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Welche Innovationen Landwirte beim Wassermanagement kennen sollten

Bleiben Niederschläge in der Wachstumsperiode aus, sinken die Erträge. Wassermanagement wird für Landwirte zukünftig ein Thema. Wie können Innovationen helfen?

Lesezeit: 8 Minuten

Wenn der Blick täglich auf das Regenradar fällt, der Dürremonitor auf den Kurzwahltasten liegt und man sich sicher ist, „jedes Regengebiet zieht immer genau an uns vorbei“, dann stehen die Vorboten mal wieder auf Dürre. Mit der Frage, wie man in diesen Zeiten mehr Feuchtigkeit bei der Pflanze halten kann bzw. effi­zienter mehr Wasser zur Pflanze bekommt, beschäftigen sich viele. Warum das bitter nötig ist: Mit zunehmender globaler Erwärmung verschärfen sich die Trockenheiten auch in Mitteleuropa. So hat das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung berechnet, dass eine Erwärmung von 3 °C im Vergleich zum Zeitraum 1971 – 2000 in Teilen Süddeutschlands zu einer Verdopplung der Dürredauer führt.

Mit jedem aufgewendeten Liter Wasser muss künftig eine größere Menge landwirtschaftlicher Produkte erzeugt werden. - Dr. Drastig

Den Klimawandel zu bremsen, ist daher oberstes Ziel. Doch mit den Auswirkungen müssen Landwirte schon jetzt arbeiten. Wir haben eine Auswahl hiesiger Start-ups zu ihren Lösungen für den Pflanzenbau befragt. Frau Dr. Katrin Drastig, Hy­drogeologin am Leibniz-Institut für ­Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam, gibt zudem einen Überblick aus wissenschaftlicher Sicht.

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Wasserproduktivität

Die Expertin für Wasserhaushalt in der Landwirtschaft beschreibt den Status Quo: „Mit jedem aufgewendeten Liter Wasser muss künftig eine größere Menge landwirtschaftlicher Produkte erzeugt werden.“ Das passende Stichwort ist Wasserproduktivität, also beispielsweise wie viel kg Rüben man pro Liter Wasser produziert. Die Wasserproduktivität wird nicht nur durch die Wasserverfügbarkeit bestimmt, sondern auch von vielen anderen Faktoren wie Bodenqualität und Bewirtschaftungspraktiken. Es geht primär darum, mehr Wasser im Pflanzenraum zu halten, das Niederschlagswasser effektiver zu nutzen und das sogenannte technische Wasser (Grundwasser, Oberflächenwasser) effizienter einzusetzen. Wie das besser gelingen kann, untersucht ein Forschungsteam um Dr. Drastig in der Arbeitsgruppe AgroHyd.

Feuchtigkeit im Boden halten

Der erste Hebel ist, die Bewirtschaftung je nach Bodenart auf Trockenheiten anzupassen. Drastig nennt Maßnahmen wie weite Fruchtfolgen und optimierte Bodenbearbeitung, insbesondere das Aufrauen der Oberfläche bzw. Auf­brechen von Krusten. „Eine hohe Bestandsdichte, die schnelle und lückenlose Bodenbedeckung und tiefe Durchwurzelung verbessern die Verfügbarkeit von Wasser“, so die Expertin. Weitere Schlaglichter sind angepasste Saatzeitpunkte, Humuswirtschaft und Mulchen. Viele dieser Praktiken sind im Ackerbau etabliert. Gerade die regenerative Wirtschaftsweise sowie Agroforstsysteme und Mob Grazing schreiben sich auf die Fahne, mehr Wasser im Boden zu halten.

Schwamm an der Wurzel

Wasser nah an der Wurzel speichern und bei Bedarf abgeben soll auch die Innovation des österreichischen Start-ups Agrobiogel. Dr. Gibson Nyanhongo hat dazu ein Hydrogel aus 100 % natürlichen Stoffen entwickelt. Das Spin-Off der Universität für Bodenkultur in Wien verwendet zur Herstellung ein Nebenprodukt der Zellstoffindustrie aus Lignin. Daraus wird in einem patentierten Prozess ein Granulat produziert. „Ein Gramm von unserem getrockneten Granulat kann circa zehn bis 15 g Wasser aufnehmen“, sagt Christoph Ertl, Marketing- und Salesmanager von Agrobiogel.

