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Milchmengenbegrenzung in der Praxis: Gmundener Molkerei zahlt bis zu 15 Cent drauf

Wie wirkt sich das im März von der Gmundner Molkerei eingeführte System zur Begrenzung der Milchmenge aus? Wo gibt es die größten Absatzprobleme? Wie steuert das Unternehmen gegen? top agrar Österreich befragte Geschäftsführer und Obmann.

Lesezeit: 7 Minuten

Wie wirkt sich das im März von der Gmundner Molkerei eingeführte System zur Begrenzung der Milchmenge aus? Wo gibt es die größten Absatzprobleme? Wie steuert das Unternehmen gegen? top agrar Österreich befragte Geschäftsführer und Obmann.

 

Seit Anfang März haben Sie als erstes österreichisches Unternehmen ein System zur Begrenzung der Milchmengen eingeführt. Warum dieser Schritt?

 

Fürtbauer: Wir haben gesehen, dass die Milchmengen am Markt deutlich zu viel sind. Somit mussten wir reagieren. Mit dem Milchmengenmodell der Gmundner Molkerei können wir zwar kurzfristig nicht den Markt verändern. Aber wir können zumindest das Unternehmen entlasten. Denn die Milch, die wir nicht mehr vermarkten können, muss in den Versand gehen. Dafür zahlen wir ca. 10 bis 15 Ct am Liter drauf, das ist die Summe, die wir zuerst dem Landwirt bezahlen und dann im Versand erlösen können. Die Situation am Markt wird man am Ende des Tages nur über die Milchmenge lösen können. Langfristig müssen wir schauen, dass wir mehr Unternehmen mit ins Boot bekommen. Dafür gibt es über die Molkereien in Österreich hinaus auch Signale aus anderen Ländern, dass man mittlerweile bereit ist, über die Menge zu diskutieren.

 

Können Sie noch einmal kurz Ihr System skizzieren?

 

Waidacher: Als Basismenge gilt die durchschnittliche Anlieferung des Jahres 2015. Die gilt, solange es dieses System gibt. Wenn ein Landwirt diese monatliche Basismenge um 5 % reduziert, dann bekommt er 1 Ct zum Grundpreis. Wenn er um 10 % reduziert, erhält er 2 Ct. Wird die Basismenge um mehr als 5 % überliefert, gibt es für die gesamte Milchmenge einen Abzug von 2 Ct/kg netto. Betriebe, die mehr als 10 % überliefern, erhalten 4 Ct/kg netto Abzug.


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Wie wird das neue System von den Betrieben umgesetzt? Wie sind die Auswirkungen auf die Gesamtanlieferung?

 

Waidacher: Wir merken eine deutliche Reaktion. Die Landwirte machen sich Gedanken, wie sie ihre Produktionsmenge auf dieses Modell hin steuern und optimieren können. Die Anlieferung ist in den letzten Wochen bereits zurückgegangen. Normal steigt die Tagesanlieferung bis Mai/Juni. Bei uns ist sie bereits im März um 2 bis 3 % leicht zurückgegangen. Wir sehen einen ersten Schritt in die richtige Richtung.

 

Fürtbauer:
Man hat bei der Diskussion auf der Generalversammlung gemerkt, dass die Leute zu dem System erst Vertrauen fassen müssen.

 

Was raten Sie den Betrieben, mit welchen Mitteln sie die Produktion einschränken können?

 

Fürtbauer: Grundsätzlich muss das jeder für sich wissen, jeder Betrieb schaut anders aus. Klar ist, dass die Reduktion der Stückzahl am wirksamsten ist. Aber man kann auch mit geringeren Kraftfuttergaben reagieren. 1 bis 2 kg weniger Kraftfutter wird der Kuh nicht schaden.

 

Waidacher: Ein Landwirt hat uns vor Kurzem gesagt, dass es sich für ihn rechnet, die Kälber länger und intensiver mit Milch zu mästen. Weil er aus dieser Milch so eine deutlich höhere Wertschöpfung erzielen kann.

 

Wie zu hören ist, gibt es einige Betriebe, die große Probleme haben, dieses System einzuhalten. Das hat dazu geführt, dass sogar Milch weggeschüttet wurde. Was sagen Sie solchen Betrieben?

 

Fürtbauer: Es wird Betriebe geben, die in der Wachstumsphase stecken, die an dem Modell in der Form nicht teilnehmen können. Es gibt darunter aber auch welche, die überlegen, in welcher Stufe sie trotzdem mittun können – trotz aller anfänglichen Ablehnung. Mittlerweile ist bei den meisten die Akzeptanz da und es wird geschaut, dass man mittut. Auch diese Betriebe haben die Anlieferung bereits reduziert.

 

Waidacher: Die Empfehlung unserer Seite war immer, nicht die Milch wegzuschütten. Wir holen die gesamte ab Hof beigestellte Milch ab. Unsere Empfehlung ist, die Milchproduktion so zu gestalten, dass man am Monatsende die passende Menge für seinen Betrieb hat.

 

Herr Fürtbauer, Sie erwarten sich von der Politik rasch koordinierte Aktivitäten. Was erwarten Sie sich konkret?

 

Fürtbauer: Es findet ja mittlerweile europaweit eine Diskussion über einen freiwilligen Lieferverzicht statt. Und das muss jetzt passieren und nicht erst im Juni bei der nächsten Ratssitzung. Man muss schauen, woher man finanzielle Mittel bekommt. Die Molkereien werden das nicht selber finanzieren können, da wird man EU-weit Unterstützung von der öffentlichen Hand brauchen.

