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Thüringer Spezialitäten aus Bauernhand

Lesezeit: 6 Minuten

Power-Praktikant Tobias Urban hat eine Woche lang in der Landwirtschafts GmbH Aschara mitgearbeitet und dabei eine perfekt organisierte Direktvermarktung kennengelernt.


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W ie bitte? Jährlich 25 000 Mastschweine mästen und das Fleisch komplett selbst vermarkten? Wie funktioniert das? Welches Konzept steckt dahinter, und welche Logistik benötigt man dafür? Diese Fragen brannten mir unter den Nägeln, als ich montags in aller Frühe von meinem Heimatdorf in Baden-Württemberg zum einwöchigen Power-Praktikum nach Thüringen aufbreche. Ich bin gespannt, was mich erwartet!


22 eigene Fleischerläden:

Nach vierstündiger Fahrt komme ich an der Sauenzuchtanlage der Aschara Landwirtschaftsgesellschaft mbH in Bad Langensalza an. Meine Güte! Schon von außen sind die Dimensionen der vor gut einem Jahr auf die „grüne Wiese“ gebauten Anlage für 1 300 Sauen und 6 400 Aufzuchtferkel absolut beeindruckend. Die Anlage ist Teil der ADIB-Unternehmensgruppe, die nach der Wende aus einer ehemaligen LPG hervorgegangen ist.


Zum Unternehmen gehören neben der Schweinezuchtanlage auch noch 8 100 Mastplätze im Nachbarort Wiegleben, ein neuer Milchviehstall für 1 000 Kühe, ein eigener Fleischverarbeitungsbetrieb mit 65 Mitarbeitern und 22 Fleischerei-Geschäfte, in denen die nach alten thüringischen Rezepten hergestellten Schinken und Würste an den Mann bzw. an die Frau gebracht werden.


Gunar Sickert, der Leiter der Schweineproduktion, erläutert mir das Konzept: „Unser Ziel ist es, über die eigene Ausmast unserer Ferkel, die eigene Verarbeitung und die eigene Vermarktung so wenig Wertschöpfung wie möglich aus der Hand zu geben.“ „Gutes vom Land aus einer Hand“, lautet das Motto der durchgängigen Produktionskette vom Acker bis zur Wursttheke.


„Bei der Direktvermarktung setzen wir auf drei Dinge: Regionalität, Qualität und Tierwohl“, erklärt mir Anlagenchef Sickert. Die Regionalität beginnt schon bei der Futtergewinnung. Das gesamte Futtergetreide, überwiegend Gerste und Weizen, wird auf eigenen Flächen angebaut. Im betriebseigenen Mischfutterwerk wird das Getreide dann vermahlen. Als Eiweißträger kommen Rapskuchen und Sojaschrot hinzu. Mit Schlempe und Molke wird das Ganze dann zu einem schmackhaften Futterbrei vermischt und ausdosiert.


Besondere Fleischqualität:

Auch bei der Fleischqualität geht man in Aschara besondere Wege. „Wir belegen unsere Hypor-Sauen mit Sperma von Duroc-Ebern. Denn das Fleisch der Duroc-Herkünfte weist einen höheren Anteil von intramuskulärem Fett auf. Dadurch ist es aromatischer, zarter und die Bratverluste in der Pfanne sind geringer. Damit können wir bei der Direktvermarktung zusätzlich punkten“, zählt mir Gunar Sickert die Vorteile seiner besonderen Anpaarung auf.


Freiwillig mehr Tierkomfort.

Zudem legt man in Aschara auch beim Tierkomfort „eine Schüppe drauf“ und geht freiwillig über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Denn zusätzlich zu den tragenden Sauen, die in 60er bis 70er Gruppen an zwölf Abrufstationen gefüttert werden und sich frei bewegen können, hat Gunar Sickert auch im Abferkelstall 300 Bewegungsbuchten einbauen lassen. Hut ab, das nenne ich mutig! Denn bislang hört man nur von allen Seiten, dass die Erdrückungsverluste in Bewegungsbuchten größer sein sollen als bei Ferkelschutzkörben. Herr Sickert erklärt mir, warum er sich für Bewegungsbuchten von Big Dutchman entschieden hat. Mit 2,5 m Länge und 1,85 m Breite seien diese Buchten kaum größer als herkömmliche Abferkelplätze. Und der umbaute Raum sei nun mal das Teuerste beim Stallbau.


Auch im Flatdeck und in den Mastabteilen wird den Tieren bewusst mehr Platz angeboten, als der Gesetzgeber verlangt. Im Flatdeck stehen jedem Ferkel im Schnitt 0,42 m2 statt 0,36 m2 zu. Und im Maststall hat jedes Schwein 1 m2 Platz.


