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So erlebt Landwirtstochter Marietheres Kleuter die Klimakonferenz in Dubai

Marietheres Kleuter vertritt die Landjugend bei der Weltklimakonferenz in Dubai. Wir sprachen mit der Landwirtstochter über ihre Eindrücke, Kritik am Gastgeber und die Rede des Bundeskanzlers.

Lesezeit: 8 Minuten

Noch bis zum 12. Dezember kommen mehr als 80.000 Teilnehmer aus der ganzen Welt im Rahmen der UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai zusammen. Sie ringen um die Ziele beim Klimaschutz, die Bedeutung von Sektoren wie der Landwirtschaft und neue Selbstverpflichtungen zum Einsparen von Klimagasen.

Eine der Teilnehmerinnen ist Marietheres Kleuter, die in einer Delegation die Interessen der deutschen Landjugend auf dem Gipfel vertritt. Wie sie die Konferenz und die Diskussionen rund um die Landwirtschaft erlebt, schildert uns die Agrarierin aus Nordrhein-Westfalen in diesem Interview.

Eine riesige Veranstaltung, meiner Meinung nach zu groß

Frau Kleuter, Sie gehören zu den Delegierten der Landjugend bei der UN-Klimakonferenz, die noch bis zum 12. Dezember in Dubai stattfindet. Wie darf man sich eine solche Konferenz vorstellen?

Kleuter: Die COP ist eine riesige Konferenz, an der Leute aus der ganzen Welt zusammenkommen und über den Umgang mit der Klimakrise sprechen. Hier sind sowohl Delegationen eines jeden Landes, als auch beobachtende Nichtregierungsorganisationen NGOs sowie Unternehmen vertreten.

NGOs und Vertreterinnen aus der Wirtschaft versuchen in „Bilaterals“ über den Status der Verhandlungen aufgeklärt zu werden und diese mit zu beeinflussen. Neben Verhandlungen finden auch viele „Side Events“ statt, vor allem kurze Vorträge und Podiumsdiskussionen, durch welche sich die Teilnehmenden der Konferenz weiter fortbilden und vernetzen können.

Was führt Sie nach Dubai? Und welche Eindrücke nehmen Sie mit nach Hause?

Kleuter: Die KLJB nimmt seit 2018 an den Klimakonferenzen als beobachtende Nichtregierungsorganisation teil. Jedes Jahr delegiert sie zwei oder mehr junge Erwachsene, die die Interessen der Jungend vom Land vertreten.

Im Namen der KLJB steht das „L“ für Landwirtschaft, weswegen wir es uns dieses Jahr zum Auftrag gemacht haben, intensiver an landwirtschaftlichen Verhandlungen teilzunehmen. Da ich auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im Münsterland aufgewachsen bin und nun in dem Bereich Pflanzenzüchtung promoviere, ist das Thema Landwirtschaft und Ernährung mein Interessengebiet, welches ich somit hier aktiv verfolgt habe.

Als Eindrücke nehme ich mit: Eine riesige Veranstaltung, meiner persönlichen Meinung nach zu groß, da es genug Menschen auf dem Gelände gibt, die nicht aktiv an Verhandlungen teilnehmen, was das eigentliche „Kerngeschäft“ der COP ist.

Zeitgleich gibt es klare Ungleichheiten in der Form der teilnehmenden Personen. Während dieses Jahr die Vereinigten arabischen Emirate, Brasilien und China die größten Delegationen schicken, sind Länder wie Nigeria, Eritrea, Lichtenstein und Moldawien mit weniger als acht Leuten vor Ort vertreten. Zeitgleich sind mehr als 60 % männlich.

Und mit mehr als 2.500 Personen, die für fossile Brennstoffe lobbyieren, gibt es ein ungleiches Machtverhältnis. Dies führt dazu, dass die Länder, die bereits unser Weltgeschehen bestimmen, auch auf der COP über mehr Macht verfügen und diese ggf. noch ausbauen, während die am stärksten Betroffenen unterrepräsentiert sind.

