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Wursten wie ein Weltmeister

Lesezeit: 6 Minuten

Warum ist der Fleischexport nach Asien günstiger als nach München? Wie zerlegt man ein Schwein in nur sechs Minuten? Das und vieles mehr hat Power-Praktikant Heiko Kaiser bei der Firma Tönnies erfahren.


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Autobahn A 2: Nach gut vier Stunden Autofahrt erreiche ich die Abfahrt Rheda-Wiedenbrück. Einmal rechts, zweimal links und schon stehe ich direkt vor der neuen fast 300 m langen Firmenzentrale der Firma Tönnies Lebensmittel GmbH.


Den weiten Weg von Franken nach Westfalen bin ich gefahren, um mein einwöchiges Power-Praktikum bei Tönnies zu absolvieren. Eine Woche lang werde ich in Europas größtem Schlachtkonzern mitarbeiten. Aufgeregt und auch ein bisschen nervös betrete ich die Empfangshalle. Schon wenige Minuten später holt mich Hans-Jörg Eynck ab, Mitarbeiter in der Abteilung Landwirtschaft.


Zunächst gibt mir Herr Eynck in seinem Büro einen groben Überblick über das Unternehmen Tönnies und den Standort Rheda-Wiedenbrück. An-schließend marschieren wir los in die Produktion. Bevor wir jedoch den Schlacht- und Zerlegebereich betreten, schärft mir Herr Eynck noch eine wichtige Grundregel ein: „Eine Top-Hygiene ist bei der Fleischverarbeitung oberstes Gebot, hier dulden wir keine Kompromisse! Wer dagegen verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen.“


Für mich und alle anderen Mitarbeiter heißt das zunächst: Straßenkleidung ablegen und schlachthofeigene Hose und Kittel anziehen. Meine Kleidung lege ich solange in meinen persönlichen Spind mit der Seriennummer 02020. Am Standort in Rheda gibt es insgesamt 5 500 Spinde – für jeden Mitarbeiter einen.


Fleisch für die Philippinen:

Zunächst besuchen wir die Exportabteilung, eines der Herzstücke des Unternehmens. Die Exportabteilung ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, denn mittlerweile werden 50 % der Produk-tion ins Ausland verkauft. Neben Osteuropa floriert der Fleisch- und Wurstwarenabsatz nach Asien. Selbst auf den Philippinen genießen immer mehr Menschen Fleischwaren mit der Tönnies-Stempelnummer „ES 202“.


In der Exportabteilung geht es multikulturell zu, acht Sprachen werden hier gesprochen. „Nur so können wir den Kontakt zu unseren Kunden in aller Welt halten“, erklärt mir Björn Hollenberg von der Exportabteilung. Von ihm erfahre ich auch, dass die Asiaten Ohren, Schwänzchen und Rüssel sowie Pfötchen vom Schwein lieben, für viele Asiaten sind das Delikatessen. Die deutsche Fleischwirtschaft profitiert von den Essgewohnheiten der Asiaten, denn so wird der Schlachtkörper noch besser verwertet. Bei Tönnies werden mittlerweile ca. 85 % des Schlachtkörpers der Nahrungskette zugeführt.


Staunen kann ich nur, als ich erfahre, dass sich Schweinefleisch heute preiswerter nach Übersee transportieren lässt als nach München. Die Reeder buhlen um Rückfracht nach Asien, ihre Schiffe sind schlecht ausgelastet, lautet die Erklärung. Vor dem Verladen auf die Schiffe wird das Fleisch im Werk transportfähig gemacht. Dazu wird es bei - 34 °C für acht bis 36 Stunden im so-genannten Froster schockgefroren. Danach fährt ein Lkw den Container zum Hafen.


Zerlegung in nur sechs Minuten:

Am nächsten Morgen heißt es für mich früh aufstehen. Denn bereits um 5 Uhr morgens muss ich am Zerlegeband antreten. Hier arbeiten an zwei Arbeitsbändern 360 Leute parallel, wie Michael Poker, einer der beiden Ausbildungsleiter bei Tönnies, mir erklärt.


Michael Poker hilft mir zunächst beim Anlegen der Schnittschutzkleidung. Dazu gehören eine Metallschürze sowie ein Metallhandschuh. Dass beides wichtig ist, merke ich, als ich mein Messer zur Hand nehme. Dieses und die anderen 5 000 Messer, die im Schlachthof eingesetzt werden, sind scharf wie eine Rasierklinge.


