Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

Kommt für Biodiesel & Co. das Aus?

Lesezeit: 6 Minuten

Die EU-Kommission will den Einsatz von Biokraftstoffen aus Raps und Getreide drastisch zurückfahren. Was ist genau geplant? Und welche Folgen hätte das für Landwirtschaft und Klimaschutz?


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Der Verkehr gilt als das Sorgenkind der Energiewende: Die Treibhausgasemissionen steigen an, während der Markt für umweltschonende Alternativen wie Erdgasfahrzeuge oder die Elektromobilität nicht richtig in Schwung kommt. Und jetzt will die EU auch noch die bisherigen Stützen der Energiewende im Verkehr, Bioethanol und Biodiesel auf Basis landwirtschaftlicher Rohstoffe, drastisch reduzieren. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft und den Klimaschutz.


Was plant die EU?

Die EU-Kommission will die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) in verschiedenen Sektoren reduzieren und damit die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erfüllen. Für den Verkehrssektor ist eine Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive, kurz RED) geplant. Brüssel hatte Ende 2016 mit dem sogenannten „Winterpaket“ einen Entwurf der RED II vorgelegt, die den Zeitraum 2020 bis 2030 regeln soll. Die Kommission setzt darin in erster Linie auf „fortschrittliche“ Biokraftstoffe, die der „zweiten Generation“ angehören. Sie werden vor allem aus Rest- und Abfallstoffen wie Stroh hergestellt. Dagegen will Brüssel die „nahrungsmittelbasierten Biokraftstoffe“ wie z.B. Ethanol auf Basis von Getreide, Mais oder Zuckerrüben sowie Biodiesel auf Basis von Raps zurückfahren – und zwar auf einen Anteil von 3,8% am gesamten, in der EU verbrauchten Kraftstoff im Jahr 2030. Das wäre ein deutlicher Rückschritt: Nach dem aktuell noch geltenden Ziel für den Transportsektor sollte in der EU im Jahr 2020 ein Anteil erneuerbarer Energien von 10% erreicht sein. Davon dürfen Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse einen Anteil von 7% haben.


Im Januar 2018 hat das EU-Parlament vorgeschlagen, dass nach der RED II der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr 2030 mindestens 12% betragen soll, wobei 10% davon Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen stellen sollen. Für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse bliebe nur ein Anteil von 2%.


Die Gründe:

Nach Meinung der EU-Politiker verursachen die herkömmlichen Biokraftstoffe sogenannte „indirekte Landnutzungsänderungen“ (Indirect Land Use Change, kurz: ILUC). Diese Theorie basiert darauf, dass Rohstoffe für Biokraftstoffe auf Ackerflächen angebaut werden, auf denen bislang Lebensmittelrohstoffe wuchsen. Diese würden dann auf schützenswerten Flächen angebaut, wie zum Beispiel Regenwald oder Torfmoor. Bei deren Nutzung entstehen deutlich mehr THG-Emissionen, die man wiederum direkt den genannten Biokraftstoffen anlasten müsste. Aus diesem Grund hätten Biokraftstoffe (auch aus heimischem Anbau) eine schlechtere THG- Bilanz, teilweise sogar als fossile Kraftstoffe.


Die ILUC-Theorie ist mangels fundierter Nachweise sehr umstritten. Zudem berücksichtigt sie Koppelprodukte wie Rapskuchen und Schlempe nicht ausreichend, die bei der Biokraftstoffproduktion anfallen. Dabei handelt es sich um gentechnikfreie, heimische Eiweißfuttermittel, für die kein Sojaschrot aus Südamerika importiert werden muss.


Folgen für Landwirte:

Eine Reduktion des Biokraftstoffanteils auf 2% würde eine Halbierung der Absatzmengen von Biokraftstoffen in Deutschland bedeuten, so der Verband der Biokraftstoffindustrie (VDB).


Ein Großteil der EU-Raps-ernte wird zur Produktion von Biodiesel verwendet. Ohne Biodiesel würde der wichtigste Absatzmarkt in Deutschland und Europa wegfallen. Zudem hätte ein Rückgang von Raps Nachteile für die Fruchtfolge, aber auch für Insekten wie die Bienen. Einziger Lichtblick: Das EU-Parlament will Palmöl als Rohstoff für die Biodieselproduktion verbieten. Da der Palmölanteil bei europäischem Biodiesel in den letzten Jahren gewachsen ist, könnte der Wegfall durch einen erhöhten Einsatz von Rapsöl ersetzt werden.