Wie haben Sie die Diskussionen um das Thema Landwirtschaft erlebt?

Kleuter: Für das Thema Ernährung und Landwirtschaft wurde auf der letzten COP ein Arbeitsprogramm ins Leben gerufen. Zu diesem Arbeitsprogramm sollten mehrere Workshops gehören, welche spezifische Unterthemen beinhalten und hierzu unter anderem „Best practise“ Beispiele anführen oder Definitionen von Begriffen wie regenerative Landwirtschaft, smart-agricultural-practises, etc. formulieren. Aus diesen Workshops entstehen dann im Regelfall UN-Beschlüsse, welche dann in die Gesetzgebung der einzelnen Ländern eingefügt werden.

Was waren die Streitthemen? Wo gab es Einigkeit? Gab es Punkte, die Sie überrascht oder sogar geärgert haben?

Kleuter: Ich bin enttäuscht darüber, dass die Form und der Inhalt des Arbeitsprogrammes nicht beschlossen wurde, da es keine Einigung auf die Struktur dieses Programmes gab. Mit der Struktur ist gemeint, wie dieses Arbeitsprogramm koordiniert wird, wer in diesem Koordinierungsteam sitzt und wie oft sich dieses trifft.

Die zwei Fronten waren Länder aus dem globalen Norden und die G77 Staaten (unter anderem afrikanische und südamerikanische Länder) plus China. Positiv überrascht war ich aber davon, dass wir jungen Menschen aus NGOs (diese werden koordiniert über das sogenannte YOUNGO Netzwerk) die Chance hatten, mit vielen Verhandlerinnen direkt zu sprechen, diesen unsere Meinung kundzutun und somit am Verhandlungsgeschehen teilnehmen konnten.

Einige Länder haben uns hier besonders viel Gehör geschenkt und auch unsere Argumente aktiv mit in die Verhandlungen implementiert, was unsere Arbeit somit ganz klar unterstrichen hat. Darüber hinaus haben wir über die KLJB an einigen Bilaterals mit Politikerinnen aus Deutschland teilgenommen. Hier war es immer wieder gut zu merken, dass unsere deutschen Politiker daran interessiert sind, was die Jugend denkt und wie man sich gegenseitig am besten unterstützen kann.

Gerade junge Menschen aus ländlichen Räumen werden oftmals nicht beachtet

Wie schlagen Sie die Brücke von der Konferenz in Dubai zum landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Familie im Münsterland? Welche Tragweite haben die Diskussionen und möglichen Beschlüsse für praktische Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland?

Kleuter: Aktuell wird in Dubai noch über den Global Stocktake (globale Bestandsaufnahme) diskutiert. Hier wird auf jedes einzelne Land geschaut und kontrolliert, welche Maßnahmen es in den Jahren 2015 bis jetzt im Bereich Klimaschutz getätigt hat.

Im Rahmen der Bestandsaufnahme werden auch weitere Implementierungen formuliert. Wenn Landwirtschaft und Ernährung als eigene Kategorie angeführt werden, zwingt es die Länder dazu, auch diese Bereiche aktiver umweltpolitisch zu führen.

Wenn im Bereich Landwirtschaft und Ernährung Beschlüsse zustandekommen, müssen diese in das deutsche bzw. das EU-Recht implementiert werden. Hierbei geht es nicht darum, weitere Vorschriften für die Landwirtinnen und Landwirte zu generieren, sondern jene bei dem Umbau hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft zu unterstützen. Dies erfolgt dann mittels stattlicher Startfinanzierung, aber auch mittels Finanzierungen von Banken. Letztere sind leichter zu erhalten, wenn Banken die Notwendigkeit und die Erfolge für nachhaltige Entwicklungen der Betriebe wahrnehmen und somit jene aktiv fördern.

Diese Finanzierungshilfen sind besonders für junge Landwirtinnen und Landwirte essenziell. Darüber hinaus ist es relevant, so früh wie möglich Entscheidungen zu treffen, damit ein planbarer Wandeln in der LW stattfinden kann.

