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topplus Interview zur Herkunftskennzeichnung

Herkunftskennzeichen : Jetzt wird das Siegelchaos aufgeräumt

Ein einheitliches Herkunftssiegel soll den Absatz deutscher Produkte fördern. ZKHL-Geschäftsführer Peter Jürgens erklärt, warum wir das Label dringend brauchen und wie die Landwirte davon profitieren.

Lesezeit: 8 Minuten

Der deutsche LEH hat sich über die Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft e.V. (ZKHL) auf ein einheitliches Herkunftskennzeichen "Gutes aus Deutscher Landwirtschaft" verständigt. top agrar hat den Geschäftsführer der ZKHL dazu interviewt.

Herr Jürgens, die Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL) hat das Siegel „Gutes aus Deutscher Landwirtschaft“ins Leben gerufen? Warum?

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Peter Jürgens: Unser Ziel ist, Erzeugnisse der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern sichtbarer zu machen. Das soll durch die Einführung einer einheitlichen Herkunftskennzeichnung in Form eines Key Visuals erreicht werden. Beim Key Visual wird ein Schlüsselbild erzeugt, das eine eindeutige Identifikation mit einer Marke erlaubt. Das ist wichtig für den Erfolg einer Marke.

Mit unserem Ansatz wollen wir zudem die Wertschätzung für Lebensmittel aktiv fördern, einen nachhaltigen Beitrag zur Stärkung des Ansehens und zur Zukunftsfähigkeit heimischer landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe leisten. Wichtig ist uns auch, die Zusammenarbeit in der Lebensmittelkette zu verbessern.

Wir haben nun ein einheitliches Herkunftskennzeichen. Wir räumen auf!
Jürgens

Wir haben in Deutschland bereits eine Vielzahl von Siegeln. Warum brauchen wir jetzt das „Herkunftskennzeichen Deutschland“ und verschwinden die individuellen Siegel der Lebensmittelhändler künftig?

Jürgens: Wir fangen an aufzuräumen! Das war und ist ein wesentlicher Beweggrund für die Handelsunternehmen, sich für ein einheitliches Herkunftskennzeichen zu engagieren. Anstelle unterschiedlicher, nur schwer vergleichbarer Herkunftskennzeichen einzelner Handelsketten bündeln wir die Kräfte unter einem einheitlichen Herkunftskennzeichen mit abgestimmten Kriterien. Das neue Zeichen sollte eine deutlich stärkere Marktdurchdringung und Wahrnehmung bei Verbraucherinnen und Verbrauchern erfahren.

Ab wann finden wir die ersten Produkte mit Siegel im Regal und für wie lange gilt die Branchenvereinbarung?

Jürgens: Die technische und organisatorische Einführung des Herkunftskennzeichens in der Lieferkette benötigt einen gewissen zeitlichen Vorlauf, der von Experten vorsichtig mit 3 bis 6 Monaten beziffert wurde. Verträge müssen geschlossen, Verpackungen umgestellt und Warenströme ggf. neu geordnet werden. Ausdrücklich wird das erste Jahr der zunächst auf drei Jahre ausgelegten Branchenvereinbarung als „Einführungsjahr“ bezeichnet, in dem Zug um Zug die jeweiligen Sortimente entwickelt werden.

Auf welchen Produkten wird das Herkunftskennzeichen künftig stehen und worauf nicht?

Jürgens: Die Branchenvereinbarung sieht die Einführung des Zeichens auf Fleisch und Fleischwaren der Tierarten Schwein, Rind und Geflügel sowie Eiern, Obst, Gemüse, Kartoffeln und die Molkereiprodukte Trinkmilch, Joghurt pur und Quark pur vor. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Ausweitung auf weitere Verarbeitungsgrade und Aggregatzustände (Tiefkühlware) angestrebt.

Welche Voraussetzungen muss ein Produkt erfüllen, damit es das Siegel tragen darf?