Für das besonders tiergerechte Bauen wurde der Stall vom Land Thüringen mit 30 % bezuschusst. „Das allein fängt unsere Mehrkosten aber noch nicht auf. Wir sind deshalb darauf angewiesen, mit unserem Fleisch in der Direktvermarktung eine höhere Rendite zu erzielen, als bei herkömmlicher Vermarktung“, gibt Herr Sickert zu bedenken.


Ferkelfangen ist schwieriger.

Ich bin gespannt, wie viel Mehrarbeit die Bewegungsbuchten machen. Nach dem Abferkeln bleiben die Sauen zunächst zehn Tage lang im Schutzkorb fixiert. Erst dann werden die Körbe geöffnet, so-dass sich die Sauen problemlos umdrehen können. Ich bin erstaunt, wie sauber die Tröge trotzdem bleiben. Nur die festen Flächen auf der Heizplatte müssen wir täglich abschieben und den Kot über eine Kotklappe in die Güllewanne befördern – ganz schön viel Arbeit!


Der Umbau der Ferkelschutzkörbe ist dagegen schnell gemacht. Ich hatte mit einem höheren Arbeitsaufwand gerechnet. Nach dem Umbau ist es allerdings deutlich schwieriger, einzelne Ferkel zu fangen. „Deshalb lassen wird die Sauen auch erst dann frei laufen, wenn alle Arbeiten an den Ferkeln erledigt sind“, erklärt mir Herr Sickert.


Nach 28 Säugetagen werden die Sauen abgesetzt. An-schließend werden die Ferkel ins Flatdeck umgestallt, wo sie an Rohrbreiautomaten gefüttert werden. Sobald die Läufer 25 bis 28 kg schwer sind, werden sie mit einem betriebseigenen Transportanhänger in die zwei Kilometer entfernte Mastanlage ge-fahren. Dort werden sie nach Größe sortiert, in Buchten mit jeweils 18 bis 19 Schweinen aufgestallt und flüssig am Längstrog gefüttert.


Eigene Zerlegung:

Mit etwa 120 kg Lebendgewicht erreichen die Schweine in Wiegleben die Schlachtreife. Dann werden sie von einer Spedition zum 64 km entfernten Schlachthof nach Heiligenstadt gefahren, jede Woche 500 Schweine.


Die Schlachthälften kommen in einem Kühltransporter zurück in den eigenen Zerlege- und Wurstverarbeitungsbetrieb in Bad Langensalza. Hier arbeiten 65 Mitarbeiter, davon 45 in Verarbeitung und Produktion.


Was ich in Bad Langensalza zu sehen bekomme, übersteigt alles, was ich bisher in puncto landwirtschaftlicher Direktvermarktung kennengelernt habe! Das ist absolut professionell! Ich komme mir vor wie in einem Hochsicherheitslabor. Überall gilt: Hygiene, Hygiene und nochmals Hygiene! Die Schlachthälften werden in einem Kühlraum zwischengelagert, bevor sie von acht Metzgern zerlegt werden. Die Teilstücke, die als Frischfleisch verkauft werden sollen, werden fertig portioniert, abgepackt und etikettiert.


Überlieferte Rezepte:

Das Fleisch für die Wurstbereitung kommt in den Cutter bzw. in den Fleischwolf. Hier wird es zu Hackfleisch oder Wurstbrät zerkleinert. Dann wird die für die jeweilige Wurstsorte nach alten Thüringer Rezepten zusammengestellte Gewürzmischung zugefügt und die fertige Wurst in Därme gefüllt.


Gunar Sickert erklärt mir, dass die Fleischmarkt GmbH Aschara über 22 eigene Verkaufsfilialen verfügt, in de-nen auch warme Gerichte angeboten werden. Gemeinsam besuchen wir eine ganz neu renovierte Filiale in der Innenstadt von Bad Langensalza. Alles wirkt einladend und appetitlich.


Unter dem Strich vermarktet die Unternehmensgruppe über die eigenen Läden allerdings nur einen kleinen Teil ihrer Fleischproduktion. Der größere Teil geht an ausgewählte Handelsketten und einige Großhändler, die bundesweit Restaurants für Feinschmecker beliefern. Auf diese Weise gelangt die Thüringer Bratwurst aus Aschara bis nach Berlin und an die nördlichste Spitze der Insel Rügen. Hut ab: Perfekter kann man die Direktvermarktung nicht organisieren!-lh-

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