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Paratuberkulose auf dem Vormarsch

Lesezeit: 7 Minuten

Langanhaltender Durchfall und schließlich der sichere Tod: Paratuberkulose beim Rind ist stark gefürchtet. Die Krankheit betrifft immer mehr Betriebe. Dr. Heike Köhler vom Friedrich-Loeffler-Institut berichtet.


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Stark abgemagert ist die Kuh, obwohl sie gut frisst. Nach der Kalbung gibt sie deutlich weniger Milch und hat unstillbaren Durchfall. Alle Behandlungsversuche des Tierarztes schlagen fehl. Auffällig ist außerdem die dicke Kehle. Eine bakteriologische Untersuchung deckt auf, was die Ursache für diese Symptome ist: Die Kuh hat Paratuberkulose im Endstadium.


Damit ist sie eine von 507 gemeldeten Fällen im vergangenen Jahr. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.


Das Alarmierende: Seit dem Jahr 2000 steigt die Zahl der an Paratuberkulose-erkrankten Kühe stetig an. Darauf weisen die Meldedaten hin. Die Krankheit ist mittlerweile deutschlandweit verbreitet (vgl. Karte) und verursacht auf den Betrieben hohen wirtschaftlichen Schaden.


Einige Bundesländer wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt bereiten deswegen Landesprogramme zur Bekämpfung der Krankheit vor. Andere Bundesländer wie Thüringen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg fahren bereits seit Jahren freiwillige Bekämpfungsprogramme.


Wenn Einzeltiere im Betrieb Paratuberkulose-Symptome zeigen, sind mit ziemlicher Sicherheit mehr Tiere betroffen. Doch sehen kann man das noch nicht. Woran liegt das?


Bakterien greifen Darm an:

„Schuld“ an der Infektionskrankheit ist das sogenannte Mycobacterium avium subsp. paratuberculosis, kurz MAP.


Die Infektion führt zu einer langsam voranschreitenden Entzündung der Darmschleimhaut. Die Folge: Das Tier kann die Nährstoffe nicht mehr über den Darm aufnehmen. Es kommt zu einem Proteinmangel im Köper, was den Leberstoffwechsel belastet.


Die infizierten Tiere erscheinen über lange Zeit völlig gesund, obwohl die Erkrankung im Inneren voranschreitet. Bis die charakteristischen, aber relativ unspezifischen Symptome im Endstadium auftreten, können sogar zwei bis zehn Jahre vergehen.


Bei Rindern kommt es zunächst schubweise, später langanhaltend zu nicht heilbarem Durchfall, verbunden mit Abmagerung bis zum Festliegen.


Im Endstadium treten infolge des Proteinmangels Unterhautschwellungen auf, wie in dem Beispiel an der Kehle. Schließlich sterben die Tiere infolge völliger Erschöpfung.


Vorher jedoch bereitet vor allem ei­-nes den Tierhaltern Kopfzerbrechen: Milch­­leistungsrückgang, ohne dass es einen sichtbaren Grund dafür gibt.


Im Schnitt geben MAP-ausscheidende Kühe 7 % weniger Milch als ihre nicht-ausscheidenden Stallgefährtinnen. Das haben Untersuchungen an mehreren 1 000 Kühen in deutschen Milchviehherden gezeigt.


MAP wird in der Regel durch Kot übertragen. Kälber sind besonders empfänglich für die Erreger.


Kot überträgt Erreger!

Weil Kotpartikel nahezu überall haften, haben die Erreger ein leichtes Spiel, sich rasch auszubreiten: Kälber lecken an kotkontaminierten Flächen wie z. B. am Euter, der Stalleinrichtung, an Stiefeln und Bekleidung etc. Aber auch über MAP-kontaminierte Tränken (Kolostrum, Milch, Wasser) und Futtermittel gelangen die Bakterien ins Kalb.


Dort infiziert MAP die Darmschleimhaut, siedelt sich in sogenannten Entzündungszellen an und vermehrt sich in ihnen. Schließlich sterben die Zellen ab und die Erreger gelangen wieder in das Innere des Darms. Von dort aus werden sie mit dem Kot ausgeschieden.


Das Tückische an der Krankheit: Die Ausscheidung beginnt bereits in der frühen Phase der Erkrankung, Jahre bevor die Tiere Symptome zeigen.


Zunächst wird MAP nur phasenweise oder in geringen Mengen freigesetzt. Schreitet die Erkrankung fort, werden auch mehr Erreger ausgeschieden.


MAP kann im Kot sehr lange überleben. Es ist gegenüber hohen und niedrigen Temperaturen, UV-Licht, Trockenheit und den meisten Desinfektionsmitteln widerstandsfähig.