Jürgens: Die Voraussetzungen hinsichtlich der Herkunftsereignisse sind im Anhang der Branchenvereinbarung für jede Produktgruppe definiert. Für Schweinefleisch heißt dies z.B. Geburt (Ferkelerzeugung mit Haltung der Sauen), Aufzucht und Mast, Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung und Verpackung in Deutschland. Hier gilt künftig also der 5xD-Standard.

Auch die Rohmilch muss in Deutschland erzeugt sein.​
Jürgens

Wie sehen die Vorgaben bei der Milch aus?

Jürgens: Für Molkereiprodukte wie Trinkmilch, Joghurt und Quark gilt: Rohmilcherzeugung, Verarbeitung und Verpackung in Deutschland.

Welche Vorteile hat der Landwirt von dem Siegel?

Jürgens: Wir glauben, dass das Siegel zur Existenzsicherung unserer heimischen Betriebe beitragen kann. Denn Produkte, die die Herkunftskriterien erfüllen, werden zukünftig einfacher und schneller vom Verbraucher als „deutsche Produkte“ wahrgenommen und er findet sie auch deutlich leichter.

Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass der deutsche Verbraucher künftig eher zu deutschen Produkten greift? Gibt es Untersuchungen zur Wirksamkeit eines Herkunftssiegels?

Jürgens: Wie das Herkunftskennzeichen im Markt wirkt, ob es seinen angestrebten Zweck erfüllt, bei Verbraucherinnen und Verbrauchern eine klare Präferenz für heimische Produkte und eine entsprechende Kaufentscheidung zu fördern, werden wir erst wissen, wenn das Zeichen im Markt sichtbar ist. Bei der Entwicklung des Zeichens und seiner Bestandteile wurden bereits repräsentative Umfragen genutzt, um das Zeichen aus Verbrauchersicht attraktiv und aussagekräftig zu gestalten.

Kein Mehraufwand für Landwirte​
Jürgens

Welcher Mehraufwand kommt auf den Landwirt zu?

Jürgens: Keiner! Es kann aber natürlich der Fall eintreten, dass deutsche Ferkel, Kälber oder Eintagsküken knapp werden und deutlich teurer werden als ihre europäische Konkurrenz. Dann müsste der Mäster schauen, wie er damit umgeht bzw. woher er Ferkel bekommt.

Ihr Vorgänger Dr. Nienhoff hat einmal gesagt: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht mehr Aufwand als Nutzen durch eine Kennzeichnung erzeugen.“ Wie sieht das Kosten-Nutzen-Verhältnis aus?

Jürgens: Die Warnung ist grundsätzlich berechtigt. Aber da wir ohnehin weitreichende gesetzliche Kennzeichnungs- und damit auch Nachweisverpflichtungen haben und vielfach bereits freiwillige Kennzeichnungen existieren, die wir jetzt unter einem einheitlich Zeichen zusammenführen wollen, erwarten wir keine Kostenexplosion bei der Umsetzung. Das Kostenbewusstsein der Konsumenten ist zudem unverändert stark ausgeprägt und lässt wenig Spielraum für Preisanpassungen.

Wie muss man sich die Zeichenvergabe praktisch vorstellen? Welche Vorgaben sind zu erfüllen?

Jürgens: Das Herkunftskennzeichen darf grundsätzlich auf Produkten stehen, die die in der Branchenvereinbarung aufgeführten Herkunftskriterien erfüllen. Die Zeichenvergabe an Lebensmittelunternehmen, also Lebensmittelhändler und -hersteller, erfolgt im Einzelfall über eine Zeichennutzungsvereinbarung. Die genauen Vorschriften bezüglich der Zeichenverwendung werden durch einen Styleguide, also ein Benutzerhandbuch geregelt, welches Größe, Farben, Positionierung u.a. Details im Sinne einer einheitlichen und gut sichtbaren Zeichenverwendung regelt.

Wie wird die Einhaltung der Vorgaben kontrolliert?

Jürgens: Alle Unternehmen, die das Herkunftskennzeichen auf ihren Produkten führen wollen, verpflichten sich zur ordnungsgemäßen Zeichennutzung und unterwerfen sich der Prüfsystematik, die die ZKHL in Abstimmung mit den im Markt bekannten und bewährten Prüfsystemen erarbeitet hat. Es finden regelmäßige Kontrollen des Herkunftskennzeichens im Rahmen der etablierten und mit ZKHL kooperierenden Prüfsysteme statt.

