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GVO-Tagebuch Teil 9: Infoveranstaltung mit Pioneer

Montag 26.07.2010 Von einem Kollegen erfahre ich, dass sich eine Gruppe betroffener Landwirte an den bayerischen Landwirtschaftminister Brunner und an das zuständige Gesundheitsministerium gewandt haben, mit der Aufforderung von der Umbruchanordnung Abstand zu nehmen.

Lesezeit: 8 Minuten

Montag 26.07.2010 Von einem Kollegen erfahre ich, dass sich eine Gruppe betroffener Landwirte an den bayerischen Landwirtschaftminister Brunner und an das zuständige Gesundheitsministerium gewandt haben, mit der Aufforderung von der Umbruchanordnung Abstand zu nehmen. Sie sähen nicht ein diesen Unsinn weiter zu betreiben, da der Mais sich als unglaublich hartnäckig erweist und alle getroffenen Maßnahmen keinen hundertprozentigen Erfolg ergeben. Zu dem sei es ein Unding bei 34 Grad im Schatten per Handhacke Mais zu hacken. Die Landwirte hatten in der Regel Mais nachgesät. Dienstag 27.07.2010 Das Wetter hat umgeschlagen. Keine 34 Grad im Schatten, dafür immer mal wieder ein kleiner Schauer. Das Wetter hat (k)ein Einsehen mit Pioneer, die wegen der Ernte extra erst um 19.30 Uhr zu der angekündigten Informationsveranstaltung geladen hat. Ich weiß nicht wann die Ernte an einem normalen Sommertag in Buxtehude stattfindet. Der Geschäftsführer, Herr Ulrich Schmidt, der Pioneer Hi-Bred Northern Europe Sales Division GmbH begrüßt uns. Er stellt sich dann kurz vor und erwähnt auch, dass er aus der Landwirtschaft stammt. Vielleicht wird in seiner Heimat eher am Vormittag geerntet. Nun gut der Seminarraum quillt aus allen Nähten. Pioneer und der ebenfalls eingeladene Bauernverband sind jeweils mit einem ganzen Stab an hochrangigen Funktionären und Rechtsanwälten angereist.


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Leonhard Keller, Schwabens Bauernverbandpräsident, ergreift das Wort und stellt klar, dass die Anordnung zum Umbruch nur Ärger bringt und das nicht nur, weil der Mais sich immer wieder aufstellt, sondern auch mit Umweltaktivisten und in manchen Fällen mit der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung und Berufskollegen. Er stellt, wie im Übrigen alle Anwesenden klar, dass die Anbauer nun wirklich nichts für das Dilemma können. Hier hakt dann Georg Wimmer, stellvertretender BBV Generalsekretär ein und stellt fest, dass eine Vielzahl von Gesprächen um eine einvernehmliche Lösung, mit Pioneer geführt wurden. Nach seinen Worten interessiert sich Pioneer nicht für die Vorschläge des Bauernverbandes. Die Position des Verbandes besteht darin, dass die betroffenen Landwirte angemessen entschädigt werden, ohne Bedingungen. Pioneer Geschäftsführer Ulrich Schmidt stellt erst mal den Werdegang der "Gengeschichte" vor und damit, dass Pioneer alles getan hat, um einen Nachweis über die Genfreiheit des Saatgutes zu belegen. (Nachzulesen unter Pioneer Homepage). Ziel der Ausführungen ist, dass gegen das Land Niedersachsen eine Klage wegen Amtspflichtverletzung geführt werden kann. Denn das zuständige Ministerium für Landwirtschaft informierte Pioneer viel zu spät "über die Möglichkeit, dass Spuren von gentechnisch verändertem Material gefunden worden seien. Obwohl es eine Übereinkunft der zuständigen Ministerien gäbe, in der alle Bescheide bis Ende März den Firmen zugestellt werden sollen." Er, Herr Schmidt, habe damals alles versucht die Sache so schnell wie möglich zu klären, kam aber dabei nicht schnell genug voran, um wenigsten einen Teil des evtl. nicht ausgesäten Saatgutes zurück zu bekommen. Sein Ziel ist es nun mit den Landwirten zusammen über eine Musterklage das Land Niedersachsen zu verklagen. Die anwesenden Rechtsvertreter der Firma Pioneer erklären die Sachlage so, dass alle betroffenen Landwirte Pioneer in einer Art Sammelklage wegen Schadenersatz verklagen sollen. Verliert nun Pioneer den Rechtstreit, müssen sie für den Schaden aufkommen und können dann wiederum das Land Niedersachsen ein Amtshaftungsverfahren anstrengen. Laut den Rechtsanwälten von Pioneer ist dies der einzig gangbare Weg.



