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„Fit for 55“ – Energiebranche sieht Licht und Schatten in den Beschlüssen

Das Klimapaket dürfte die deutsche Energieproduktion weiter stark verändern. Kritik gibt es u.a. am Fokus auf Elektrofahrzeuge und an vielen Einschränkungen für die Holznutzung.

Lesezeit: 9 Minuten

Am Mittwoch hat die EU-Kommission das lang angekündigte „Fit for 55“-Paket vorgelegt. Enthalten sind Vorschläge, wie die EU das neue Klimaziel, die Treibhausgase mindestens um 55 % bis 2030 zu reduzieren, erreichen und den Green Deal verwirklichen will. Kern des vorgestellten Transformationspakets sind sieben Legislativentwürfe – u.a. zur Anpassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, der Energieeffizienzrichtlinie, des EU-Emissionshandelssystems sowie der Energiesteuerrichtlinie. Denn noch immer sind Energieerzeugung, Industrie, Gebäude und Verkehr verantwortlich für rund 75 % der Treibhausgasemissionen in der EU.

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BEE: 40 % sind zu wenig

Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) begrüßt, dass ein umfangreiches Maßnahmenpaket zum Erreichen der erhöhten Klimaschutzziele und der Klimaneutralität auf den Weg gebracht wurde. „Leider werden in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie keine verpflichtenden Ausbauziele auf Ebene der Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, wodurch die immer noch zu niedrigen EU-Ziele abgesichert werden“, bedauert BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter. Laut BEE wäre das 'Fit for 55'-Paket als Hebel für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig. Mit 40 % liege der Anteil aber weiter unter dem notwendigen und machbaren Ziel von mindestens 45 % erneuerbare Energien bis 2030. „So läuft die EU Gefahr, den Klimaschutz und die überfällige Modernisierung der Wirtschaft zu vernachlässigen“, warnt sie.

Kritik an blauem Wasserstoff

Außerdem bestünden an zahlreichen Stellen offene Flanken für die überlange Verwendung fossiler Energien. „Vermeintlich notwendige Brücken wie blauer Wasserstoff und daraus hergestellte synthetische Kraftstoffe zementieren durch zu lange Förderzeiträume ein überkommenes Energiesystem. Aufgrund langfristiger Investitionszyklen und damit verbundener Pfadabhängigkeiten drohen somit nicht nur ökologische, sondern auch enorme ökonomische Risiken, wenn durch weiter steigende CO₂-Preise fossile Energien noch unwirtschaftlicher werden“, bewertet Peter die Beschlüsse. Wichtiger wäre ein stärkerer Fokus auf den direkten Einsatz von eneuerbaren Energien in den Sektoren Gebäude und Verkehr. Das sei in der Regel günstiger und schneller als die Umwandlung in Sekundär- oder Tertiärenergieträger.

Lob für Emissionshandel

Positiv hervorzuheben seien laut Peter die verbindlicheren Festlegungen zur europäischen Zusammenarbeit für länderübergreifende Projekte: „Die Verpflichtung für Mitgliedsstaaten, in Grenzgebieten besser zusammenzuarbeiten und hierfür konkrete Ausbauziele festzulegen, ist zu begrüßen. Denn hier gibt es oft bereits Strukturen auf anderen Ebenen der Kooperation.“ Auch die Rahmenbedingungen für Stromlieferverträge (PPA) würden verbessert und der EU-Emissionshandel (ETS) reformiert. Die CO₂-Bepreisung im Bereich Wärme und Verkehr über den ETS sei eine wichtige Bedingung für fairen Wettbewerb. Gleichzeitig seien für längere Zeit noch THG-Minderungsquoten, Effizienzvorgaben und gezielte Förderprogramme notwendig. „Nun muss die EU die Zukunft mutig in den Fokus nehmen und konkrete Maßnahmen für einen klugen Instrumenten-Mix zur umfassenden und zügigen Minderung von Treibhausgas-Emissionen bis 2030 ausgestalten“, fordert die Präsidentin.

bne: Ambitionierte Teilziele mit Nachbesserungsbedarf

„Die Erwartungen an das Legislativpaket waren hoch und die Kommission hat sich in wichtigen Punkten durchgesetzt. Denn die vorgeschlagenen Teilziele und Maßnahmen sind mitunter ambitionierter als vorab bekannt gewordene Entwürfe erahnen ließen“, erklärt Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne). Die Veränderungen seien nicht einfach, aber dringend notwendig. „Deutlich mehr als angenommen kommt auf Deutschland beim Effort-Sharing in den nicht-ETS-Sektoren zu: Hier sind bis 2030 sogar 38 % Treibhausgasemissionen einzusparen – bisher mussten Wärme und Verkehr lediglich 18 % Reduktion bis 2020 liefern. Das ist ein gewaltiger Sprung und wird eine große Herausforderungen für diese Sektoren werden“, erwartet Busch.

