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topplus Klimaschutz in der Landwirtschaft

Abschied von Klimaschutz Sektorzielen: Ist das gut oder schlecht für die Landwirtschaft?

Die Landwirtschaft musste bisher individuelle Klimaziele erfüllen. Die Ampel weicht das nun auf und schwenkt auf eine Gesamtrechnung um. Was bedeutet das für die Betriebe? Eine Umfrage unter Experten.

Lesezeit: 5 Minuten

Ende März hat der Koalitionsausschuss von SPD, FDP und Grünen beschlossen, die Sektorziele im Klimaschutzgesetz zu Gunsten einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung aufzuweichen. Dafür will die Ampel jetzt das erst 2021 novellierte Klimaschutzgesetz neu aufschnüren.

„Die Einhaltung der Klimaschutzziele soll zukünftig anhand einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung überprüft werden“, heißt es wörtlich im Kompromisspapier der Ampelparteien vom 28. März. Klimaschutz soll zu einer „Querschnittsaufgabe der Bundesregierung“ werden. „Alle Sektoren leisten ihren Beitrag: Stromerzeugung, Industrie, Verkehr, Bauen und Wohnen sowie Landwirtschaft“, heißt es weiter.

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Muss die Landwirtschaft für andere Sektoren in die Bresche springen?

Doch was bedeutet die Abkehr von den Sektorzielen für die Landwirtschaft? Immerhin stand die Landwirtschaft in den bisherigen Bilanzen im Vergleich zu den Sektoren Verkehr und Wohnen gut da. Im Jahr 2022 blieb die Landwirtschaft mit 62 Mio. t CO₂- Äquivalenten deutlich unter der für sie im Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von 67,6 Mio. t.

Als Grund für den Rückgang nannte das Umweltbundesamt (UBA) einen weiteren Rückgang der Schweinezahlen und einen geringeren Einsatz von Mineraldünger. Muss die Branche, die aktuell unter dem Abbau der Tierbestände leidet, befürchten, künftig für andere Sektoren in die Bresche zu springen?

FDP-Politikerin Konrad erwartet Vorteile für Carbon Farming

Keine negativen Auswirkungen für die Landwirtschaft sieht die FDP, die die Entscheidung zur Abkehr von den Sektorzielen voran getrieben hat. „Die Änderung ist gut. Wir können damit dort Treibhausgasemissionen einsparen, wo es am günstigsten ist“, sagt die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende und Agrarpolitikerin Carina Konrad gegenüber top agrar.

Sie erwartet Vorteile für die Landwirtschaft aus der Abkehr von der Sektorbetrachtung. „Daraus können sich auch Geschäftsmodelle für die Landwirtschaft ergeben“, sagt Konrad. Sie erhofft sich aus der Änderung Auftrieb für Carbon Farming Modelle. „Dass die Landwirtschaft beim Klimaschutz nicht das Problem ist, sondern die Lösung, wissen wir“, sagt Konrad.

Grüne-Staatssekretärin Nick hofft auf Druck aus der Landwirtschaft

Besorgt äußern sich ob der Aufgabe Sektorziele die Grünen. „Die Sektorziele sind für die Landwirtschaft eine Herausforderung. Es wird nicht funktionieren, wenn wir der Landwirtschaft mehr aufbürden, weil der Verkehr nicht liefert“, sagt die Grüne Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) Ophelia Nick gegenüber top agrar.

Aus Sicht von Nick ist die Motivation in der Landwirtschaft hoch, Klimaschutzmaßnahmen zu betreiben, weil sie die Auswirkungen selbst spürt. „Wir haben einen guten und klaren Kurs in der Landwirtschaft für den Klimaschutz. Gerade die Landwirtschaft sollte darauf drängen, dass auch die anderen Sektoren ihre Hausaufgaben machen“, appelliert Nick.

BMEL verweist auf Grenzen der Landwirtschaft bei der CO₂-Reduktion

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) betont, dass die einzelnen Sektoren nicht von der Einhaltung ihrer Klimaziele entbunden werden. „Hier sind weiterhin Minderungsmengen vorgesehen. Die Bundesregierung wird auch weiterhin das jährliche Monitoring der Emissionsentwicklung nach Sektoren vorlegen“, teilt ein Sprecher des BMEL gegenüber top agrar mit.