Das Problem ist nur, dass wenn alle betroffenen Landwirte klagen und der Prozess für sie verloren geht, es keine Möglichkeit mehr gibt, weitere Rechtswege zu beschreiten. Also wäre kein Geld von keiner Stelle zu bekommen. Das hieße dann auch, dass eine in Anspruch genommene Soforthilfe, welche Pioneer in Aussicht stellt, zurückgezahlt werden müsste. Der Bauernverband sähe es lieber, wenn entweder eine Musterklage durch einen Landwirt geführt würde oder die Landwirte einen Dritten zu beauftragen, um zu klagen. Damit hätten die restlichen Landwirte während und nach dem Verfahren alle Freiheiten über ein weiteres Vorgehen zu entscheiden. Die Pioneer Rechtsanwälte sind jedoch der Meinung dass dies nicht zulässig wäre. Daraufhin stellte Geschäftsführer Schmidt die von ihnen angedachte Soforthilfe vor. Dies sei eine sofortige Hilfe, unabhängig vom Schadensersatzprozess, kein Darlehen, ohne Anerkennung einer Rechtpflicht, kein Präjudiz für Sach- und Rechtslage, der Landwirt brauche keine Sicherheiten bieten, jedoch setze dies eine wechselseitige Verpflichtung zum Wohlverhalten voraus. Die Höhe der Entschädigung entspricht ungefähr dem, was ein Landwirt im Falle eines Hagelschadens von seiner Versicherung bekommen würde, plus einer geringen Summe für die entstandene Mehrarbeit durch den vergeblichen Umbruch nach der behördlichen Anordnung. Das Echo der Landwirte brachte einer sehr gut auf den Punkt, in dem er sagte, dass es ihn nicht interessiere, was und wie Pioneer mit dem Land Niedersachsen zu streiten habe, er möchte jetzt eine angemessene Entschädigung, die auch den entstandenen Mehraufwand berücksichtige. Und es könne wohl nicht im Sinne von Pioneer sein, nicht angemessen zu entschädigen, denn ein oder mehr Jahre lang deutliche weniger Saatgut zu verkaufen, sei wohl wirtschaftlich viel schädlicher, als einmal vernünftig zu entschädigen. Herr Schmidt konnte dem nicht widersprechen. Eine Bäuerin konnte nur über die geringe Summe lachen und meinte, dass die bei weitem nicht ausreichten würde, um annähernd den Lohn für neun Mitarbeiter zu bezahlen, die bei 34 Grad im Schatten zwei Tage lang über die wieder mit Mais angebauten Felder gegangen sind, um den alten Mais zu entfernen. Wieder ein anderer stellte klar, dass durch die entgangene Ernte in ihrer Gegend der Mais sehr knapp würde und sie mit sehr hohen Wiederbeschaffungskosten konfrontiert würden.



