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Wie wird künftig Fleisch gegessen?

In der Ernährung wird sich in den nächsten zehn Jahren so viel verändern wie in den letzten hundert Jahren nicht.

Lesezeit: 8 Minuten

Dieser Beitrag stammt aus der Lebensmittel Praxis 3/23.

Schöne bunte Fleischwelt – das ist leider nur ein Teil der Zukunft, wenn es nach Studien oder nach Expertenmeinungen geht. Die EU-Kommission sagt in ihrem EU-Agri-Outlook in einer Langzeitprognose bis 2032 für Fleisch ein schwieriges Jahrzehnt voraus. Vor allem für das Gebiet der Europäischen Union sind die Prognosen düster, denn mit Ausnahme von Geflügel rechnet die EU-Kommission bei Fleisch mit einem sinkenden Verbrauch und damit einer rückläufigen Produktion.

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Vor allem die Sorge der Verbraucher um die Umwelt und ihre Gesundheit wird laut EU-Prognosen den Fleischkonsum beeinflussen und bis 2032 zu einem leichten Rückgang auf 66 kg pro Kopf führen. Auf 55 kg schätzt das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BLZ) aktuell den Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch in Deutschland, 3,7 % unter dem Wert des Vorjahres. Doch so düster ist die Zukunft nicht – die Ernährung bezüglich Fleisch wird sich nur auf andere Alternativen verschieben.

Fleisch wird wieder Luxus:

Dies prophezeit Sven Gábor Jánszky. Der Zukunftsforscher prognostiziert für die Zukunft einen sinkenden Fleischverzehr mit dem Trend zum teureren Premiumfleisch. „In der Ernährung wird sich in den nächsten zehn Jahren so viel verändern wie in den letzten Hundert Jahren. Im Bereich Fleisch, Wurst, Geflügel prognostizieren wir, dass bis zum Jahr 2040 zwischen 60 und 75 % des kompletten Fleischs aus alternativen Proteinen bestehen“, so der Forscher. Das können Proteine aus Pflanzen sein oder auch aus Cultured Meat. Der größere Teil, nämlich 35 bis 40 %, wird dabei Cultured Meat sein.

Aber die Hersteller müssen mehr auf Transparenz und Qualität achten und sollten pflanzlichen Alternativen oder Trends wie In-vitro-Fleisch gegenüber offen sein. - Sven Gábor Jánszky

Aus Sicht des Forschers setzt dies die bisherigen Hersteller enorm unter Druck. Andererseits gebe es ein großes Potenzial für neue Projekte, Produkte und Technologien, so Jánszky. Der Zukunftsforscher rechnet aber nicht damit, dass Fleisch von den Speiseplänen unserer Gesellschaft verschwinden wird. „Aber die Hersteller müssen mehr auf Transparenz und Qualität achten und sollten pflanzlichen Alternativen oder Trends wie In-vitro-Fleisch gegenüber offen sein.“

Der Forscher ist sich sicher, dass das Essen der Zukunft so aussieht und schmeckt wie heute. „Wir essen Schnitzel, Gulasch und geschnittene Wurst. Nur zwei Drittel des Volumens werden auf eine andere Weise hergestellt.“

Er rechnet auch damit, dass das konventionelle Fleisch im Preis steigen wird. „Es wird zu einem Premiumprodukt werden. Es wird aber in ein paar Jahren im ethischen Wert sinken, da ein Großteil der Bevölkerung der Ansicht sein wird, dass für Fleisch kein Tier mehr sterben muss.“ Er ergänzt: „Massentierhaltung, also die Art und Weise, wie heute ein Großteil des Fleisches entsteht, wird dann geächtet sein. Billiges Fleisch wird es dann nur aus den Fleischalternativen geben. Das Fleisch, das aus der Tierhaltung produziert wird, wird teurer werden.“

Das Ernährungsverhalten hat sich geändert

Bei uns hat sich etwas geändert, und das hat Auswirkungen auf viele Branchen, sagt der Publizist und Berater Hendrik Haase. Ein Beispiel. Die Ernährung sei in der Generation Y ein fester Teil der Identität geworden, mehr als Musik oder Autos, so Haase. Und mit dem Fokus auf den Teller steigt das politische Bewusstsein für das, was darauf liegt. Es gibt Umfragen in dieser Generation, deren Misstrauen gegenüber der Lebensmittelindustrie doppelt so hoch sei wie in den vorhergehenden Generationen. „Die jungen Leute haben Fragen“, sagt Haase.

