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Insektenlarven für Geflügel - Leckere Snacks für die tierische Speisekarte

Insektenprotein ist ein qualitativ hochwertiges Eiweiß-Futtermittel und kann als Ersatz von Soja und Fischmehl zum Einsatz kommen. Das Aminosäureprofil der Larven ist ähnlich dem der Sojabohne.

Lesezeit: 7 Minuten

Die professionelle Insektenzucht ist hierzulande noch ein recht neues Thema, gewinnt aber rasant an Interesse. Vor allem für unsere heimischen Tierhalter bietet sich neben der Geflügel- und Schweinehaltung die Insektenzucht als zukunftsfähiges drittes Standbein an, schreibt Dipl.-Ing. agr. Janett Peschel von Big Dutchman in einem Fachbeitrag für das DGS-Magazin.

Das hat mehrere Gründe:

  • Insektenprotein ist ein qualitativ hochwertiges Eiweiß-Futtermittel und kann als Ersatz von Soja und Fischmehl in der Geflügel- und Schweinehaltung zum Einsatz kommen.

  • Insektenzucht ist als regionale und nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu betreiben.

  • Der hohe Automatisierungsgrad vor allem in der Insektenmast sorgt für einen geringen Arbeitszeitaufwand.

  • Mehr Tierwohl in der Geflügel- und Schweinehaltung durch den Einsatz von Insektenprotein.

Von den mehr als 2.000 essbaren Insektenarten sind nur wenige für eine industrielle Zucht gut geeignet, denn sie sind schwer zu domestizieren. Eine der erfolgversprechendsten Arten ist die schwarze Soldatenfliege (Hermetia illucens).

Durch das Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/1372 der Kommission vom 17. August 2021 zur Änderung des Anhangs IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 ist seit Anfang September 2021 die Verfütterung von bestimmten verarbeiteten tierischen Proteinen (VTP) in Futtermitteln rechtlich wieder zulässig. Dazu zählt unter anderem VTP aus Nutzinsekten.

Das ist eine der entscheidenden rechtlichen Voraussetzungen für den Start in die professionelle Insektenzucht. Insektenlarven als hypoallergenes und nachhaltiges Futter werden allerdings schon länger für Haustiere verwendet.

Anders als bei der Geflügel- und Schweinehaltung ist es infolge der BSE-Krise ist es in der EU jedoch  unverändert verboten, tierische Proteine an Wiederkäuer zu verfüttern.

Aminosäureprofil der Larven ähnlich dem der Sojabohne

Nutztiere benötigen Proteine im Futter. Nur dann können sie ihr Leistungspotential optimal ausschöpfen. So wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2021 knapp 3,6 Millionen Tonnen Soja – überwiegend aus Südamerika – nach Deutschland eingeführt, wovon ein Großteil als Tierfutter in der Nutztierhaltung eingesetzt wird.

Untersuchungen haben ergeben, dass das Aminosäureprofil der Larven der schwarzen Soldatenfliege dem der Sojabohne ähnlich ist und somit für die Ernährung von Schweinen, Geflügel und Fischen gut geeignet ist.

So fanden Forscher im Jahr 2018 heraus, „dass Insektenmehl der schwarzen Soldatenfliege aus ernährungsphysiologischer Sicht geeignet ist, einen beachtlichen Anteil des Sojaextraktionsschrotes im Futter für Masthähnchen und Mastschweine zu ersetzen.“ (Quelle: 08/01/2018 – M. Sc. Susanne Velten und Prof. Dr. Frank Liebert, Georg-August-Universität Göttingen).

Tabelle 1 vergleicht den Aminosäuregehalt von Sojaextraktionsschrot (SES) mit dem der schwarzen Soldatenfliege.

Ausgleich von Defiziten durch synthetische Zusätze

Einzelne Aminosäuren des Larvenmehls wie Cystein und Arginin weisen im Vergleich zum Sojaextraktionsschrot Defizite auf (Abbildung 1), können aber beispielsweise durch synthetische Aminosäuren-Zusätze ausgeglichen werden. Beim Methionin, in der Geflügelernährung die erstlimitierende Aminosäure und wichtig für ein optimales Eigewicht, sind die Anteile hingegen fast identisch.

Für die Bildung von Körpermasse und Muskeleiweiß wiederum ist die Aminosäure Lysin essentiell wichtig. Damit der Lysingehalt im Futter optimal ausfällt, bedarf es also eines Aminosäuren-Zusatzes. Für Futtermittel-Hersteller ist es jedoch ein Leichtes, die Rezeptur entsprechend anzupassen.

Fütterung von Speiseabfällen in der Geflügel- und Schweinehaltung bisher nicht zugelassen

Die Nahrungsgrundlage von Insekten ist vielfältig. Sie stellen an ihr Futter nur geringe Ansprüche. Da Insekten als Nutztiere klassifiziert sind, unterliegen sie der Nutztierhaltungsverordnung. Das heißt sie dürfen derzeit nicht mit Küchen- oder Speiseabfällen sowie anderen Substraten aus Reststoffen gefüttert werden.

Eingesetzt werden dürfen also nur zugelassene Futtermittel wie beispielsweise Weizenkleie, Roggenschrot oder Maissilage. Dies mindert derzeit noch die Konkurrenzfähigkeit von Larvenmehl gegenüber importiertem Soja. Im Sinne der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft wäre es jedoch wünschenswert, wenn Lebensmittelabfälle als Futtergrundlage für Insekten zugelassen wären.

