Wie am Montag berichtet, hat Staatssekretär Peter Bleser die aktuelle Studie des Thünen-Instituts zur Hofabgabeklausel als Beleg für die „positiven Auswirkungen der Regelung auf die Agrarstruktur“ herangeführt. Das ist vielen top agrar-Lesern, denen die Klausel schon lange ein Dorn im Auge ist, sauer aufgestoßen. Sie werfen dem CDU-Politiker vor, die Aussagen der Studie im Interesse der Bundesregierung umgedreht zu haben. Schauen wir uns daher den Text im Original an:
Info für Außenstehende: Ein Landwirt muss nach Erreichen des Rentenalters seinen Betrieb abgeben oder vererben, wenn er eine Rente aus der Alterssicherung der Landwirte (AdL) beziehen möchte.
Freiwillig auf 435 € Rente verzichten
Ziel der Untersuchung von Dr. Peter Mehl war es zu prüfen, welche agrarstrukturellen Wirkungen die Hofabgabeklausel (HAK) hat und welche Folgen eine mögliche Abschaffung nach sich ziehen würde.
Der Analyst schaute sich dazu u.a. den Kreis der Landwirte im Rentenalter an, die unter Verzicht auf Altersrente weiterwirtschaften. Dabei zeigte sich, dass rund ein Viertel der Unternehmer die Wartezeit von 15 Beitragsjahren erfüllt hatte (im Durchschnitt 33,5 Jahre) und damit für 2012 einen monatlichen Rentenanspruch von 434,61 Euro gehabt hätten, wenn sie denn aufgehört hätten. Sie bewirtschafteten im Schnitt 51,1 ha.
Wer finanziell abhängig ist vom Hof, will nicht abgeben
Anschließend interessierte das Thünen-Institut, welche Landwirte gerne abgeben und welche sich schwer tun, denn das Thema wird ja auch unter den Landwirten heftig diskutiert. Dabei spielt zunächst die Wirkung der Hofabgaberegelung eine Rolle:
- Je höher die bevorstehende Rente ist, umso stärker setzt die Hofabgabeklausel den Landwirt unter Druck.
- Je abhängiger der Landwirt finanziell vom Betrieb bzw. möglichen Pachteinnahmen ist, umso geringer ist seine Bereitschaft, den Hof frühzeitig oder mit Erreichen der Regelaltersgrenze abzugeben.
Klausel zwingt oftmals zu lange gefürchteter Entscheidung
Was die Forscher auch ganz klar belegen konnten ist die Tatsache, dass der Zwang, sich mit dem Rentenbezug und der Hofabgabeklausel zu beschäftigen, auch häufig eine Entscheidung über die Zukunft des Betriebes bedeutet. Vermutlich würde die Diskussion über eine Weitergabe oder Aufgabe des Hofes sonst unendlich hinausgezögert, lässt das Gutachten durchblicken. Erstmals müssen sich die Betriebsleiter mit dem Thema Ruhestand und Betriebsweitergabe bzw. –aufgabe auseinanderzusetzen, so das Thünen-Institut, das damit ein wichtiges Anliegen der Politik bestätigt.
Laut Dr. Mehl gibt es aber auch eine deutlich geringere Zahl an Experten, die die strukturpolitische Wirkung der Klausel und deren nachteilige Folgen für einen Teil der auslaufenden Betriebe bestreitet. Seine Untersuchung hat ergeben, dass die Regelung auf Höfen, die auslaufen oder die nicht wissen, wie es weitergehen soll, eine große Rolle spielt und diskutiert wird. Auf wachstumsorientierten Zukunftsbetrieben sei das Thema Hofabgabeklausel dagegen gar kein Thema.
Das Phänomen der Abgabe an ein Kind, ohne dass dieses im Betrieb mitarbeitet und sich an der Bewirtschaftung des Betriebes etwas ändert (sogenannte „Scheinabgaben“, deren Existenz allerdings aus juristischer Perspektive bestritten wird), wird von nahezu allen Experten bestätigt, aber vom Umfang her sehr unterschiedlich eingeschätzt, so Dr. Mehl weiter. Die Bandbreite der Schätzungen ist seinen Erhebungen nach enorm groß und reicht von „es gibt keine Scheinverpachtungen“ bis zu „80 % aller Betriebe ohne Nachfolger“.
„Ohne Klausel wirtschaften viele Auslaufbetriebe bis zum Ende weiter“
In seiner Beurteilung kommt der stellvertretende Institutsleiter weiter zu der Einschätzung, dass bei einer Abschaffung der HAK zu erwarten ist, dass ein bestimmter Anteil der auslaufenden Betriebe nicht mit Erreichen der Regelaltersgrenze verpachtet oder verkauft, sondern weiterbewirtschaftet wird. „Mit einiger Sicherheit wird dies bei den Betrieben der Fall sein, in denen schon bisher nur wegen des Rentenbezugs abgegeben wurde, ohne dass sich an der Bewirtschaftung des Betriebs etwas geändert hat“, so Dr. Mehl.