Mir kam der Gedanke, dass es wohl sinnvoll wäre, wenn jeder Landwirt ganz einfach eine Rechnung an die Firma Pioneer stellen würde, mit allem was dazu gehört. Das ist wohl unter Handelspartner üblich. Es hat sich auch herausgestellt, dass tatsächlich Genttechnisch veränderte Bestandteile in den Pflanzen sind, denn in Hessen wurde der Mais mit einem Glyphosatprodukt abgespritzt. Von den 11 übrig gebliebenen Pflanzen wurden bei neun das entsprechende Gen gefunden. Dieses Verfahren hat nun mehrere Vorteile. Man kann die Pflanzen herausfinden die betroffen sind und kann sie wirklich schadlos entfernen. Für Pioneer und andere Vertreter der Saatgutwirtschaft geht es in dem ganzen Verfahren auch darum, die Nulltoleranz im Genttechnikgesetz zu kappen. Denn eine Nulltoleranz ist einfach nicht möglich. Was aber, wenn irgendeine Grenze eingeführt wird und diese überschritten wird, müssen wir dann trotzdem alles ohne Entschädigung vernichten und wird dann eine höhere Grenze angepeilt und wo befinden wir uns dann in 20 Jahren. Haben wir dann eine Anzahl von Konkurs gegangenen Landwirten und die Gentechnik durch die Hintertür mit all ihren ungeklärten Fragen was Patentrechte, Schadensersatz bei ungewollten Auskreuzungen usw. betrifft. "Hab nun, ach! Die Philosophei, Medizin und Juristerei Und leider auch die Theologie Durchaus studiert mit heißer Müh. Da steh ich nun, ich armer Tor, Und bin so klug als wie zuvor." Manchmal habe ich den Eindruck, dass seit Goethe sich nicht viel geändert hat, nur die Mittel wurden verändert, um ans entsprechende Ziel zu kommen. Mittwoch 28.Juli 2010 Die lokale Presse möchte wieder ein Interview. Ich halte mich etwas zurück und verweise auf Pioneer und Bauernverband, da ich mir alles erst mal durch den Kopf gehen lassen möchte, um Schnellschüsse zu vermeiden. Donnerstag 29.Juli 2010 Es stehen zwei gute Artikel in der lokalen Zeitung. Ich bin froh, dass es gelungen ist, die Medien zu einer recht objektiven Berichterstattung zu bewegen. Freitag, 30.Juli 2010 Eine Bekannte fragt mich, was nun mit dem verseuchten Boden geschehe, da ja doch der Mais und somit den veränderten Gene da drin sind. Hoffentlich hat meine etwas vereinfachte Erklärung, dass alle organische Masse aus dem Mais im Boden gänzlich abgebaut wird, ausgereicht um solche Befürchtungen zu zerstreuen. Ein Beratungslandwirt von Pioneer besucht mich und möchte von mir einen Kommentar zur Lage. Samstag, 31. Juli 2010 Die Ernte läuft nach den Regentagen wieder an. Abends dreschen wir unseren Raps. Sonntag 01.08.2010



Eigentlich möchte ich mein Tagebuch weiter schreiben, aber ab 14.00 Uhr bist nachts um 22.00 Uhr dreschen wir Erbsen und den ersten Weizen. Als ich dem Drescherfahrer vorschlage, über meinen Maisacker zum nächsten Feld zu fahren lacht der nur und meint: "Du meinst wohl über das was mal Mais war." Diese Geschichte findet nicht nur dann einen guten Ausgang, wenn alle Verfahren abgeschlossen sind und Entschädigungen bezahlt wurden. Es müssen dabei Verfahren entwickelt werden, die eine praktische Lösung in allen solchen Fällen ermöglicht. Ein Vorschlag wäre, einen Fonds zu gründen, aus welchem diejenigen entschädigt werden, die die Arbeit anderer erledigen müssen. Das würde echte Unabhängigkeit in allen Lagen bedeuten. Vielleicht ist es auch an der Zeit die Entscheidungen über ein zukünftiges Vorgehen an einem runden Tisch zu klären, an dem alle Akteure des Sommertheaters zusammensitzen und Lösungen ausarbeiten. Dieser Prozess kann nicht nur auf politischer oder juristischer Ebene entschieden werden.


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