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China braucht Schweine

Lesezeit: 5 Minuten

Erzeugerpreise von über 3 €/kg SG, und trotzdem tritt Chinas Schweinebranche auf der Stelle. Warum das Reich der Mitte auch 2017 unsere Schweinepreise bestimmen dürfte, erklärt Heribert Breker von der LWK NRW.


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Ohne die Exporte nach Fernost wäre die Notierung für Schlachtschweine bei uns heute 15 bis 20 Cent niedriger!“ So oder so ähnlich machten Experten in den letzten Monaten die Bedeutung des chinesischen Marktes für den Erzeugerpreis in Deutschland deutlich. Man solle sich aber nicht darauf verlassen, dass das so bleibe. Denn China werde die Produktion rasch wieder ausbauen, wenn die Preise steigen, hieß es. Doch was sich derzeit in China abspielt, ist kein „normaler“ Schweinezyklus, sondern eine tiefgreifende Strukturkrise – und die kann dauern. Das stützt unserer Preise.


Produktion fällt weiter.

Entgegen vieler Prognosen hat sich die chinesische Schweinefleischerzeugung 2016 nicht erholt. Die Erzeugung ist mit geschätzten 52 Mio. t sogar nochmals um rund 9% gefallen. Begonnen hat die Krise schon Ende 2014: Die hohen Futterkosten trafen damals auf relativ niedrige Schweinepreise von nur 2,50 €/kg SG. Viele kleinere und mittlere Schweinebetriebe gaben auf, sodass China seitdem etwa 20% des Sauenbestands verloren hat. Und obwohl sich die Schlacht-erlöse längst erholt haben, geht der Bestandsabbau weiter.


Chinas Schweinebranche steckt in einer Sackgasse. Die Schweinehaltung findet bisher vor allem in dicht besiedelten Gebieten statt, um nah am Verbraucher zu sein. Dadurch entstehen massive Umweltprobleme, denn Gülle und Exkremente werden oft über die Vorfluter entsorgt. Und auch Kadaver sind in Flüssen keine Seltenheit. Die mangelnde Hygiene führt immer wieder zu Epidemien bei Tier und Mensch.


Kein Wunder, dass die Zentral- und Provinzregierungen versuchen, gegenzusteuern. So sollen Flächennachweise für Gülle die Betriebe in weniger dicht besiedelte Gebiete im Landesinneren des Nordostens bzw. Südwestens drängen. Von heute auf morgen gelingt das natürlich nicht.


Schwein versus Mensch:

Außerdem löst es nicht das zweite große Problem Chinas: die Knappheit an landwirtschaftlicher Nutzfläche. Rein rechnerisch stehen jedem Einwohner nur 850 m2 zur Verfügung. Zum Vergleich: Pro Bundesbürger sind es immerhin 1400 m2. In Südchina holt man deshalb mit bis zu fünf Reisernten in zwei Jahren so viel aus dem Boden wie möglich, was neue Probleme hervorruft. Denn durch den intensiven Anbau wird in einigen Regionen auch noch das Wasser knapp.


Letztlich steht das Schwein in direkter Flächenkonkurrenz zum Menschen. Dieses Problem wird in China sogar täglich größer:


  • Die Bevölkerung wächst.
  • Steigende Einkommen lassen den Ver-brauch an Lebensmitteln steigen.
  • Die Ernährungsansprüche steigen, sodass mehr veredelte Produkte, wie z.B. Schweinefleisch, verzehrt werden.


Erste Experten empfehlen der chinesischen Regierung sogar schon, den Schweinefleischimport weiter auszubauen, anstatt die Umweltproblematik mit steigender Eigenproduktion noch zu verschärfen.


