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topplus Saisonalität und Weidehaltung

Einen Monat melkfrei

Matthias und Wiebke Icken führen ihren Milch­vieh­betrieb Nahe der Nordseeküste auf die neuseeländische Art. Von Januar bis Mitte Februar stehen alle Kühe trocken.

Lesezeit: 6 Minuten

An Heiligabend beginnen wir mit dem Trockenstellen. Bis Silvester melken wir alle unsere Kühe nur noch einmal  am Tag. Im neuen Jahr werden alle Kühe noch einmal am 2. und einmal 5. Januar gemolken, und ab 6. Januar stehen alle Kühe trocken – und zwar alle 220“, erzählt Matthias Icken. Der 51-Jährige führt gemeinsam mit seiner Familie einen 220 ha-Naturlandbetrieb mit 220 Milchkühen und 80 bis 100 Schweinen in Offenstall­haltung in Sievern im Landkreis Cuxhaven an der Nordseeküste.

Schnell gelesen

Familie Icken hat sich in der Milch­viehhaltung für das neuseeländische ­Modell entschieden und setzt dieses ­konsequent um.

Von Anfang Januar bis Mitte Februar stehen alle 220 Kühe trocken.

Die Kühe kalben zwischen Mitte ­Februar und Ende März, das heißt 220 Kälber in sechs Wochen.

70 weibliche Kälber werden jedes Jahr aufgezogen und von 30 Ammen­kühen versorgt.

Zum neuseeländischen Modell gehört außerdem die konsequente Weidehaltung Tag und Nacht.

Seit sie sich das neuseeländische Modell vor einigen Jahren „in echt“ angeschaut haben, setzen sie konsequent auf diese alternative Art der Milchviehhaltung. Dazu gehört nicht nur die saisonale Abkalbung, sondern auch die konsequente Weidehaltung, Tag und Nacht.

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Wenn die Witterung es zulässt, startet die Weidesaison bereits im Februar. 55 ha Grünland liegen arrondiert um den Kuhstall am Ortsrand von Sievern. Die Marschwiesen – das sind ebene, sehr fruchtbare Gebiete die aus angeschwemmten Sedimenten bestehen und etwa auf Höhe des Meeresspiegels liegen – bieten qualitativ gutes Futter. 

Stressige Zeit

Die Abkalbesaison startet Mitte Februar und bis Ende März haben alle Kühe ihre Kälber geboren. Mit Beginn der Kalbezeit teilen Ickens die Herde in fünf Gruppen: Trockensteher, Abkalbegruppe, Frischmelker, Melkende und Ammenkühe mit weiblichen Kälbern.

Die ersten melkenden Kühe gehen in den meisten Jahren bereits ab Mitte Februar auf die Weide, die letzten Trockenen ab Ende März bei ­richtig gutem Wetter. „Die letzten Kalbungen sind dann auch draußen“, erklärt ­Matthias Icken.

In nur sechs Wochen werden 220 Kälber geboren – für viele Milchbauern klingt das erst mal nach „geht nicht“. „Klar, die Abkalbewochen sind eine stressige Zeit. Aber wir gehen dafür recht ausgeruht in die Abkalbesaison“, sagt der Landwirt. „Passt die Kälbergesundheit, ist die Arbeit gut zu schaffen und die Kälber sind in den meisten Jahren fit.“

30 Ammenkühe

Die ersten 70 weiblichen Kälber ziehen Ickens auf. Dazu steht eine Herde von rund 30 Ammenkühen bereit – „erfahrene Muttertiere, keine Erstkalbinnen“, so der Betriebsleiter. Zweimal am Tag ist Tränkezeit.

Die Mutterkälber und die Ammenkühe haben jeweils ihren eigenen Stallbereich. Die Gesundheitskontrolle der Kälber ist so einfacher. „Und um die Eutergesundheit im Blick zu haben, gehen die Ammenkühe in den ersten Säugetagen  mit durch den Melkstand“, erklärt der Milcherzeuger. Drei bis vier Monate bleiben die Kälber bei den Ammen. Feste Beziehungen gibt es da nicht. Zu den Tränkzeiten suchen sich die Kälber das erste erreichbare Euter.