 

Glauben Sie, dass das von ihnen eingeführte System europäische Nachfolger finden wird?

 

Fürtbauer: Am Markt brauchen wir sicher eine europäische Lösung. Wir brauchen in Zukunft eine Regelung für die Menge, sonst wird es für gewisse Gebiete in der EU schwierig, Milch zu produzieren. Wenn man mit der Auszahlung in die Nähe des Interventionspreises kommt, dann wird es in Österreich sehr schwer.

 

Was ist Ihr selbst gestecktes Ziel mit der Mengenbegrenzung?

 

Fürtbauer: Kurzfristig aus der Versandmilchfalle herauszukommen, durch deutliche Mengenreduktion seitens der Anlieferung. Wir verlieren an fertigen Produkten dadurch kein kg Käse oder l Milch am Markt. Es geht rein darum, die Versandmilch wegzubringen, damit wir wieder einen finanziellen Spielraum bekommen. Sonst gibt es jeden Monat ein deutliches Minus allein durch die Versandmilch. Das muss das Ziel für uns sein.

 

Wie viel Milch geht aktuell um 15 bis 16 Ct in die von ihnen angesprochene Versandmilchfalle?

 

Fürtbauer: Wir bewegen uns z.Zt. zwischen 10 und 15 % kg Milch pro Monat. Sie wird hauptsächlich nach Italien geschickt.

 

Waidacher: Viele Produkte orientieren sich schon an dem Versandmilchniveau. So liegen die Goudapreise international bei 1,70 bis 1,80 €/kg. Da man 10 l Milch für einen kg Gouda braucht, kann man sich ausrechnen, dass man damit nicht viel besser dran ist als im Versand. Jeder hat diesen Mengendruck.

 

Sie sind ja bekanntlich stark in der H-Milch Produktion. Gerade hier ist der Absatz schwieriger geworden.

 

Fürtbauer: Die Strategie war 20 Jahre lang, über die H-Milch zu wachsen, das ist auch gelungen in aufnahmefähigen Märkten. Jetzt sind die Märkte deutlich gesättigt, damit ist die H-Milch das erste Produkt, wo die größten Turbulenzen ausbrechen. Dadurch sind wir als Gmundner Molkerei stärker betroffen, als andere Molkereien.

 

Wir haben in den letzten Jahren geschaut, dass wir mehr auf unsere Marke schauen, dass wir in der Käseproduktion besser werden. Es muss einfach mehr Produkte mit höherer Wertschöpfung geben. Das passiert nicht von heute auf morgen. Man hat keine freien Märkte, sondern es herrscht auch dort ein Verdrängungswettbewerb.

 

Dafür investieren Sie in die Käseschiene. Demnächst verkaufen Sie z. B. den Gmundner Bergpremiumkäse in 4 000 Geschäften in Deutschland. Haben Sie andere mit Dumpingpreisen verdrängt oder mit Qualität gepunktet?

 

Waidacher: Da haben wir mit Qualität gepunktet. Der Premiumkäse ist mit 6 Monaten Reifezeit ein Aushängeschild unseres Unternehmens. Ab 1. Mai sind wir in ca. 4 000 Märkten in Deutschland vertreten. Mit dieser Strategie, mehr Produkte in höherer Wertschöpfung zu bekommen, sind wir an die Grenzen unserer Reifungskapazitäten gestoßen. Wir investieren gerade 4, 5 Mio. in zusätzliche Reifungskeller. Der Plan ist, weg von jenen Produktbereichen, wo der Preiskampf sehr stark ist, in Richtung höherer Wertschöpfung zu kommen.

 

Die Bilanz des Jahres 2014 wies einen Jahresverlust in Höhe von über 1,2 Mio. € aus. Er wurde aus Rücklagen gedeckt. Wie hat sich dieses im Jahr 2015 entwickelt?

 

Waidacher: Im Jahr 2015 lag der Verlust bei 960 000 €.

 

Das wird auch wie im Jahr zuvor aus Rücklagen gedeckt? Wie lange kann man so etwas machen?

 

Waidacher: Wir haben eine Eigenkapitalquote von 78 % bei einer Bilanzsumme 96,9 Mio. €. Das haben nicht allzu viele.

 

Fürtbauer:Aber es ist nicht das Ziel, dass wir eine Rechnung aufstellen, wie viel Jahre wir uns über die Eigenkapitalquote oder über die gute finanzielle Ausstattung des Unternehmens hinüberretten können. Es muss die klare Ansage sein, auch von Seiten der Eigentümer und Funktionäre, dass wir im Unternehmen wieder ein positives Ergebnis schreiben.

 

Waidacher:
Diese Eigenkapitalquote ist eine wirtschaftlich wichtige Basis des Unternehmens, die es ermöglicht, dass man auch Krisenzeiten durchtauchen kann.

 

Und wie ist Ihre Prognosen für das Jahr 2016 nach dem bisherigen Verlauf?

 

Waidacher:Von der Marktseite her gesehen lässt diese nur wenig Grund für Optimismus aufkommen. Für eine wirtschaftliche Prognose ist es jetzt noch zu früh.

 

Das Gespräch führte top agrar-Redakteur Torsten Altmann.

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