„Die Fleischbranche sollte ihre Chance zur Beantwortung dieser nicht verstreichen lassen.“ Laut Haase wird das Produkt Fleisch in der Zukunft nicht verschwinden, da „wir die Nutztierhaltung auch brauchen, um die Seitenströme der Lebensmittelproduktion verwerten und Grünland nachhaltig nutzen zu können.“

Wir werden weniger Fleisch haben, aber die These, dass pflanzliche und im Fermenter gezüchtete Fleischalternativen tierische Proteine in naher Zukunft ganz ersetzen werden, finde ich zweifelhaft. - Hendrik Haase

Auf die große Frage, was wir morgen essen, kann auch der Publizist keine eindeutige Antwort geben. „Das entscheidet sich gerade. Ich hoffe, dass wir weniger Fleisch, dafür aber besseres Fleisch essen werden. Ich befürchte aber, dass wir einen Premiummarkt haben werden und einen anderen Markt von Verbrauchern, die dieses Fleisch zwar essen wollen, es sich aber nicht leisten können.“

Bezüglich der möglichen Fleischalternativen ist der Publizist noch unentschlossen: „Ich bin keiner, der sagt, dass wir Fleisch durch die Produkte ganz ersetzen werden, die jetzt gerade im Markt entstehen. Hoffnungsträger der Branche erleben in den USA gerade abstürzende Börsenkurse und rückläufige Absätze. Viele anfangs gefeierten Kooperationen mit Fast-Food-Giganten wurden wieder eingestellt.“ Hier sieht Haase einen kriselnden Markt, „was aber nicht heißt, dass wir wieder einen Massenkonsum von Fleisch haben werden. Wir werden weniger Fleisch haben, aber die These, dass pflanzliche und im Fermenter gezüchtete Fleischalternativen tierische Proteine in naher Zukunft ganz ersetzen werden, finde ich zweifelhaft.“

Cultured Meat – das Fleisch der Zukunft?

Bei Laura Gertenbach ist die Zukunft schon angekommen. Fleisch aus dem Bioreaktor? Klingt wie ein Stück aus einem Zukunftsroman, das Fleisch kann der Kunde aber schon bald im deutschen LEH kaufen, sagt Laura Gertenbach. 2017 hat sie das Start-up Innocent Meat aus der Taufe gehoben. Ihre Firma entwickelt den Produktionsvorgang von Cultured Meat als Plug-and-play-Lösung für Industriekunden.

Der Hauptgrund des Einstiegs in die neue Technologie Cultured Meat war laut Gertenbach pragmatisch und nicht ideologisch geprägt. „Seit sechs Jahren habe ich mit dem Start-up Oberlecker ein eigenes Fleischgeschäft. Für mich stand immer wieder die Herausforderung des Schlachtens an“, so die junge Gründerin. Sie ergänzt: „Es nützt mir nichts, wenn ich ein Rind mit einem Spitzen-Fleisch habe, wenn mir dabei die Wege beim Schlachtprozess zu lang sind. Die Ressource Fleisch ist oft saisonal limitiert und nicht immer verfügbar.“

Als die Gründerin dann 2017 das erste Mal von Cultured Meat hört, erkennt sie darin eine Lösung für viele verschiedene Probleme und gründet das Start-up Innocent Meat. Bei Cultured Meat handelt es sich um Fleisch, welches auf der Basis von tierischen Stammzellen hergestellt wird. Dabei werden Stammzellen von einem lebenden Tier in speziellen Bioreaktoren mit einer Nährstofflösung gefüttert und so zur Vermehrung angeregt.

Gertenbach sieht ihr Unternehmen allerdings nicht als Fleischproduzenten, sondern als Technologieanbieter. Sie will Herstellern in Zukunft die Technik liefern, selbst kultiviertes Fleisch herstellen zu können.