Die Internationale Plattform Insekten für Lebens- und Futtermittel (IPIFF) fordert hierzu in Brüssel schnellere Fortschritte. Laut der „Farm to Fork“-Strategie machen die in der EU anfallenden Lebensmittelabfälle „etwa sechs Prozent der gesamten EU-Emissionen“ aus. Hier kann und will die Insektenproduktion einen wirksamen Beitrag zur Reduzierung dieser Emissionen leisten. Denn erst wenn echte Alternativen und nicht nur die zugelassenen Futtermittel als Futter für Insekten einsetzbar sind, findet keine „doppelte Proteinumwandlung“ mehr statt.

Zudem wäre es hilfreich, wenn diese junge Produktionsrichtung in die EU-Agrarförderung in Brüssel aufgenommen werden würde. Was ebenfalls für Insekten spricht: Anders als in der Geflügel- und Schweinehaltung werden keine Medikamente in der nur kurzen Mastdauer von sieben Tagen verabreicht.

Unkomplizierte Aufzucht und Mast der Larven

Die Aufzucht und vor allem Mast von Insektenlarven sind kein Hexenwerk: Es kann auf bereits in der Tierhaltung bewährte Techniken zurückgegriffen werden. Die Anlagen sind in der Größe unkompliziert skalierbar und vorhandene Gebäude wie beispielsweise ehemalige Stallungen können umgenutzt werden.

In der Schweinehaltung seit Jahrzehnten bewährt, kommt als Fütterungstechnik die (in wichtigen Punkten anzupassende) Flüssigfütterung zum Einsatz – computergesteuert und mit digitalen Auswertungsprogrammen versehen. Entscheidend ist, dass die Partikelgröße im Futterbrei mit ein bis zwei Millimetern deutlich geringer ausfällt ist als in der Schweinehaltung.

Ferne wäre die Technik so anzupassen, dass der Landwirt eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Futtermitteln problemlos einsetzen kann. Daneben wird mit deutlich höheren Trockensubstanzgehalten gearbeitet.

Ähnlich verhält es sich mit den Klimakammern, in denen die Larven innerhalb einer Woche ihr Gewicht um das 250-fache(!) vergrößern bei einer Futterverwertung von 1: 1,1 bis 1,3. Auch hier steuert ein bewährter Klimacomputer Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Zu- und Abluft sowie die Heizung. Und auch in diesem Fall sind einige wesentliche Dinge zu beachten: Stimmen Temperatur und vor allem die Ventilation nicht, kann es passieren, dass sich die Larven nicht optimal entwickeln; im schlimmsten Fall klettern sie unkontrolliert aus ihren Futterkisten.

Je mehr Klimakammern, desto effizienter die Larvenmast

Der Einsatz eines Wärmetauschers ist zu empfehlen. So können bis zu 50 % der Abwärme zurückgewonnen werden. Um die erntereifen Larven von ihrem Nährsubstrat, dem sogenannten Fraß, zu trennen, kommt Robotertechnik zum Einsatz. Dazu greift der Roboterarm die auf einer Palette gestapelten Kisten und schüttet sie über einem Sieb aus.

Gleichzeitig werden die leeren Kisten wieder mit Futterbrei und Junglarven befüllt und auf eine Palette zurückgestapelt, die dann für eine Woche in der Klimakammer verbleibt. So können etwa 150 t Larven je Klimakammer und Jahr produziert werden. Der abgesiebte Fraß kann als wertvoller organischer Dünger zur Bodenverbesserung oder in der Biogasanlage eingesetzt werden.

Betrachtet man die Kostenaufteilung, so entfallen neben den Kosten für die Jungtiere (45 %) als zweiter großer Kostenfaktor etwa 33 % auf das eingesetzte Futter. Hier ist also noch Einsparpotential vorhanden indem die Futterpalette erweitert wird.

Mehr Tierwohl in der Geflügel- und Schweinehaltung

Insekten gehören zur natürlichen Nahrung von Wildtieren. Deshalb verwundert es nicht, dass der positive Einfluss von Insektenprotein auf unsere domestizierten Nutztiere, zu denen Schweine und Geflügel gehören, in diversen Studien unabhängiger Forschungseinrichtungen bereits nachgewiesen wurde.

So führt laut einer Studie der Universität Wageningen (Kar et al., 2021) zur Darmgesundheit die Aufnahme von Insektenmehl zu einem reichen Darm-Mikrobiom und damit zu einem „gesunden Darm“ bei Mastschweinen. Eine Verdaulichkeitsstudie der Universität Guelph (Crosbie et al., 2020) fand heraus, dass Mastschweine die meisten Aminosäuren in Insektenmehl ähnlich oder besser als Sojamehl verdauen.

Eine Fütterungsstudie der TH Bingen (Schneider & Dusel 2023, unveröffentlicht) wiederum ergab, dass Insektenmehl in der Hähnchenmast bis zu einem Anteil von 7,5 % an der Gesamtration ohne Leistungseinbußen blieb. Legehennen und auch Schweine schätzen lebende Larven als willkommenen Snack; zudem dienen sie wie auch in der natürlichen Umgebung der Beschäftigung. Bei Legehennen kann der Einsatz lebender Larven bei gelegentlich auftretendem Federpicken Abhilfe schaffen.

Fazit

Insekteneiweiß ist in der Geflügel-, Schweine- und Heimtierhaltung als alternative Proteinquelle vielseitig einsetzbar. Aufgrund der guten Verdaulichkeit und des mit Sojaextraktionsschrot vergleichbarem Aminosäuremusters von Insekten kann die Insektenzucht einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz leisten, da sie den wenig nachhaltigen Sojaimport deutlich reduziert.

Für unsere heimische Landwirtschaft bedeutet dies angesichts immer weniger landwirtschaftlich genutzter Flächen eine Investition in die platzsparende Proteinproduktion und damit in eine zukunftsweisende Proteinversorgung unserer Nutztiere und auch der Weltbevölkerung.

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