Das Produkt bleibt rund fünf Jahre im Boden wirksam und ist biologisch abbaubar. Momentan fokussiert sich das Team auf zwei Projekte: Zum einen der Gemüseanbau unter Dach. „Wir erreichen in Gewächshauskulturen in sandigen Böden mit rund 250 g Agrobiogel pro m³ bis zu 20 % Wassereinsparung“, erklärt Ertl. Zum anderen sind Neuanpflanzungen im Wein- und Obstbau ein Bereich. „Hier werden ca. 100 g pro Jungpflanze direkt mit deren Umgebungssubstrat vermischt“, erklärt Ertl. Die ersten Jahre sind die jungen Wurzeln damit besser durch Wasser versorgt.

Wir erreichen in Gewächshauskulturen in sandigen Böden mit rund 250 g Agrobiogel pro m³ bis zu 20 % Wassereinsparung. - Christoph Ertl

Wer sich nun schon vorstellt, sandige Ackerböden mit dem Granulat zu pimpen, wird enttäuscht: „Ein großflächiges Ausbringen ist wirtschaftlich nicht sinnvoll“, so Ertl, der noch keine konkreten Kosten nennen will. „Erste Versuche in Ungarn am Mais haben aber gezeigt, dass gezielt an der Saat ausgebrachte 30 bis 50 kg pro ha schon ausreichen, um den Sämling vor Trockenstress zu schützen.“ Dazu arbeite man an der Entwicklung der passenden Ausbringtechnik. Das Team befindet sich in der Vorvermarktungsphase mit derzei­tiger Produktionskapazität von rund 200 t im Jahr. 2024 soll die erste Industrieanlage mit mehreren tausend Tonnen Jahresproduktion in Betrieb gehen.

Schon großflächig auf dem Acker verteilen lässt sich beispielsweise Pflanzenkohle. Das Start-up Circular Carbon stellt diese aus Kakaoschalen her und berichtet: „Die Pflanzenkohle ist eine wiederaufladbare Wasserbatterie. Sie kann das Mehrfache ihres Eigengewichts an Wasser aufnehmen.“ Das soll die Wasserspeicherkapazität des Bodens erhöhen, die nutzbare Feldkapazität im behandelten Bodenhorizont fördern und Trockenstressperioden abpuffern. Auch der Humusaufbau werde gefördert. Ein Einsatz sei insbesondere für schwache Sandböden und Böden mit weniger als 35 Punkten sinnvoll.

Konflikte vorprogrammiert

Diese Innovationen können Wasser im Wurzelraum speichern, sind aber ebenso auf das regelmäßige Nass von oben angewiesen. Was Niederschlag nicht bringt, müssen immer häufiger Bewässerungsanlagen liefern. Allein zwischen 2013 und 2019 ist der Anteil an bewässerten Flächen um 11 % gestiegen. „Neuere Zahlen gibt es nicht“, sagt Dr. Katrin Drastig. Aber die Tendenz – durch die veränderten klimatischen Bedingungen – sei steigend.

Die Expertin berichtet: 74 % des ­Bewässerungswassers in Deutschland stammen aus dem Grundwasser, etwa 13 % aus Oberflächengewässern. Wei­tere etwa 12 % stammen aus Trinkwas­sernetzen. Rheinland-Pfalz entnimmt 72 % des Wassers zur Bewässerung da­raus. „Es kommt zunehmend zu Nutzungskonflikten zwischen Wasserversorgern und Landwirten“, sagt Drastig und ergänzt: „Ein weltweiter Konsens zum Grundwasser ist, dass maximal 20 % der verfügbaren Grundwasserneubildung entnommen werden dürfen, um den Wasserhaushalt nicht zu gefährden.“ Das Wissen, wie es um diesen steht, ermittelt unter anderem das Team der Hydrogeologin.

Wer Wasser entnehmen will, muss ­aller Wahrscheinlichkeit künftig zahlen. Zuletzt hatte etwa die Ampel-Regierung in Rheinland-Pfalz angekündigt, Geld für die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser in der Land- und Forstwirtschaft zu fordern. Landwirte in Sachsen-Anhalt zahlen schon.

Besser bewässern

Wenn Wasser rar und teuer wird, kommt es umso mehr darauf an, die vorhandenen Mengen möglichst effektiv zu nutzen. Da kommen wieder Innovationen ins Spiel: Wer Bewässerungsanlagen betreibt, kommt um das manuelle An-, Aus- und Umstellen oft nicht herum. Das wollen die Gründer von Thorkas ändern. Das Team arbeitet an einem universell nachrüstbaren Mini­computer, der Bewässerungsanlagen per App steuerbar macht. „Unsere Schnittstelle ist herstellerunabhängig, lässt sich schnell einbauen und ist kostenmäßig konkurrenzfähig“, beschreibt Gründer Thormin Stiegler. Eine einfachere Steuerung kann Wasser sparen, muss es aber nicht. Denn der Mensch entscheidet, wann was angestellt wird – häufig im Blindflug.