Damit kultiviertes Fleisch auf den deutschen Markt kommen kann, hat der Gesetzgeber noch einiges zu tun. Zunächst gilt es, die rechtlichen Voraussetzungen festzulegen. Die EU hat vor Jahren besondere gesetzliche Vorschriften für Novel Food eingeführt, unter die auch die Produkte aus Zellkultur fallen. Innocent Meat konzentriert sich aktuell auf die Produktion von Hackfleisch. Kälberserum wäre laut Gertenbach für eine große Produktion zu teuer. Innocent Meat verwendet deshalb eine Ackerpflanze als Basis für die Nährflüssigkeit. Wenn alles nach Plan läuft, will Innocent Meat ab 2026 mit der Produktion beginnen.

Seit dem vergangenen Jahr gibt es in den elf Restaurants von „The Ash“, die bundesweit betrieben werden, vegane Steaks. Der Clou dabei: Das Fleisch kommt aus einem 3-D-Drucker. „Zur Gründung von ‚The Ash‘ sind wir als reines Steakhaus gestartet. Inzwischen haben wir uns breiter aufgestellt und bieten veganes Fleisch vom Unternehmen Redefine Meat aus dem 3-D-Drucker an“, sagt Vertriebschef Benjamin Walter. Das Unternehmen „Redefine Meat“ kommt aus Israel und verfügt insgesamt über acht Drucker zur Produktion von veganem Fleisch. Diese stehen in Fabriken in den Niederlanden.

Zur Gründung von ‚The Ash‘ sind wir als reines Steakhaus gestartet. Inzwischen haben wir uns breiter aufgestellt und bieten veganes Fleisch vom Unternehmen Redefine Meat aus dem 3-D-Drucker an. - Walter

Die faserige Fleischstruktur des Flank-Steaks, welches im 3-D-Drucker hergestellt wird, entsteht dadurch, dass das Unternehmen Blut, Muskeln und Fett nachbildet, aber auf pflanzlicher Basis. Das Blut besteht zum Beispiel aus Rote-Bete- und Cranberry-Saft; die Muskelfasern bestehen aus Proteinen. Im 3-D-Drucker entsteht dann Schicht für Schicht die richtige Kombination, sodass es wie Fleisch aufgebaut ist. Diese Technologie ermöglicht die Herstellung exakter Strukturen, mit denen die Muskel- und Fettstrukturen von Fleischstücken nachgebildet werden können.

Fleisch schmeckt nach Fleisch

Fleischersatzprodukte stehen laut Walter schon länger auf der Speisekarte. Das Fleisch aus dem 3-D-Drucker ist trotzdem eine große Neuheit, da „es echtem Fleisch in Aussehen und Geschmack sehr nahekommt“. Essen kann man es als Hackfleischersatz in Sauce bolognese oder auch als Flank-Steak. Das Feedback der Gäste sei positiv, sagt Walter. „Das Besondere an dem Fleisch ist der Geschmack, dass der Gast das Gefühl hat, richtiges Fleisch zu essen.“ Das Flank-Steak sehe laut Walter nicht nur so aus, als wäre es ein Stück Fleisch, sondern durch das Druckverfahren versuche der Hersteller, den Fleischsaft und die Sehnen nachzubilden. Dann habe der Konsument auch ein Mundgefühl, als ob er Fleisch kaue, so Walter.

Ein Kommentar von Jens Hertling, Redakteur für den FWG-Bereich bei der Lebensmittel Praxis:



Zeit nicht verschlafen!



Es geht nichts über ein gutes Stück Steak. Diese Aussage von Fleisch-Fans wird auch in Zukunft Bestand haben. Premiumfleisch wird es demnach weiter geben. Das ist die gute Nachricht. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Experten prophezeien, dass die Zukunft in alternativen Proteinen liegt. Die Hersteller im FWG-Bereich müssen jetzt hier dringend darauf achten, dass sie die Zeichen der Zeit nicht verschlafen. Andererseits gibt es ein großes Potenzial für neue Projekte, Produkte und Technologien. Erste Firmen haben dies erkannt und investieren in neue Technologien.

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