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topplus Nahrungsmittelkonkurrenz

Ist die Teller-Trog-Diskussion zu einfach gerechnet?

Veredelungsbetriebe verbrauchen zu viel hochwertiges Getreide, sagen Kritiker. Prof. Wilhelm Windisch, Uni München, liefert im Interview mit der Zeitschrift SUS gute Argumente für die Tierhalter.

Lesezeit: 4 Minuten

In Zeiten weltweiter Hungerkrisen werden Nutztiere als Nahrungskonkurrenten des Menschen kritisiert. Einige Wissenschaftler sprechen davon, dass etwa 60 % des Futtergetreides auch für die menschliche Ernährung geeignet wären. Mithilfe des sogenannten human edible fraction (hef) soll die Diskussion versachlicht werden. Der Wert umschreibt den theoretisch für die Humanernährung nutzbaren Nährstoffanteil von Futtermitteln.

Mehr Infos zu den Möglichkeiten und den Grenzen vom Berechnungsmodell der "humen edible feed conversion efficiency" (deutsch: Nahrungsmittel-Konvertierungs-Effizienz) lesen Sie auch hier:

Die Fachzeitschrift SUS sprach dazu mit Prof. Wilhelm Windisch.  

Was halten Sie vom hef-Ansatz?

Windisch: Nutztiere konkurrieren mit den Menschen um Nahrung. Das müssen wir reduzieren, auch zugunsten des Umweltund Klimaschutzes. Aber die in Diskussionen genannten 60 % des Futtergetreides, das auch für die Humanernährung dienen könnte, sind viel zu pauschal und übertrieben. Nahrungskonkurrenz durch Verfütterung von Getreide ist ein komplexes Thema. Allein mit den hef-Werten kommen wir nicht zur Lösung.

Was heißt das konkret?

Windisch: Die hef-Daten stellen theoretische Maximalwerte dar. Sie sind international publiziert und als Ausgangspunkt für die Diskussion durchaus geeignet. Aber sie versagen oft bei der Abbildung der Realität. Das beginnt bei der Entscheidung des Landwirts, welche Kultur er wo anbaut. Hier fließen fachliche Gesichtspunkte wie gesunde Fruchtfolge, Bodenqualität, das lokale Klima sowie unternehmerische Aspekte wie die Vermarktungsfähigkeit ein. Das setzt sich in der Verarbeitung der Erntegüter bis zum Lebensmittel fort. Entlang dieser Prozessstrecke entstehen viele Materialien, die zwar eine hohe theoretische Essbarkeit für den Menschen aufweisen, letztendlich aber eindeutig als Futtermittel einzustufen sind. Eine Moralisierung ist hier fehl am Platz.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Windisch: Im Sommer 2023 hatten wir in der zweiten Hälfte der Weizenernte einen langanhaltenden Wettereinbruch. Ein Großteil des Getreides, das danach geerntet wurde, war für die Humanernährung trotz eines hohen hef-Wertes nicht mehr vermarktbar. Dieser Weizen wurde zu Futtergetreide, und zwar im Nachhinein. Aber auch von vorneherein gibt es Futtergetreide. Wird dies z. B. auf Grenzertragsflächen angebaut, ist allein schon von der Sortenwahl klar, dass das Erntegut kaum oder gar nicht für die Humanernährung vermarktbar ist. Es wird also immer einen Mix aus Futtergetreide und lebensmittellieferndem Getreide geben. Wegen der Fruchtfolge gilt dies wahrscheinlich selbst auf sehr guten Standorten.

Also weitermachen wie bisher?

Windisch: Nein! Die Bewahrung unserer Produktionsgrundlagen, der Schutz von Umwelt, Klima und Biodiversität sowie die Sicherung der Lebensmittelversorgung zwingen uns dazu, die Primärproduktion zu steigern. Wir müssen die Ernte so weit wie möglich der Humanernährung zuführen. Das ist die konsequente Vermeidung von Nahrungskonkurrenz, und zwar sowohl durch Nutztiere als auch durch die Energieerzeugung. Es gilt die strikte Reihenfolge: Teller, Trog, Tank. Das erfordert eine Änderung der Anbaustrukturen inklusive Fruchtfolgen. Dies muss sich für die Erzeuger lohnen, sonst unterbleibt der Schritt. Ein optimiertes System liefert zwar deutlich weniger Futtermittel mit hohen hef-Werten. Diese wird es aber auch künftig geben, ebenso reines Futtergetreide.

Wie ist Ihr Ausblick?

Windisch: Wir müssen die Diskussion versachlichen und dürfen uns von der verkürzten 60 %- Aussage nicht irritieren lassen. Auf der anderen Seite müssen wir akzeptieren, dass Verbesserungen entlang der gesamten Produktionsstrecke die Ausbeute an Lebensmitteln erhöhen und im Gegenzug die Verfügbarkeit hochwertiger Futtermittel reduzieren kann. Die Vermeidung von Nahrungskonkurrenz erlaubt kein Dogma. Sie ist vielmehr ein dynamischer Kompromiss zwischen fachlichen und unternehmerischen Aspekten.

 

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