Neu in den Vorschlägen ist laut bne die an den Gebäudesektor gerichtete Vorgabe, bis 2030 mindestens 49 % erneuerbare Energien einzusetzen. Dies soll auch durch die Erweiterung des EU-Emissionshandels um die Sektoren Wärme und Verkehr ab 2026 unterstützt werden. „Mindestens genauso wichtig ist dabei aus Sicht der neuen Energiewirtschaft, die Reform des bestehen Emissionshandelssystem (ETS), die der Integration weiterer Sektoren vorausgehen soll.“

Kritik an den Plänen für die Holzwirtschaft

„Wir begrüßen das Ziel von 40 % erneuerbarer Energie in 2030 auf EU-Ebene ausdrücklich, das klar den Ausbau der nachhaltigen Holzenergie erfordert, besonders für Prozess- und Gebäudewärme“, sagt Bernd Heinrich, Vorstand des Fachverbandes Holzenergie (FVH) im Bundesverband Bioenergie. Jedoch sieht der Verband einige Detailregelungen kritisch, die einem Ausbau der erneuerbaren Energien entgegenstünden. In einem Positionspapier zum Entwurf der RED III kritisiert der FVH die darin zahlreichen neuen Vorschriften für Holzenergieanlagen, darunter Verpflichtungen zur Treibhausgasberechnung und -nachweis für Bestandsanlagen sowie eine deutliche Absenkung der Größenschwelle für die Zertifizierungspflicht. Der FVH-Vorstand bemängelt: „Es ist unverständlich, weshalb die EU-Kommission gerade für kleine bis mittlere Holzenergieanlagen das Leben schwerer macht und neue Kontroll- und Nachweispflichten einführen möchte.“ Regional verankerte, dezentrale Holzenergieanlagen seien gerade im ländlichen Raum eine unverzichtbare Stütze der Energie- und Wärmewende, die als Partner der stofflichen Holzverarbeitung und multifunktionalen Forstwirtschaft regionale Wertschöpfungsketten ergänzen und Stoffkreisläufe schließen.

Der FVH hält aufgrund der strengen deutschen gesetzlichen Regelungen in den Bereichen Forst, Kreislaufwirtschaft und Altholz die Einführung neuer Einschränkungen für die energetische Holznutzung für nicht notwendig und sinnvoll, ebenso die in den Forst- und Biodiversitätsstrategien der EU geplanten Nutzungseinschränkungen für den Wald. „Wenn wir in Deutschland auf produktive Forstwirtschaft und Holznutzung verzichten, führt dies zu Verlagerungseffekten ins Ausland, verbunden mit zusätzlichen Transportemissionen und der Schwächung der heimischen Wertschöpfung und etablierter nachhaltiger Produktionsketten“, so das Fazit von Bernd Heinrich.

Der Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband sieht die geplante Neuauflage der EU-Forststrategie besonders kritisch. Diese soll die Verschiebung nationaler Kompetenzen in Richtung EU zur Stärkung der Biodiversität und die Ausweisung nutzungsfreier Gebiete auf 30 % der Landfläche beinhalten. „Wir weisen immer wieder darauf hin, dass Waldbewirtschaftung, Holzverwendung und Biodiversität Hand in Hand gehen müssen. Die Nutzung von Holz spart nicht nur mehr CO₂ ein, als es im Wald zu belassen, sondern erfüllt gesellschaftliche Bedürfnisse nach nachhaltigem Wohnraum und erneuerbarer Energie, die ihrerseits wiederum Klima und Artenvielfalt beeinflussen“, betont Geschäftsführerin Julia Möbus. Vollkommen unverständlich sei auch, dass mit einer überarbeiteten Verordnung auf den LULUCF-Sektor noch mehr Druck ausgeübt wird: Statt 225 sollen dort bis 2030 nun 310 Mio. t CO₂ durch die Mitgliedstaaten gebunden werden.

Aiwanger befürchtet zu hohe CO2-Preise

Auch die Politik hat die EU-Vorschläge bewertet. Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger sieht Korrekturbedarf vor allem bei den folgenden Punkten:

  • Die zu restriktiven Vorgaben zum europäischen Emissionshandel für Kraftwerke und energieintensive Industrien würden zu einer starken Verringerung der Zertifikatsmenge und damit zu weiter steigenden Preise für die CO₂-Zertifikate führen. Aiwanger: „Die Preise für die CO₂-Zertifikate haben sich innerhalb eines Jahres auf fast 60 €/t verdoppelt. Das belastet nicht nur die Industrieunternehmen, die immer mehr Zertifikate zukaufen müssen, sondern führt auch zu höheren Strompreisen für alle Unternehmen und die Bürger. Diesen Preisanstieg dürfen wir nicht weiter anheizen. Die energieintensiven Unternehmen müssen auf den Weltmärkten konkurrenzfähig bleiben und wir brauchen für die Energiewende, zum Beispiel für die Wasserstofferzeugung, günstigen Strom.“
  • Bei den CO₂-Emissionnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge fordert der Staatsminister weiter Technologieoffenheit und ein Bekenntnis zur individuellen Mobilität. Aiwanger: „Es braucht zwar klare Ziele zur Kohlendioxid-Reduzierung, aber ein Flottengrenzwert für Neufahrzeuge von Null würde die Automobilhersteller dazu zwingen, nur noch batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Die Interessen der Verbraucher an erschwinglicher individueller Mobilität würden hier in keiner Weise berücksichtigt.“ Wichtig wäre es, auch andere saubere Antriebsarten zu unterstützen. Ein moderner Verbrennungsmotor mit synthetischem, nicht-fossilem Biokraftstoff oder grünem Wasserstoff über die Brennstoffzelle sei klimafreundlicher als ein reines Batterieauto mit Kohlestrom aus europäischem Strommix.
  • Aiwanger begrüßt dagegen, dass die Kommission die Bedeutung einer grenzüberschreitenden öffentlichen Wasserstofftankstelleninfrastruktur in der Verordnung zum Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID) aufgegriffen hat. Auch sieht er den Vorschlag positiv, den Anteil nachhaltiger Kraftstoffe für den Flug- sowie Seeverkehr sukzessive zu steigern (ReFuelEU Aviation und FuelEU Maritime). Aiwanger: „Ambitionierte Unterquoten für biogene und strombasierte nachhaltige Flugkraftstoffe in der ReFuelEU Aviation fördern die Entwicklung und den Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe. Um die Wettbewerbsnachteile für die europäische Luftfahrt zu vermeiden, müssen jedoch schnellstmöglich internationale Abkommen zur Nutzung nachhaltiger Flugkraftstoffe eingeführt oder auf eine Entlastung der europäischen Luftfahrt an anderer Stelle geachtet werden.“

Weitere Stimmen

  • Cem Özdemir, Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Grünen-Bundestagsfraktion: „Der angekündigte Ausstieg aus dem Verbrenner ist eine großartige Nachricht für das Klima, aber auch für die Zukunftsfähigkeit unserer Automobilwirtschaft in Deutschland und Europa. Nur wer auf emissionsfreie Technologien setzt, wird in Zukunft Erfolg haben und da gehen wir in Europa nun endlich voran. Die Zielrichtung ist nun vollkommen eindeutig: Der Verbrenner hat ein Enddatum.“
  • Ralf Diemer, Geschäftsführer der eFuel Alliance: „Die Europäische Kommission verpasst gerade eine riesige Chance, die Energiewende zu beschleunigen und erneuerbaren Energien in Form von Strom, Wasserstoff oder eFuels gleichermaßen zum Durchbruch zu verhelfen. Es werden viel mehr Investitionen in erneuerbare Energien aus der ganzen Welt benötigt, wenn die ambitionierten Klimaziele wirklich erreicht werden sollten.“ Die CO₂-Regulierung lasse den Herstellern nur die Wahl zwischen Elektro- oder Wasserstoffautos. Verbrenner mit eFuels seien regulatorisch faktisch ausgeschlossen, weil sie behandelt werden, wie fossile Verbrenner. „Wir appellieren daher dringend dafür, unbedingt neue CO₂-Standards für Neuwagen zu etablieren - und zwar unter Einbeziehung von erneuerbaren Kraftstoffen in die CO₂-Normen. Die reine Elektrofahrzeug-Strategie der Europäischen Kommission ist eine Einbahnstraße, die auf reiner Ideologie beruht.“
  • Katja Leikert und Stephan Stracke, stellvertretende Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Bei der genauen Ausgestaltung des neuen Emissionshandels muss Deutschland darauf achten, dass unser nationaler Emissionshandel möglichst unkompliziert in das neue europäische System integrierbar und auf europäischer Ebene aus Gründen der Wettbewerbsneutralität ebenfalls auf die Prozesswärme abgestellt wird. Bei der Weiterentwicklung der nationalen Klimaschutzinstrumente wird die Kompatibilität eine der Hauptaufgaben der kommenden Jahre sein. Eine Doppel- Bepreisung aus europäischem und nationalem Emissionshandel ist ebenso auszuschließen wie die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Regionen mit niedrigeren Umweltstandards."
  • Andreas Kuhlmann, Geschäftsführer der Deutschen Energieagentur: „Der Vorschlag, 25 % der Einnahmen aus dem neuen Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude im Gegenzug an einkommensschwache Haushalte umzuverteilen, adressiert das Bedürfnis nach sozialem Ausgleich für die durch den Klimaschutz entstehenden Belastungen. Dafür brauchen wir auch ein insgesamt stimmiges Steuer- und Abgabenkonzept, das vielfach in der Kompetenz der jeweiligen EU-Staaten liegt.“

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