Eine Analyse von Dr. Theo Göbbel von der Landwirtschaftskammer NRW:
Dass es so schlimm kommen würde und so schnell, hätte niemand gedacht. Der holländische Milchverarbeiter Drents-Overijsselse Coöperatie (DOC) hat bereits im Oktober nur noch 29,25 Cent/kg als Grundpreis bezahlt. Das Deutsche Milchkontor wird für die Dezember-Milch 29 Cent/kg bei 3,4 % Eiweiß und 4 % Fett überweisen.
Zu viel Milch weltweit, volle Läger in China und stockende Nachfrage: Die wenige Prozent zu viel Milch drehen den gesamten Markt nach unten. Bis Anfang November galten noch die alten Kontrakte mit dem Lebensmitteleinzelhandel, aber seither sind auch hier die Preise massiv unter Druck.
Alle melken weiter
Dabei ging es 2013 einige Monate lang nach oben, so dass bis Anfang 2014 noch um die 40 Cent/kg gezahlt wurden. Seither fallen die Preise monatlich um etwa 1 Cent. Vielfach haben die guten Preise in den vergangenen Monaten nicht ausgereicht, Rücklagen zu bilden. Solange in den „Gunstregionen“ der Milchproduktion das Wetter mitspielt, wird überall in der Welt weiter gut gemolken. Trotz drohender Superabgabe ist von „Bremsen“ bisher wenig zu spüren.
Das vergangene Jahr hat auch gezeigt, wie schnell und wie stark die Milchproduktion überall nach oben gefahren werden kann – wenn der Preis stimmt. Dann schöpft jeder Landwirt alle Möglichkeiten aus, so dass in ganzen Regionen „über Nacht“ 7 bis 10 % mehr Milch gemolken werden. Das ist selbst für die starke Nachfrage aus China zu viel. Viele befürchten sogar eine Neuauflage der Situation von 2009, als die Tiefstpreise sogar einige Monate lang bei 23 Cent lagen. Für alle diejenigen, die im August 2015 eine Superabgabe von 20 Cent und mehr bezahlen müssen, eine schwierige Lage.
Verlorene Jahre
Das Jahr 2015 bringt Ungewissheit. Zwar kann die Milchproduktion etwas heruntergefahren werden, aber am Ende bringt ein leerer Kuhstall auch kein Geld. Wenn nicht irgendwo in der Welt eine Wetterkapriole das Angebot beschränkt oder gesellschaftliche und politische Unruhen die Großwetterlage bestimmen, kommt es vor allem auf die Nachfrage aus China an. Dort entscheidet sich, ob und wann die Preise wieder steigen. Möglicherweise öffnet Russland bald wieder die Grenzen, denn dort müssen in einigen Teilmärkten etwa 50 % der Nahrungsmittel importiert werden.
Ohne ausreichende Exporte kann es kein Marktgleichgewicht geben. Selbst wenn die Nachfrage in Deutschland und Europa um 1 % steigen würde, reichte das nicht, um die derzeitige Mehrproduktion von 3 bis 4 % aufzufangen. Langfristig aber ist die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten weltweit gesehen größer als das Angebot. Es gibt nur wenig Gunststandorte für die Milchproduktion und nur wenige Exportregionen: Neuseeland, Europa sowie die USA. Allmählich sind hier die Steigerungen ausgereizt.
Die Möglichkeiten in Osteuropa und Russland werden seit Jahren nicht genutzt – trotz politischer und wirtschaftlicher Unterstützung. Langfristig wird sich ein Gleichgewicht einstellen. Zunächst aber sind die kommenden zwei Jahre, 2015 und auch 2016, sowohl für die Milchbauern als auch die Molkereien „verlorene Jahre“, denn damit der Milchpreis nicht zu tief fällt, sind die Molkereien genauso wie die Landwirte gezwungen, ihre Investitionen zurückzustellen.
Wie tief sinkt der Preis?
Die Tiefpreise halten möglicherweise bis Herbst 2015 an. Dann droht den „Turbomelkern“ auch noch die Zahlung der Superabgabe.
Damit bleibt das Ende der Milchquote für alle Überlieferer in denkbar schlechter Erinnerung. Dabei ist die jetzige Verwerfung des Marktes nicht nur eine Folge des Quotenausstiegs. Die Preisschwankungen waren auch in den letzten „Quoten-Jahren“ gewaltig. Ein Preisunterschied von 10 Cent ist inzwischen normal. Jetzt kommt es für alle Milcherzeuger darauf an, dass man nicht „auf dem falschen Fuß erwischt wird“ und nicht „erpressbar“ ist: Die Nagelprobe wird in den nächsten Jahren gemacht. (aus dem Sonderteil "Märkte 2015" im Wochenblatt Westfalen-Lippe)
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