Ein anderes Problem lässt sich zwar lösen, aber braucht offenbar mehr Zeit als gedacht: das Strukturproblem. Traditionell produzieren Chinesen noch immer stark im Hinterhof bzw. auf recht kleinen Betrieben für den lokalen Bedarf. Laut aktueller Statistik hält ein chinesischer Schweinehalter im Schnitt nicht mal 15 Schweine. Rund die Hälfte aller Schweine wird auf Betrieben erzeugt, die weniger als 500 schlachtreife Schweine im Jahr liefern. Das hat zwar den Vorteil, dass Schlachtungen und Verbrauch in unmittelbarer Nachbarschaft erfolgen und so Transportwege kurz und Kühlketten oft überflüssig sind.


Ein Nachteil sind jedoch die zum Teil sehr niedrigen biologischen Leistungen. So schwankt die Zahl der erzeugten Mastschweine pro Sau und Jahr zwischen 12 und 22. Probleme gibt es vor allem in der Aufzucht, weil die Verluste wegen häufiger Durchfallerkrankungen bei Saugferkeln sehr hoch sind. In der Schweinemast sieht es kaum besser aus. Die Futterverwertung bewegt sich meist zwischen 1:3 bis 1:4, und die täglichen Zunahmen variieren stark zwischen 350 bis 650 g/Tag. Weil gleichzeitig die Futtermittelpreise mit aktuell etwa 38 €/dt hoch sind, liegen die Produktionskosten im Schnitt auf sehr hohem Niveau. Die meisten Betriebe kommen erst ab Schweinepreisen jenseits von 3 €/kg SG wirklich auf ihre Kosten. Selbst bei den Arbeitskosten kann China nicht punkten, weil die Produktivität fehlt.


Mehr Staatsbetriebe:

Das Leistungsproblem will Peking nun mit schierer Größe lösen und unterstützt die Entwicklung großer Einheiten, egal ob staatseigenen, genossenschaftlich oder in privater Hand. Die Zahl der großen Unternehmen mit über 200000 erzeugten Tieren pro Jahr steigt. Die neuen Betriebe sollen effizienter arbeiten, einen höheren Qualitätsstandard erreichen und vor allen Dingen die neuen Umwelt-auflagen erfüllen. Diese Großunternehmen arbeiten vertikal integriert und decken von der Futterbeschaffung über die Aufzucht bis hin zur Schlachtung und Zerlegung alle Bereiche ab.


Doch mit dem Aufbau von Großanlagen ist es nicht getan. Weil die Produktionsstandorte meist weit weg von den Metropolen liegen, muss auch eine neue Infrastruktur her. Das Fleisch muss verarbeitet, verpackt, kühl gelagert und in die Ladentheken gebracht werden. Die Zeiten, dass man sich mit einer Schweinehälfte an den Straßenrand setzte und die Teile mit dem Messer nach Wunsch des Käufers abschnitt, sind zumindest in den größeren Städten Geschichte. Doch der Umbau der Branche dauert offenbar viel länger als gedacht. Trotz Förderung stehen heute erst 2% der Schweine in solchen „Zukunftsbetrieben“.


Hinzu kommt, dass sich die neuen Vorzeigebetriebe im Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz schwer tun. Der chinesische Verbraucher ist bereit, z.B. für EU-Waren teilweise doppelt so viel wie für heimische Ware zu zahlen. Chinas Agrarbranche hat bei der Qualität jahrelang geschludert und viel Vertrauen verspielt.


Importe können weiter wachsen.

Es sind daher Zweifel angebracht, dass die Regierung ihre gesteckten Ziele in wenigen Jahren erreichen wird. Laut dem aktuellen 5-Jahresplan soll die heimische Produktion bis 2020 auf eine Größenordnung von 57 Mio. t ausgebaut werden. Bei einer aktuellen Eigenerzeugung von rund 52 Mio. t ist das noch ein weiter Weg (siehe Übersicht). Die Nachfrage dürfte vorerst deutlich über der Erzeugung bleiben. Man muss daher kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass China auch 2017 wieder große Mengen an Schweinefleisch auf dem Weltmarkt ordert. Die EU als größter Lieferant mit rund 70% Anteil dürfte davon wieder stark profitieren. -ab-

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