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Hemmstoffe: Zwei Tests, zwei Ergebnisse?

Lesezeit: 6 Minuten

In der Praxis sorgen Ergebnisse von Hemmstoffproben immer wieder für Irritationen. Klarheit schafft Dr. Christian Baumgartner vom Milchprüfring Bayern.


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Antibiotika in der Milch sind ein sensibles Thema. Wie häufig gibt es Rückstände in Deutschland?


Baumgartner: Sehr selten. Das verdeutlichen die Prüfergebnisse der Milchgüteverordnung aus Bayern: In gerade einmal 0,074% der Betriebe pro Monat bzw. 0,017% aller Proben finden wir Antibiotikarückstände über dem Grenzwert. Oder anders ausgedrückt: Von 100000 Tests sind nur 17 positiv. Die Anzahl der positiven Hemmstoffproben hat sich von 2006 bis 2017 halbiert (Übersicht). Diese Zahlen lassen sich auch auf Deutschland übertragen.


Was sind die Ursachen für Rückstände?


Baumgartner: Entweder melken die Landwirte aus Versehen Kühe in den Tank, die sie antibiotisch behandelt haben oder es gibt eine Verschleppung von Antibiotika bzw. antibiotikahaltiger Milch beim Melken. Wir sensibilisieren die Erzeuger zum sorgsamen Umgang mit Medikamenten.


Welche Hemmstofftests gibt es für den Praxisgebrauch?


Baumgartner: Es gibt zwei unterschiedliche Varianten: die mikrobiologischen Tests und die Schnelltests.


Wie unterscheiden sich diese?


Baumgartner: Die mikrobiologischen Tests haben sich als internationaler Standard etabliert. Am verbreitetsten ist der Brillantschwarz-Reduktionstest (BRT). Die Milchprobe wird in einem Teströhrchen zusammen mit einem Testkeim und einem Indikator bebrütet. Wächst der Keim, wechselt die Farbe des Indikators von blau nach gelb. Sind aber Hemmstoffe in der Probe, wächst der Testkeim nicht und die Probe bleibt blau. Die mikrobiologischen Tests sind unspezifisch, dafür können sie die meisten Antibiotika nachweisen. Wie empfindlich der Test ist, hängt vom Testkeim ab. Die Geräte zum Bebrüten kosten ab 150 €, Ergebnisse gibt es nach drei bis vier Stunden.


Die Schnelltests liefern bereits nach 5 bis 15 Minuten Ergebnisse. Meist wird ein Tropfen Milch auf einen Teststreifen gegeben, der sich verfärbt. Schnelltests sind Antigen-Antikörper-Tests, also substanzspezifisch. Positive Ergebnisse gibt es somit nur bei bestimmten Arzneimittelgruppen, die die Antikörper binden. Die gängigsten Schnelltests reagieren auf die Beta-Laktam-Gruppe, zu denen auch Penicillin G gehört. Ein Test kostet ab 3 bis 4 €.


Warum macht der Tankwagenfahrer auch einen Hemmstofftest?


Baumgartner: Das ist Bestandteil der Wareneingangskontrolle. Hierzu wird meist ein Schnelltest genutzt. Nur so hat die Molkerei ein schnelles Ergebnis, bevor die Milch in die weitere Verarbeitung fließen kann. Parallel dazu ziehen die Landeskontrollverbände bzw. der Milchprüfring noch eine Probe für die Milchgüteverordnung. Dieses Ergebnis dauert allerdings zwei Tage. Das ist viel zu spät für die Molkerei, die nicht so lange zwischenlagern kann.


Warum kann es passieren, dass der Hoftest und der Molkereitest zu unterschiedlichen Ergebnisse kommen?


Baumgartner: Zum einen kann das an unterschiedlichen Tests liegen. Wenn zum Beispiel ein Landwirt einer Kuh ein Mittel der Gruppe der Tetracycline verabreicht hat, dann aber einen Schnelltest verwendet, der speziell auf die Beta-Laktam-Gruppe reagiert, bleibt der Schnelltest negativ. Der mikrobiologische Test in der Molkerei würde allerdings eine positive Probe anzeigen. Deshalb ist es entscheidend, dass die Landwirte wissen, welche Wirkstoffe sie einsetzen und danach den Schnelltest aussuchen. Zum anderen kann es sein, dass Landwirt und Molkerei unterschiedliche Milch beprobt haben. Zum Beispiel findet der Landwirt in einer Einzelprobe von einer Kuh noch Hemmstoffe, die Molkerei in der Tankmilch aber nicht mehr. Hier gilt: Je empfindlicher der Test ist, desto größer sollte die Menge sein, die getestet wird. Für Einzelkühe machen hochsensible Tests keinen Sinn.