Bei der Zerlegung der Fleischstücke lerne ich schnell, dass ich noch viel üben muss. Während meine Nebenleute am Band bereits die nächsten Stücke zurechtschneiden, muss ich mich erst einmal orientieren und überlegen, wo ich das Messer ansetze. Dank Auto-matisierung und geübter Handgriffe ist ein Schwein bei Tönnies heute in sechs Minuten komplett zerlegt! „Und das nach Kundenwunsch“, betont Ausbildungsleiter Poker nicht ohne Stolz. Alle Achtung, denke ich.


Nach der Zerlegung werfen wir am Nachmittag einen Blick in die Schlachtung. Nach der CO2-Betäubung und der Entblutung wird bei jedem Schwein am Augenreflex geprüft, ob es tatsächlich tot ist. Erst dann erfolgt das Brühen des Schlachtkörpers. „Diese zusätzliche Kontrolle ist uns sehr wichtig. Schließlich wollen wir sicher gehen, dass kein Schwein beim Brühprozess Schmerzen erleidet“, betont Hans-Jörg Eynck.


Alle Schweine werden mit dem AutoFOM 3-Gerät klassifiziert. Mittels Internetzugang können die Landwirte die Klassifizierungs- und Verwiegungsergebnisse abfragen. Auch das Landesamt für Natur, Um-welt und Verbraucherschutz schaut via Internet zu. Computerboxen, die sogenannten Black-Boxes, zeichnen alle Daten auf. Zugriff darauf hat nur das Landesamt als Kon-trollbehörde.


Apropos Kontrolle: Von Herrn Pieper, Leiter der Qualitätskontrolle, erfahre ich, dass im Schnitt jeden Tag zwei bis drei Audits stattfinden. So fordern z. B. die Lebensmittelhändler von der Firma Tönnies laufende Qualitätskontrollen. Amtliche Stellen kontrollieren die Einhaltung der Hygiene-regeln oder die Temperaturvorgaben.


Auch der Tierschutz wird kontrolliert. Für den Tierschutz gibt es bei Tönnies sogar eine eigene Stabsstelle. Herr Altemeier überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und der hauseigenen Regeln. Dazu gehört z. B., dass kein Tier geschlagen wird. Unterstützt wird Herr Altemeier von Veterinären des Kreises Gütersloh.


Kaisers Bratwurst:

Neugierig war ich auf den Besuch des Werksverkaufs. Hier werden auf rund 450 m2 gut 300 Frischfleischprodukte und 25 Sorten Rohbratwurst verkauft. Die Verkaufsräume liegen unmittelbar an der Autobahn A 2 auf dem Werksgelände und sind für jedermann zugänglich.


Im Werksverkauf wird aber auch selbst „gewurstet“. Zusammen mit Geschäftsleiter Jörg Nuhn habe ich Bratwürste produziert. Zu-erst haben wir das Fleisch und die Gewürze in den Wolf gekippt, anschließend durfte ich selbst Bratwürste „auf Länge drehen“. Das hat Spaß gemacht.


Lehrreich war für mich der Umgang mit den Kunden. Jörg Nuhn erklärte mir ein paar Verhaltensregeln und dann durfte ich selbst Kunden bedienen. „Freundlich fragen und den Kunden anschauen sind die beiden wichtigsten Regeln, die man beachten sollte“, erklärt mir Jörg Nuhn.


9 Uhr-Steak:

Am letzten Tag meines Power-Praktikums habe ich die Entwicklungsabteilung besucht. Normalerweise ist das Betreten hier streng verboten. Doch ich hatte Glück und durfte hautnah dabei sein.


Im sogenannten Technikum werden neue Fleischprodukte entwickelt. Ich selbst durfte mit den Mitarbeitern neue Frikadellen nach Kundenwunsch herstellen. Wir haben getestet, welche Gewürzmischung am besten den Anforderungen des Kunden entspricht.


Zudem werden im Technikum die am Tag zuvor produzierten Waren verkostet und überprüft. Bereits um 9 Uhr morgens probierte ich Rindersteak, Schnitzel, Sparerips und Leberkäse. Alles war lecker, aber um 9 Uhr früh ist mein Magen doch eher auf Brot mit Marmelade eingestellt, wie ich feststellen musste.-ar-

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