Der begrenzende Faktor für die Dauer der Weiterbewirtschaftung ist die nachlassende Gesundheit bzw. Leistungsfähigkeit im Alter. Durch die Erhöhung des Aufgabealters der oben genannten Gruppe wird sich der Strukturwandel auf der Betriebsebene verlangsamen.
Die Flächen dieser Betriebe sind für die Wachstumsbetriebe nicht auf Dauer verloren, sondern kommen dann verzögert auf den Pachtmarkt. Nach einer einmaligen Moratoriumsphase im Gefolge der Abschaffung der HAK wird der Pachtmarkt wieder kontinuierlich beliefert. Die regionalen Folgen hängen in erster Linie vom Pachtpreisniveau ab.
Landwirte als Selbstständige im Alter benachteiligt
Im Kapitel „Sicherungsfunktion der Rente“ kommt die Studie zu dem Resultat, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Landwirten (und in ca. der Hälfte der Fälle auch der Ehegatten) wegen des Hofabgabeerfordernisses keine AdL-Altersrente bezieht, obwohl hierfür im Durchschnitt über 35 Jahre Pflichtbeiträge entrichtet wurden. Ein Vergleich zwischen den Alterseinkünfte verschiedener Gruppen von Selbstständigen belegt, dass (ehemalige) Landwirte im Rentenalter auch deshalb die geringsten Einkünfte unter allen Selbstständigen aufweisen, weil andere Selbstständige neben dem Rentenbezug häufig auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze erwerbstätig bleiben.
Die Großen sind dafür, die Kleinen dagegen
Die Wissenschaftler konnten dadurch zeigen, dass die soziale Absicherungsfunktion und die strukturpolitischen Steuerungseffekte in der Alterssicherung gegenläufig wirken. Landwirte, mit gut laufenden, überdurchschnittlich großen Betrieben sind am wenigsten von der Einbuße der Altersrente betroffen. Bei ihnen hätte die Hofabgabeklausel aber die größten Effekte. Sie haben auch kein Problem mit dem Gesetz, weil es immer einen Nachfolger gibt, der solch einen Zukunftsbetrieb weiterführen will. Der ehemalige Chef ist meist finanziell gut abgesichert und ist mit der Klausel zufrieden.
Auf der anderen Seite sind die kleinen Höfe mit wenig Fläche. Sie stehen vor der schweren Entscheidung, weitermachen oder aufgeben. Und wenn weitermachen, wer soll´s tun? Der drohende Verlust der AdL-Rente wiegt hier schwerer, weil diese einen vergleichsweise großen Anteil an den Einkünften ausmacht, der Druck zur Abgabe ist dadurch relativ größer. Gleichzeitig fällt die Abgabe aufgrund des überproportional häufiger fehlenden Nachfolgers deutlich schwerer, weil dann einer weiteren Verwendung vorhandener Gebäude oder Betriebsmittel, die anderweitig nicht oder nur schlechter verwertet werden können, durch die Abgabevorschriften enge Grenzen gesetzt werden. Sie kämpfen gegen die Klausel.
Der Rat des Wissenschaftlers
Unter dem Strich kommt Dr. Mehl zu dem Urteil, dass eine Bewertung der Hofabgabeklausel sehr schwer ist und viele Faktoren beinhaltet, deren Auswirkungen man kaum vorhersehen kann. Er erwartet daher, dass die Kritik der Betroffenen und die Diskussionen anhalten werden. Zumindest empfiehlt er der Bundesregierung, die an der Klausel festhalten will, weitere Maßnahmen zur Flankierung des Abgabeerfordernisses.
Am zweckmäßigsten erscheint den Wissenschaftlern die Einführung einer Rente mit Abschlagfür Landwirte, die mit Ausnahme des Abgabeerfordernisses alle weiteren Voraussetzungen für den Altersrentenbezug erfüllen. Ihr zentraler Vorteil bestünde darin, agrarstrukturpolitische Zielsetzung und soziale Absicherungsfunktion der AdL stärker zu trennen. Die Rigidität des Hofabgabeerfordernisses würde abgeschwächt, ohne die agrarstrukturelle Anreizwirkung des Hofabgabeerfordernisses aufzugeben. Weiterhin würde eine klarere Trennung zwischen sozialer Absicherungskomponente (Rente bei Erreichung der Altersgrenze bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit) und agrarstruktureller Anreizkomponente (höhere Rente bei Hofabgabe als bei Weiterbewirtschaftung) geschaffen werden. (ad)
Hintergründe:
Die Studie im Original
Bleser: Gutachten zur Hofabgabe bestätigt positive Auswirkungen (18.2.103)
Rot-Grün in Niedersachsen will Hofabgabeklausel kippen (19.2.2013)