Nicht so bei Start-ups, die die Beregnung mithilfe von Sensoren, Satelliten und Software, also mit möglichst viel Wissen über den aktuellen Zustand und die Umgebung der Pflanze, digital ver­bessern wollen. Ein Beispiel: WaterFox. Diese Anwendung soll die optimale Bewässerungsmenge in Abhängigkeit von Bodeneigenschaft, Kulturart, Entwicklungsstadium und potenzieller Verdunstung ermitteln.

Das Ziel: „Maximaler Ertrag mit der gerade nötigen Menge an Wasser“, erklärt Gründer Ingmar Wolff. Das Start-up kombiniert Satellitenbildanaylsen, öffent­liche Wetterinformationen und ein Wasserbilanzmodell miteinander. Wolff erklärt: „Das Bilanzmodell, die sogenannte Geisenheimer-Steuerung basiert auf Jahrzehnten von Feldversuchen und diese Rohdaten haben wir digitalisiert“, und ergänzt: „Daraus ermitteln wir, wie viel Milliliter Wasser auf welchem Feld und welcher Kultur wann notwendig sind.“

Dazu kommen Satellitenbildanalysen. „Satelliten sind fliegende Sensoren. Anfangs wollten wir nur damit arbeiten, aber stoßen aktuell noch an die Grenzen technischer Machbarkeit“, so Wolff. Denn Satelliten würden nicht häufig genug über ein Feld fliegen. WaterFox nutzt Satellitendaten aber derzeit, um das Bilanzmodell auf Abweichungen zu überprüfen.

Derzeit arbeitet die Anwendung primär für Gemüsebauern. Aber Anfragen durch Kartoffelbauern häufen sich dem Gründer zufolge. Das WaterFox-System funktioniert auch für mobile Beregnungen, aber mit einer Einschränkung, wie Wolff erklärt: „Da muss der Kunde noch mehr mitdenken und die Zyklendauer selbst ausrechnen. Ab nächster Saison geht das automatisch. Selbst einpflegen müssen die Anwender, welche Kulturart wann, wo und auf welchen Bodentyp gesät/gepflanzt wurde.

Transformation dauert

„Die Bewässerung befindet sich in einer digitalen als auch technischen Transformation“, sagt Dr. Katrin Drastig. Die Expertin ergänzt aber: „Die Anwendung von Bewässerungssteuerungssystemen mit dem Einsatz von Sensorik nimmt zu, hat aber in der Praxis bisher noch keine große Relevanz.“ Gründe dafür seien eine geringe Verbreitung der Steuerungssysteme, noch wenige wissenschafliche Belege für Vorteile derer und dass es für viele der Landwirte ungewohnt sei, sich auf diese Modelle zu verlassen. „Anlaufstellen oder Publikationen, die Landwirten Informationen zur Auswahl des passendes Systems bieten, existieren in Deutschland bisher nicht bzw. kaum.“

Die Bewässerung befindet sich in einer digitalen als auch technischen Transformation. - Dr. Drastig

Wichtig ist auch: Die technische Seite kann noch aufholen, gerade im Ackerbau. Großflächenregner schneiden in puncto Energieeffizienz und Verdunstung beispielsweise eher schlecht ab. Besser soll das laut Drastig mit mobiler Tropfbewässerung werden: Anstelle von Regnern oder Düsen werden zur Wasserverteilung Tropfrohre an Düsenwagen oder Beregnungsmaschinen angeschlossen. „Das könnte die Vorteile der wassereffizienten, stationären Tropfbewässerung mit denen der Kreis- und Linearberegnungsmaschinen verbinden“, sagt Drastig. Wie schnell so­etwas in der Praxis ankommt, sei ab­zuwarten, denn die Kosten dafür sind hoch.

Ein Blick ins Ausland zeigt allerdings: Je größer der Druck, desto mehr Ansätze müssen verfolgt werden: In Israel ist Wasser so kostbar, dass Investitionen in Präzisionsbewässerung, Entsalzungsanlagen und Wasserrecycling für die Landwirtschaft überlebenswichtig sind. „70 % des Brauchwassers – dazu zählen Regenwasser oder recyceltes Abwasser – werden dort wieder­verwertet. Die Tropfsysteme sind selbst auf großen Flächen unterirdisch verlegt und bringen das Wasser direkt an die Pflanzenwurzeln“, erläutert sie.

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