In Deutschland gab es auch Kritik an der Konferenz. Insbesondere die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz sorgte hierzulande für ein gemischtes Echo. Wie haben Sie die Rede erlebt?

Kleuter: Zuerst einmal bekommt man solche Reden nicht direkt mit. Die Räumlichkeiten haben nur begrenzte Plätze, sodass oftmals NGOs keine Chance haben bei Beiträgen von Regierungschefs dabei zu sein.

Auf dem Gelände merkt man vor allem, dass es relevant ist, dass Regierungsentscheider aller Länder vor Ort sind, um den Schulterschluss mit den Ländern aufzubauen, die unsere Hilfe und Unterstützung am nötigsten haben.

Die Regierung muss jegliche Subventionen und Finanzierungen in dem Sektor der fossilen Brennstoffe streichen

Inhaltlich war es wichtig, dass die Rede des Bundeskanzlers den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen verlangt! Dies ist ein essenzielles Signal. Relevant ist hier aber auch, dass die Regierung diese Rolle selbst einnimmt und somit jegliche Subventionen und Finanzierungen in diesem Sektor streicht. Zudem fehlt ein klares Bekenntnis des Kanzlers, sich an der High-Amibition Koalition zu beteiligen. Dies ist relevant, um weiterhin Druck in der Bekämpfung der Klimakrise aufzubauen, sowohl innerhalb der eigenen Regierung als auch auf andere Staaten.

Wie glaubwürdig erscheinen Ihnen die Vereinigten Arabischen Emirate als Ausrichter der Klimakonferenz?

Kleuter: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Da der Präsident zugleich CEO des staatlichen Ölkonzerns ist, ist seine Rolle hier sehr kritisch zu betrachten. Auch ist zu hinterfragen, ob die COP der richtige Ort ist, um weitere Verträge rund um Öl und Gas abzuschließen sowie die Wissenschaft anzuzweifeln.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass die COP als UN-Gremium in unterschiedlichen Ländern stattfindet. Der Austragungsort wechselt immer zwischen fünf definierten Ländergruppen, so dass Dubai als Austragungsort für die Ländergruppe asiatischer Länder ausgewählt wurde. Was nicht vergessen werden darf, Dubai ist für Menschen aus vielen Ländern verhältnismäßig gut zu erreichen, besonders für Menschen aus Afrika ist die Anreise „verhältnismäßig günstig“.

Was nehmen Sie ganz persönlich von Ihrer Zeit in Dubai mit? Gibt es Dinge, die Sie jetzt in ihrem persönlichen bzw. betrieblichen Alltag anders handhaben werden?

Kleuter: Auf meine direkte Arbeit in meiner Promotion wird die COP keine Auswirkungen haben, da meine Forschungsfrage bereits klar definiert ist und die letzten Versuche laufen. Doch wenn ich daran denke, wo es nach meiner Promotion hingehen kann, bin ich der festen Überzeugung mich mehr mit dem Thema Kreislaufwirtschaft zu beschäftigen, da ich dies als unabdingbar ansehe, sei es in der Forschung, der Wirtschaft oder der Politik.

Ich sehe mich durchaus darin bestätigt, dass es wichtig ist seine eigenen Interessen stark zu vertreten. Gerade junge Menschen aus ländlichen Räumen werden oftmals nicht beachtet, wenn politische Entscheidungen anstehen. Hier bin ich auf jeden Fall motiviert, Mitmenschen um mich herum anzuspornen, es mir gleich zu tun. Denn wenn man einmal einen Fuß in der Tür hat, kann man durchaus sehr viel bewegen. Gleichzeitig bin ich enttäuscht, dass auch auf der politischen Weltbühne drastische Machtspiele stattfinden. Dies sorgt dafür, dass ich für mich evaluieren muss, auf welcher Ebene ich mich engagieren möchte.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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