Einige Molkereien wie z.B. Arla führen zwei Hemmstofftests durch. Warum?


Baumgartner: Für mich ist das schwer zu sagen. Vermutlich will man sich absichern und auf möglichst viele Wirkstoffe untersuchen. Für die Milcherzeuger ist es umso wichtiger zu wissen, welche Wirkstoffe sie einsetzen, um dann gezielt den richtigen Test einzusetzen.


Lassen sich die Wirkstoffe bei einem positiven Hemmstoffbefund in der Sammelmilch ermitteln?


Baumgartner: Ja, mit einer speziellen chemischen Aufbereitung der Proben lassen sich die Wirkstoffe chemischanalytisch identifizieren. Das ist aufwendig, kostet bis zu 300 € pro Probe und dauert zwei Tage. Dennoch machen es einige Molkereien. Im Ergebnis kann es sein, dass die Probe die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschritten hätte, aber die Molkereien die Milch schon aus Vorsorge entsorgt haben.


Wer haftet und ist verantwortlich für einen positiven Hemmstoffbefund?


Baumgartner: Immer der Verursacher, also in der Regel der Landwirt, der die Milch in den Verkehr bringt. Meist ist der Schaden aber über die Haftpflichtversicherung des Betriebs abgedeckt.


Was passiert mit der hemmstoffhaltigen Milch in der Molkerei?


Baumgartner: Hemmstoffhaltige Milch muss die Molkerei sicher entsorgen. Das geschieht meist in speziellen Biogasanlagen oder in Tierkörperbeseitigungsanlagen. Die Kreisverwaltungsbehörden verlangen einen entsprechenden Entsorgungsnachweis, wenn die Molkerei überprüft wird.


Kann eine Kuh nach einer Euterbehandlung auch nach der Wartezeit noch hemmstoffpositiv sein?


Baumgartner: Ja, kann sie. Hierbei müssen wir aber zwei Grenzwerte unterscheiden. Zum einen den gesetzlichen Grenzwert MRL (Maximum Residue Limit). Er beschreibt, ab wann Lebensmittel nicht mehr sicher sind. Deshalb ist Milch mit Rückständen über diesem MRL-Wert nicht verkehrsfähig und muss entsorgt werden. Und zum anderen den Grenzwert, ab dem die Tests hemmstoffhaltige Milch anzeigen. Je nachdem, wie empfindlich der Hemmstofftest ist, kann es durchaus sein, dass dieser eine positive Probe anzeigt, der gesetzliche MRL-Wert aber nicht überschritten ist. Die Milch wäre somit verkehrsfähig. Da man aber in der Regel nicht weiß, um welche Substanz es sich handelt, und deshalb auch nicht entscheiden kann, ob der MRL-Wert unterschritten ist, muss hemmstoffpositive Milch aus Sicherheitsgründen entsorgt werden.


Was raten Sie, um bei Antibiotikabehandlungen sicher zu gehen?


Baumgartner: Die Landwirte sollten in erster Linie die gute fachliche Praxis anwenden: euterkranke Kühe fachgerecht behandeln, die Wartezeit strikt einhalten und die Milch nach Ablauf der Wartezeit wieder in den Tank melken. Wer sich zusätzlich absichern will – und das ist ratsam – kann einen Schnelltest machen, bevor er die Milch dieser Kuh wieder abliefert. Dabei sollte er aber keinen hochsensiblen Test verwenden und darauf achten, dass der Test den verwendeten Wirkstoff auch nachweisen kann.


Reicht es, nach einer Hemmstoffkuh das Melkzeug mit kaltem Wasser zu spülen?


Baumgartner: Nein! Das Risiko, hemmstoffhaltige Milch zu verschleppen, ist zu hoch. Wir raten zu einem Reinigungsmittel und einer Temperatur von mindestens 40°C. Zudem ist es sinnvoll, bei Hemmstoffkühen nur Melkzeuge mit neuen und glatten Schläuchen zu verwenden. In brüchigen und rissigen Gummiteilen bleiben schnell Antibiotikarückstände zurück.


Führen auch Klauen- oder Parasitenbehandlungen zu positiven Ergebnissen?


Baumgartner: Ja, sofern Antibiotika eingesetzt wurden. Diese scheiden die Kühe dann auch über die Milch aus.


Kontakt: patrick.liste@topagrar.com

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