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Gas aus Gras: Nur mit der richtigen Technik

Lesezeit: 8 Minuten

Welche Erfahrungen fünf bayerische Biogasanlagen mit der Grasvergärung gemacht haben, erläutern Rainer Kissel und Dr. Mathias Effenberger von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).


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Der Einsatz hoher Anteile von Gras in einer Biogasanlage gilt als schwierig. Denn das Substrat enthält viel Stickstoff und ist faserreich: Beides erschwert die Vergärung.


Allerdings ist die Grasvergärung für Grünlandbetriebe oder Biobetriebe mit Kleegrasanbau eine Option. Um die Probleme zu analysieren und Lösungen zu finden, hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) aus Freising fünf bayerische Biogasanlagen (s. Übersicht S. 30) mit mindestens 60 % Grassilage im Substratmix zweieinhalb Jahre untersucht.


Die Grasvergärung verlief wie erwartet nicht ohne Schwierigkeiten. Dies führte dazu, dass die Auslastung der BHKW der fünf Gras-Anlagen im Vergleich zu anderen, von der LfL untersuchten Anlagen, die überwiegend mit Mais- oder Getreide-Ganzpflanzensilage gefüttert werden, deutlich niedriger ausfielen. Hierfür gab es im Wesentlichen drei Ursachen:


  • die chemisch-physikalischen Eigenschaften der eingesetzten Grassilage,
  • ungeeignete Technik,
  • mangelnde Substratverfügbarkeit.


Große Schnecken nötig:

Die beiden Biobetriebe (Nr. 1 und 2) setzten sehr anspruchsvolle Substratmischungen ein. Aufgrund der Kombination von Kleegras mit Wirtschaftsdünger wählten die Betreiber groß dimensionierte Komponenten. Die Einbringschnecken mit 80 cm Durchmesser eigneten sich gut für die Grasvergärung. Es traten keine durch das Häckselgut verursachten Schneckenbrüche auf.


Beide Betriebe besaßen zudem trichterförmige Annahmebunker mit Eintragsschnecken. Einer davon war kombiniert mit einem Abschiebewagen, um das Fassungsvermögen von 13 auf 40 m³ zu erweitern. Auch im dritten Betrieb (Nr. 3) verlief die Vergärung problemlos. Allerdings setzte der Landwirt hier fast 60% Gülle ein und hatte mit 12,5 m³ pro kW installierter Leistung außerordentlich viel Faulraum zur Verfügung.


In den übrigen Betrieben gab es dagegen erhebliche Störungen. In der Anlage Nr. 4 verursachte ungehäckselte Grassilage am Führungsrohr der Einpressschnecke eine höhere Reibung mit der Folge von Korrosion und Abrieb.


In der größten der untersuchten Anlagen (Nr. 5) stellte die LfL Schwächen bei der Substratqualität fest. Störstoffe in dem von mehreren Landwirten angelieferten Material sorgten für vier Schneckenbrüche und Schäden an der Drehkolbenpumpe. Auch reichten die bislang im Umkreis von 34 km beernteten Grünlandflächen nach Aufstockung der installierten Leistung um 265 kW nicht mehr aus, um die Moto-ren dauerhaft auslasten zu können.


Praxistipp:

Eintragsschnecken von Feststoffdosierern sollten einen Durchmesser von mindestens 70 cm haben; dies gilt insbesondere, wenn Sie langfaseriges Ladewagengras verwenden.


Rührtechnik:

Zwei Anlagen setzten horizontal angeordnete Paddelrührwerke ein. In einem Fall verwendete der Betreiber zwei dieser Rührwerke, weil der Fermenterinhalt mit einem TS-Gehalt von über 17% sehr hoch war.


Die Rührwerke konnten eine häufig auftretende Schwimmdecke trotz langer Rührzeit zunächst nicht vollständig beseitigen. Zudem bildete sich eine Sedimentschicht, die ca. ein Drittel des Fermenterraums (770 m³) einnahm. Diese Verringerung des Gärvolumens führte zur Überbelastung der Biologie. Der Betreiber musste den Behälter entleeren und reinigen lassen.