Folgen für den Klimaschutz:

Der Verkehr ist für rund 18% der THG-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Die Emissionen im Verkehr waren im Jahr 2014 genauso hoch wie im Jahr 1990. Der deutsche „Klimaschutzplan 2050“ besagt, dass die Emissionen bis zum Jahr 2030 gegenüber 1990 um 40 bis 42% sinken müssen.


Hoffnung ruht auf Elektromobilen. Doch gibt es in Deutschland aktuell nur knapp 60000 E-Fahrzeuge, das ist ein Anteil von 0,7% der Flotte. Selbst wenn die Zahl auf die von der Regierung anvisierten 6 Mio. bis zum Jahr 2030 steigen sollte, wäre das nur ein Anteil von 13% am Fahrzeugbestand (2017: 45,8 Mio.).


Da der Pkw-Verkehr noch nicht einmal die Hälfte der Emissionen im Verkehrssektor verursacht, könnten 6 Mio. Elektroautos nur knapp 6% THG-Minderung bewirken – und das auch nur, wenn man einen Strommix von 100% erneuerbare Energien annimmt. Aktuell liegt dieser Anteil in Deutschland bei 37%.


Das zeigt: Elektromobilität kann nur eine Ergänzung zu Biokraftstoffen sein. Gerade für den Schwerlast-, Flug- und Schiffsverkehr sind flüssige Kraftstoffe wegen ihrer Energiedichte derzeit ohne Alternative.


Dazu kommt, dass Fahrzeuge im Schnitt 15 Jahre genutzt werden. Um die Klimaschutzziele 2030 zu erreichen, kommt es darauf an, vor allem für den heutigen Fahrzeugbestand schnell eine Alternative zu finden.


Die EU-Kommission und das Parlament wollen die Elektromobilität oder synthetische Kraftstoffe besonders fördern, die mithilfe der Elektrolyse aus Strom hergestellt werden.


Daher sollen Mineralölkonzerne pro verkaufter Kilowattstunde (kWh) Strom 2,5 bis 5 kWh gutschreiben dürfen. Dieser Bilanztrick führt dazu, dass sie mit Strom die THG-Minderungsquote schneller erfüllen können, ohne für mehr Klimaschutz zu sorgen.


Zudem ist offen, wer heute in fortschrittliche Biokraftstoffe investieren soll, wenn schon die Politik für die erste Generation keine verlässlichen Rahmenbedingungen schaffen kann.


Welche Alternativen gibt es?

Viele Verkehrsexperten sehen eine Kombination von verschiedenen Kraftstoffoptionen als sinnvoll an. Der VDB beispielsweise fordert, für herkömmliche Biokraftstoffe einen Anteil von 7% beizubehalten und andere Optionen aufzusatteln. Genauso könnten Biokraftstoffe auf die Flottenziele der Automobil-Industrie angerechnet werden. Vorbild dafür ist die Schweiz. Bei diesem Konzept würde der THG-Ausstoß der Fahrzeuge pro km nicht auf rein fossile Kraftstoffe bezogen, sondern auf den Kraftstoffmix, bei dem der erneuerbare Anteil berücksichtigt wird. Mit diesem Vorgehen könnte die Industrie die Flottenziele schneller erreichen als mit innermotorischen Verbesserungen.


So geht es jetzt weiter:

Innerhalb der nächsten Monate wird die RED II im „Trilog“ zwischen EU-Rat, der EU-​Kommission und dem Europäischen Parlament verhandelt. Die gesamte Biokraftstoffbranche einschließlich der Landwirtschaft hofft noch, dass ihre Argumente entsprechend gehört werden und am Ende eine gute Lösung gefunden wird – vor allem im Zusammenhang zwischen Biokraftstoffproduktion und Eiweißfuttermitteln. Hoffnung setzt die Branche auch auf die neue Bundesregierung. So sieht der Koalitionsvertrag ausdrücklich vor, dass die Regierung „Biokraftstoffe abfall- und reststoffbasiert sowie auf Pflanzenbasis“ unterstützen will.


Hinrich Neumann

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.