Die Bullenkälber kommen zuerst in Einzelboxen und ziehen dann in Zweier-WGs um. Getränkt mit Vollmilch, bleiben sie vier Wochen am Betrieb. Milchviehbullenkälber sind schwer zu vermarkten. Die Einkreuzung kleiner Rassen tut ihr Übriges. Für die Rindfleischvermarktung über den eigenen Hofladen kreuzen die Landwirte deshalb Angus ein.

Möglichst schnelle Trächtigkeiten

Im Mai und Juni erfolgt die Belegung der Kühe. Damit die Kühe möglichst früh im Jahr auf die Weide können, „verkleinern“ Ickens ihre Herde und kreuzen gezielt Jersey und schwarzbuntes Niederungsrind ein. Beide Rassen sind leichter sowie kleiner und damit trittfester. Sie gelten auch als gute Gras­verwerter.

Besamt wird nur die ersten sechs Wochen mit 100 Portionen Jersey- oder Schwarzbunt-Vererbern, der Rest ist Angus-­Sperma. Außerdem laufen drei Deckbullen in der Herde, eine Dreirassenkreuzung aus Braunvieh, Holstein und Viking Red.

„Die saisonale Abkalbung erfordert unterm Strich weniger Arbeitszeit.“
Matthias Icken

Gesextes Sperma setzen Ickens nicht mehr ein, weil die Trächtigkeiten bei der ersten Belegung zu schlecht waren. „Bei der saisonalen Abkalbung ist entscheidend, möglichst viele Trächtigkeiten im ersten möglichen Zyklus zu erreichen“, macht der 51-Jährige deutlich. Das Verhältnis männliche zu weibliche Kälber ist deshalb wie es der Natur entspricht – in der Regel ­etwas mehr „Jungs“.

So sehen Matthias und Wiebke Icken in erster Linie die Vorteile der neuseeländischen Variante. „Die Tränkezeit ist spätestens Ende April vorbei. Der Stall ist im Sommer leer, weil alle Tiere auf der Weide sind. Beides spart unter dem Strich Arbeits­zeit ein“, so ihre Ein­schätzung.

Melkroboter geht nicht

Zum Melken kommen die Kühe in den Stall. Aktuell melkt eine Person in einem Doppel-10er-Melkstand morgens und abends jeweils drei Stunden. Zwei Melker sind in Teilzeit angestellt. Um die Melkzeiten zu verkürzen, ist ein Melkkarussell geplant. „Noch einfacher wäre ein Melkroboter, aber Melkroboter in Kombination mit saisonaler Abkalbung und Weidehaltung passt nicht gut zusammen und ginge nur mit großem technischem Aufwand“, meint Matthias Icken.

Als Heumilch-Betrieb bekommen die  die Kühe im Winter ausschließlich Heu aus der Heutrocknung zum Fressen. Die Heutrocknung befindet sich in einer großen Halle neben dem Kuhstall. Die nötige Energie stammt aus der eigenen PV-An­lage, außerdem wird heiße Luft vom Dach abgesaugt, mit der dann das Gras getrocknet wird. Mithilfe eines Krans wird das Heu in den Futtermischwagen geladen und dann als TMR vorgelegt. Seit in einem der Dürrejahre das Futter knapp wurde, liegt aber zumindest für das Jungvieh ein Grassilo auf Vorrat.

Die abgelieferte Milchmenge liegt bei 5.500 bis 6.000 kg pro Kuh mit 4,28 % Fett und 3,53 % Eiweiß. Hinzu kommen weitere 100.000 kg, die als Kälbermilch und für die Verkäsung be­nötigt werden. Das Durchschnittsalter der Milchkühe liegt bei 6,5 Jahren. Seit Juli 2023 haben Ickens einen Abnahmevertrag mit der Molkerei Ammerland. Die Molkerei sucht Lieferanten für den Ausbau der Bioschiene. Der Lieferausfall im Januar/­Februar ist für die Molkerei kein Problem. 

Im Januar frei

Bleibt noch die Frage, warum Ickens überhaupt auf das neuseeländische Modell umgestellt haben? Weil sie gerne andere, neue Wege gehen! Zum Beispiel bewirtschaften sie ihre Flächen seit mehr als 20 Jahren pfluglos und betreiben aktiven Humusaufbau. „Aber eigentlich wollte ich im Januar frei haben“, schmunzelt Matthias Icken. „Genau wie meine Frau, die den Hofladen seit seiner Eröffnung jedes Jahr im Januar geschlossen hält.“

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