Im Zuge der Reinigung ersetzte er das eingesetzte Langachsrührwerk durch ein vertikales Paddelrührwerk. Dieses mischte das Substrat erheblich besser und reduzierte den Energieaufwand.


In Anlage 5 arbeiteten in beiden Fermentern je ein Stabmixer und ein Langachsrührwerk. Die zunächst verwendeten Langachsrührwerke mit 5,5 kW Leistung erwiesen sich als zu schwach. Erst ein Tausch gegen stärkere Rührwerke gleicher Bauart, aber mit 11 kW, brachte die gewünschte Durchmischung.


Praxistipp:

Im Fermenter sollten Sie zwei Rührwerke installieren; setzen Sie Ladewagengras oder nur wenig flüssigen Wirtschaftsdünger (unter 15%) ein, sollten Sie ein Paddelrührwerk wählen.


Ein hoher Grasanteil bedeutet wegen des höheren Rühr- und Pumpaufwandes nicht unbedingt einen höheren Strombedarf. Die Ursache für den hohen Eigenstrombedarfsanteil an zwei Anlagen (14 bzw. 17%) war die niedrige Stromproduktion. Die drei übrigen Betriebe hatten mit knapp 7% einen Eigenstrombedarfsanteil auf niedrigem Niveau.


Verschleiß vermeiden:

Für den Substrataustausch zwischen den Vergärungsstufen verwendeten die Betreiber der gut laufenden Anlagen Exzenterschneckenpumpen, wobei die Gülleleitungen eine Nennweite von mindestens 25 cm hatten.


In Anlage 5 wurde das Substrat zum Aufheizen durch einen externen Wärmetauscher gepumpt. Die Grassilage hat die dafür eingesetzte Pumpe wegen des höheren Reibwiderstandes überdurchschnittlich stark verschlissen. Während der Reparatur konnte der Betreiber die Gärbehälter nicht beheizen, wodurch die Gärtemperatur mehrmals sank.


Praxistipp:

Auch die Pumptechnik muss zum eingesetzten Substrat passen. Exzenterschneckenpumpen haben sich für dieses Einsatzgebiet bewährt.


Vorsicht Stickstoff!

Die Gehalte von Ammoniak und flüchtigen Fettsäuren geben zuverlässige Hinweise auf die biologischen Verhältnisse in der Gärstrecke. Eine Konzentration von mehr als 600 mg/l Ammoniak kann den biologischen Abbauprozess hemmen.


Liegt der Gesamtgehalt an flüchtigen Fettsäuren höher als 4000 mg/l, steigt der Gehalt von Propionsäure auf mehr als 1000 mg/l an oder übertrifft dieser den Gehalt an Essigsäure deutlich, ist das ein erster Hinweis auf eine drohende Destabilisierung des Gärprozesses.


Alle 29 der in monatlichen Abständen gezogenen Proben von Anlage 1 überschritten den Warnwert für Ammoniak. Dass in nur zehn Fällen erhöhte Säuregehalte gefunden wurden, dürfte dem Einsatz von Gärhilfsstoffen und einer gut angepassten Biologie zu verdanken sein. Erhöhte Säuregehalte traten immer dann auf, wenn die Betreiber die Fütterung umgestellt oder über mehr als drei Monate ausschließlich Kleegrassilage und Festmist gefüttert haben.


Propionsäuregehalt steigt:

Im Gegensatz dazu überschritt Anlage 2, die keine Gärhilfsstoffe einsetzte, den Ammoniak-Warnwert nur einmal. Dagegen lagen die Säuregehalte in zwei Drittel der Proben z.T. alarmierend hoch. Grund: Wenn der Betreiber einen Teil der Kleegrassilage durch Mais (10 % der Frischmasse) ersetzt hatte, bauten die Mikroorganismen Propionsäure ab. Beim alleinigen Einsatz von Kleegras in Kombination mit Gülle kam es hingegen nach ca. sechs Monaten zu einem übermäßigen Anstieg der flüchtigen Fettsäuren. Ersetzte der Landwirt das Kleegras teilweise durch Getreide statt durch Mais, so stieg die Propionsäurekonzentration im Hauptfermenter noch stärker an.


