch ist billiger als Mineralwasser. Milch ist nichts mehr wert, schreibt Claus Christian Malzahn, Ressortleiter Politik bei der Zeitung DIE WELT in einem Kommentar.

 

Das habe fatale Folgen. Wenn sich die Preisspirale weiter nach unten dreht, würden nicht nur die Kühe aus der Landschaft verschwinden, sondern die Krise drohe einen ganzen Berufsstand auszulöschen. „Seit Monaten rufen die Bauern um Hilfe, aber in Berlin oder Brüssel hört kaum jemand hin. Es finden zwar Agrarministertreffen statt, es werden halbherzige Maßnahmen beschlossen. Aber der Markt macht den Milchpreis trotzdem kaputt. Bei einem Überangebot sinken eben die Preise. Die Großbauern liefern dann noch mehr Milch an die Molkereien, doch viel hilft nicht mehr viel. Die kleineren Viehbetriebe müssen dran glauben. Irgendwann kommt die Milch nur noch von voll automatisierten Superbauern. Und dann haben es alle wieder nicht gewollt, und keiner ist verantwortlich gewesen“, so Malzahn.


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Bestraft werden seiner Meinung nach im Moment vor allem die Bauern, die in der Vergangenheit genau das getan haben, was ihnen geraten wurde: Höfe modernisieren, Kapazitäten erhöhen, in modernste Technik investieren. Nun könnten sie oft ihre Kredite nicht mehr bedienen, weil der Verfall der Milchpreise ihre Einkommen halbiert. „Das hält keine Branche dauerhaft aus. Dennoch dringen die Bauern nicht durch: In der Politik wird im Moment nicht etwa darüber debattiert, wie man das Verschwinden des Landvolks verhindern kann“, so der Journalist weiter.


Ökopopulismus statt der wichtigeren Krisenlösung


Stattdessen leiste man sich in Berlin, Brüssel und den Ländern eine hysterische Diskussion um Glyphosat, das seit Jahrzehnten im Einsatz ist, ohne dass ein einziger Schaden- oder Krankheitsfall dokumentiert wäre. Auch in dieser Debatte werde von manchen Grünen und Sozialdemokraten ein Zerrbild moderner Landwirtschaft gezeichnet: Bauern als systematische Boden- und Brunnenvergifter. „Das ist Öko-Populismus, sonst gar nichts. Wissenschaftlich belegt sind die Gefahren nicht, in der Debatte geht es vor allem um Sorgen und Gefühle. Dagegen lässt sich schwer argumentieren“, so Malzahn.


Er muss in seinem Artikel feststellen, dass sich die Landwirtschaft wirtschaftlich, politisch und rhetorisch in der Defensive befinde. Und die Bauern hätten kein öffentliches Gesicht; niemanden, der ihr Wort in den Talkshows oder dem Bundestag führt. Das liege in der Natur des eher schweigsamen Berufs.


Die Deutschen haben laut dem Politikfachmann vom wahren Landleben immer weniger Ahnung. „Wer aber rettet dann die Bauern? Sie können es nur selber tun, gemeinsam mit ihren Kunden, den Verbrauchern. Gegessen und getrunken wird immer, die Leute wollen nur wissen, wo es herkommt, bemerkte kürzlich ein Jungbauer aus Südniedersachsen treffend. Tatsächlich stecken in der Regionalisierung der Vermarktung noch große Chancen, auch wenn sie kein Allheilmittel ist. Transparenz ist vor allem das Gebot der Stunde: Die Bauern müssen Höfe öffnen, Ställe vorzeigen und demonstrieren, dass moderne Ackerwirtschaft kein Hexenwerk ist“, sagt Malzahn.


Wenn Ausflügler auch weiterhin Kühe auf den Weiden und bestellte Felder sehen wollen, sollten sie beginnen, sich für die harte Wirklichkeit hinter der pittoresken Fassade zu interessieren. Es sei auch niemand gezwungen, einen Liter Milch für 49 Cent zu kaufen. Man könne auch faire Preise bezahlen, freiwillig. „Geiz ist nicht geil, er vernichtet Existenzen, stürzt Familien ins Unglück, reißt jahrhundertealte Traditionen jäh ab.“


Bauern und Städter müssten seiner Meinung nach darüber miteinander ins Gespräch kommen, was in der Provinz passiert. Hier sieht der WELT-Redakteur auch die Bauernverbände gefragt, die sich viel zu lange auf eine Lobby in Bonn und Berlin verlassen hätten, die es inzwischen gar nicht mehr gebe. Selbst in der Union würden die Agrarier heute abwehrende Reaktionen ernten, wenn sie ihre Anliegen vortragen. Dabei würden Landwirte und Bauern zu ihren treuesten Wählern gehören. Aber auch das sei kein Naturgesetz. „Denn hinter der Landlust steckt immer mehr Landfrust, der sich freilich auch kanalisieren lässt. Der Bauer auf seiner Scholle, im einsamen Kampf gegen den Weltmarkt, das ist für die AfD ein gefundenes Fressen. Man kann die Uhr danach stellen, wann die neue Truppe auf dieses Thema springen wird“, so Malzahn abschließend.


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