Was droht bei Verstößen?

Jürgens: Verstöße gegen die Zeichenkriterien oder die Vorgaben zur Zeichenverwendung werden an die ZKHL gemeldet. Im Fall von schwerwiegenden systematischen Verstößen greift ein Sanktionsverfahren wie bei den bekannten Prüfsystemen.

Ein Siegel ist immer nur so gut wie sein Bekanntheitsgrad. Welche Budgets stehen hierfür zur Verfügung?

Jürgens: Der ZKHL selbst steht derzeit nur ein begrenztes Budget zur Verfügung, mit dem u.a. die erfolgreiche Vorstellung des Zeichens und die eigene Internetseite www.herkunft-deutschland.de realisiert wurden.

Sobald die Unternehmen der Lebensmittelkette das Herkunftskennzeichen in ihren Sortimenten eingeführt haben, wird dieses durch intensive begleitende Werbung und Kommunikation und eigene Werbe- und Kommunikationsbudgets flankiert. Diese zielgerichtete, d.h. auf die einzelne Produktgruppen und Sortimente ausgerichtete Werbung, ist ungleich effektiver als eine allgemeingültige Werbung wie Sie seinerzeit durch die CMA praktiziert wurde.

Der LEH hat bislang nur seine Absicht erklärt mitzumachen. Wann folgt die Unterschrift bzw. das klare schriftliche Bekenntnis?

Jürgens: Wieso „nur“, warum die Skepsis…? Der LEH hat klar, eindeutig und auf höchster Ebene seine Absicht erklärt das Herkunftskennzeichen einzuführen und wird die Zeichennutzungsverträge unterzeichnen, sobald diese fertiggestellt und die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zur Einführung festgelegt sind.

Wer das Zeichen nutzt, zahlt eine Lizenzgebühr
Jürgens

Was kostet es, wenn man das Label „Gutes aus deutscher Landwirtschaft“ nutzen möchte?

Jürgens: Unternehmen, die das Herkunftskennzeichen aktiv zur Kennzeichnung ihrer Ware einsetzen wollen, entrichten an ZKHL eine jährliche Lizenzgebühr.

Wer im LEH wird die deutsche Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel zuerst nutzen?

Jürgens: Wir würden uns freuen, wenn sich hier ein gewisser sportlicher Wettbewerb entwickelt. Aber wichtig ist nicht, wer als erstes das Zeichen auf seinen Produkten führt, sondern dass dies am Ende von möglichst vielen Unternehmen genutzt und auf vielen Produkten aufgebracht wird.

Das neue Siegel wird bleiben, unabhängig von Berlin und Brüssel.
Jürgens

Der Bund will auch eine Herkunftskennzeichnung einführen. Wird Ihr Label wieder verschwinden, wenn Berlin so weit ist?

Jürgens: Nein, sicher nicht. Denn die angekündigte Ausweitung der gesetzlichen Herkunftskennzeichnung v.a. bei Schweine- und Geflügelfleisch auf lose Ware in Bedienungstheken sieht nur eine begrenzte Herkunftsinformation und klarschriftliche Einzelangaben vor. Unsere Herkunftskennzeichen Deutschland ist deutlich prägnanter und geht deutlich über die gesetzlichen Pflichtangaben hinaus.

Inwieweit drohen EU-rechtliche Sanktionen, wenn wir in Deutschland eine quasi Absatzförderung einführen?

Jürgens: Keine! Wir führen weder eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Absatzförderung à la CMA ein, noch diskriminieren wir Produkte anderer Herkünfte. Im Gegenteil: das Herkunftskennzeichen ist ein freiwilliges Zeichen und steht allen Unternehmen offen, deren Produkte die definierten Kriterien erfüllen.

Den Kommentar von unseren Redakteuren Marcus Arden und Andreas Beckhove lesen Sie hier.

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