Laut der aktuellen Rechtslage muss die Landwirtschaft bis 2030 noch weitere 5 Mio. t CO2-Äquivalente einsparen. „Das BMEL ist zuversichtlich, dass dies auch gelingt. Es gibt auch keinen Anlass, dieses Ziel aufzugeben“, so der Sprecher weiter. Deutschland wolle bis zum Jahr 2045 vollständig klimaneutral sein, da helfe jede Tonne, die eingespart werden kann, sagte er.

Das BMEL geht davon aus, dass nur ein geringes Potenzial in der Landwirtschaft besteht, über die bisher gesteckten Ziele hinaus Treibhausgasemissionen einzusparen. „Naturgemäß sind der Einsparung in der Landwirtschaft Grenzen gesetzt: Die Emissionen der Landwirtschaft beruhen auf natürlichen Prozessen und lassen sich nicht auf null reduzieren“, sagt der BMEL-Sprecher.

DBV erwartet Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bundesministerien

Der Deutsche Bauernverband (DBV) gibt sich mit Blick auf die Aufgabe der Sektorziele entspannt. „Für den Klimaschutz ist es zunächst gleichgültig, aus welchem Sektor die Emissionsminderungen kommen, daher erscheint eine Gesamtrechnung sinnvoll. Jetzt müssen wir auf das Kleingedruckte im Gesetzentwurf warten“, sagt der stellvertretende DBV- Generalsekretär Udo Hemmerling gegenüber top agrar.

Sorgen, dass die Landwirtschaft nun nicht erfüllte Klimaziele aus anderen Sektoren kompensieren muss macht sich der DBV weniger. „Gegenüber der EU muss Deutschland seine Emissionsobergrenzen bei Klimagasen schon bisher gesamthaft einhalten, nicht in den einzelnen Sektoren. Insofern geht es eher um die Frage, ob durch die Änderung im deutschen Klimaschutzgesetz ein verstärktes politisches Schwarzer-Peter-Spiel zwischen den Bundesressorts eintritt“, sagt Hemmerling.

Zudem stellt der DBV heraus, dass die Land- und Forstwirtschaft über die Bioenergie 79 Mio. t CO2 in anderen Sektoren vermeidet. „Die anderen Sektoren brauchen also einen produktiven Agrarsektor für den Klimaschutz“, erläutert Hemmerling. Dennoch erwartet auch der DBV nun nicht weniger Druck auf die Landwirtschaft, auch selbst weiter Treibhausgase einzusparen.

Grethe: Klimaneutralität 2045 verlangt ambitionierte Ziele

Mehr Druck für einen ambitionierten Klimaschutz auch in der Landwirtschaft erwartet hingegen Prof. Harald Grethe, Agrarökonom an der Berliner Humboldt-Universität. „Wir haben das Ziel für die Landwirtschaft bisher mit viel Spielraum erfüllt, weil es bisher wenig ambitioniert ist und außerdem ein Bestandsabbau in der Nutztierhaltung stattgefunden hat“, sagt er gegenüber top agrar.

Auf die Landwirtschaft kommen in Zukunft aber voraussichtlich schärfere Klimaziele zu. „Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 ist so ambitioniert, dass alle Sektoren energisch handeln müssen“, sagt Grethe. Er findet es wichtig, dass die Verantwortung weiterhin bei den Ministerien bleibt, die die Sektorziele nicht erfüllen. Er sieht sonst die Gefahr, dass die in allen Sektoren notwendigen Klimaschutzmaßnahmen nicht wie nötig gestärkt, sondern eher lockerer gelassen werden.

Klar sei auch, dass der Rückgang der Tierzahlen dem Sektor beim Erreichen der Klimaziele zugute käme. Allerdings müsse die Politik dringend Rahmenbedingungen schaffen, die eine Zukunftsperspektive für Landwirtinnen und Landwirte eröffnen, die zu einem deutlich höheren Tierwohlniveau bereit seien, in Deutschland Nutztiere zu halten.

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