In beiden Anlagen stand für eine vollständige Auslastung der Maschinen nicht immer ausreichend Biogas zur Verfügung. Dass die Gesamtarbeitsausnutzung der installierten elektrischen Leistung in beiden Fällen dennoch bei ca. 90 % lag, ist angesichts der schwierigen gärbiologischen Verhältnisse ein überraschend positives Ergebnis und nicht zuletzt der außerordentlich guten Betreuung durch die Anlagenbetreiber zuzuschreiben.


In Anlage 4 führten die technischen Probleme zu instabilen biologischen Verhältnissen. Die Reduzierung des Faulraums durch das Sediment erhöhte die Raumbelastung und rief eine Prozessdepression hervor. Das machte sich in hohen Propionsäuregehalten von bis zu 7000 mg/l bemerkbar. Der Betreiber musste die Substratzugabe drastisch reduzieren, um die Destabilisierung des Gärprozesses zu vermeiden.


Die zweite große Prozessstörung gegen Ende der Untersuchung war vermutlich auf den langen Zeitraum zurückzuführen, in dem er ausschließlich Gülle und langfaseriges, zum Teil minderwertiges Gras eingesetzt hat. Über einen Zeitraum von vier Monaten lag der Propionsäuregehalt zwischen 4000 und 6000 mg/l und auch hier wurde die Futtermenge deutlich reduziert.


Mais stabilisiert Prozess:

Erst nachdem die Propionsäure abgebaut war, konnte er die Substratzugabe wieder erhöhen. Dabei ersetzte er einen Teil der Grassilage durch Mais (zunächst 25%, später noch 8%). In der Folge gab es während der Untersuchung keine Überlastung mehr. Aufgrund der dargestellten Probleme war das BHKW allerdings nur zu rund 60% ausgelastet.


Weitere Ergebnisse zur Prozessstabilität in Biogasanlagen:


  • Setzten die Landwirte besonders stickstoffreiche (Kleegras), langfaserige oder verschimmelte Grassilage ein, stieg das Risiko von Prozessstörungen, auch wenn sie zusätzlich mehr als 30 % Wirtschaftsdünger verarbeiteten.
  • Kombinierten sie Wirtschaftsdünger mit Grassilage, blieb der Gärprozess für maximal neun Monate stabil.


Praxistipp:

Im Abstand von höchstens zwei Wochen sollten Sie den Gehalt an ammoniakalischem Stickstoff und das Säurespektrum in einer Probe aus dem Hauptgärbehälter analysieren lassen. Bei ungünstigen Werten der genannten Prozessindikatoren sollten Sie unter Umständen Gärhilfsstoffe einsetzen, um Ammoniumstickstoff zu binden.


Vom ausschließlichen Einsatz von Grassilage über einen Zeitraum von mehr als acht Monaten ist abzuraten; hingegen konnte sich bereits bei einem auf die Frischmasse bezogenen Maisanteil von weniger als 9 % ein beeinträchtigter Gärprozess wieder stabilisieren.


Auch bei funktionierender Anlagentechnik und guter Prozessführung müssen Sie bei der Grasvergärung mit einer tendenziell niedrigeren Verfügbarkeit der Biogasanlage rechnen als bei der Vergärung von überwiegend stärkebasierten Energiepflanzen wie Mais. Möchten Sie die Anlage selektiv füttern, um Biogas flexibel zu erzeugen, ist Grassilage aufgrund ihrer vergleichsweise langsamen Umsetzung ungeeignet.


Beachten Sie diese Punkte, können Sie vorhersehbare Probleme vermeiden und die Biogasanlage wirtschaftlicher betreiben. -neu-

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