Inzwischen wurde nachgewiesen, dass MAP sich auch über Staub an Stellen im Stall ablagert, wo man ihn nicht vermuten würde (auf Lüftungsrohren, Trägern etc.).


Meist gelangt Paratuberkulose über Zukauf mit infizierten, äußerlich gesunden Tieren in den Bestand.


In Einzelfällen kann auch der vorübergehende Kontakt von Kälbern oder Jungrindern mit scheinbar gesunden Ausscheidern auf Tierschauen und Auktionen ausreichen, um den eigenen Bestand zu infizieren.


Neben Rindern können sich z. B. auch Schafe, Ziegen und Wildwiederkäuer mit der Krankheit infizieren. Eine wechselseitige Übertragung von MAP zwischen Rindern und Rothirschen, die dieselbe Weide nutzten, hat es bereits nachweislich gegeben.


Paratuberkulose lässt sich grundsätzlich über den Kot, das Blut und die Milch nachweisen. Welche Untersuchungsmethode man nun wählt, hängt davon ab, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist, und ob man Einzeltiere oder den ganzen Bestand untersucht (vgl. Kasten Seite R 19).


Keine Medikamente!

Ist Paratuberkulose nachgewiesen, sind die Tierhalter mehr oder weniger auf sich „alleine“ gestellt. Denn erstens stehen keine Medikamente zur Verfügung und zweitens ist Paratuberkulose nicht heilbar.


Es gibt zwar Impfstoffe, ihre Schutz-wirkung reicht jedoch nicht aus, um eine Infektion zu verhindern. Sie tragen jedoch zur Senkung der Erregerausscheidung bei und stärken das Immunsystem. Das Auftreten klinischer Symptome kann damit aber nur hinausgezögert, jedoch nicht verhindert werden. Weil diese Impfstoffe in Deutschland nicht zugelassen sind, braucht man eine Ausnahmegenehmigung durch die zuständige oberste Landesbehörde.


Die Tierhalter können ihren Bestand nur vor der tückischen Krankheit schützen indem sie eine Infektion verhindern. Wie aber gelingt das?


Vorbeugen ist der beste Schutz:

Das wirkungsvollste Mittel, seine Herde vor Paratuberkulose zu schützen, ist keine Tiere aus anderen Beständen zu­zu­kaufen.


Lässt sich ein Zukauf nicht umgehen, sollte man darauf achten, dass die Tiere aus Beständen kommen, deren Paratuberkulose-Status bekannt ist und die nur gering durchseucht sind.


Mittlerweile gibt es Rinderbestände, in denen über mehrere Jahre in jähr­lichen Untersuchungen keine MAP-­Ausscheider nachgewiesen wurden und die deshalb als Paratuberkulose-unverdächtig anerkannt wurden.


Auf die Untersuchung von Einzeltieren sollte man sich bei Zukauf jedoch nicht verlassen. Denn die meisten Ausscheider werden erst ab einem Alter von rund 24 Monaten erkannt, manche auch erst viel später. Damit zeigt die Krankheit eine weitere Tücke.


Für eine erfolgreiche Bekämpfung im Bestand ist deshalb eine regelmäßige Bestandsuntersuchung unerlässlich.


Die Sanierung Paratuberkulose-positiver Bestände erfordert Zeit und Durchhaltevermögen.


Das Ziel der Sanierung ist es, den Infektionsdruck zu senken und die Übetragungswege zu den empfänglichsten Tieren der Herde, den Kälbern, zu unterbrechen. Dabei stehen folgende Maßnahmen im Vordergrund:


  • Ausscheider merzen.
  • Kälber getrennt von Jungrindern und Alttieren aufstallen.
  • Kühe in einer sauberen Einzelbox abkalben lassen, die nicht mit dem Kot anderer Tiere verschmutzt ist.
  • Kalb und Muttertier nach der Geburt sofort voneinander trennen. Die Kälber nicht am Euter saugen lassen, sondern das Kolostrum separat verfüttern.
  • Kein Mischkolostrum tränken.
  • Mischmilch pasteurisieren oder 30 min auf 65 °C erhitzen. Kälber außerhalb der Biestmilchphase nur mit Milchaustauschern füttern.
  • Den Kälberbereich getrennt vom Kuhbereich bewirtschaften. Und zwar mit eigens dafür vorgesehenen Geräten, sauberem Schuhwerk und sauberer Kleidung.


Die wichtigste Maßnahme in der ­Bekämpfung ist, die Paratuberkulose-­freien Bestände vor einer Infektion zu schützen und somit die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Dafür muss jeder Tierhalter daran interessiert sein, seinen Bestandsstatus zu kennen.


Wenn nichts auf das Vorkommen von Paratuberkulose hindeutet, sollte alles dafür getan werden, dass der Erreger auch in Zukunft nicht in den Bestand eingeschleppt wird.


Tierhalter, in deren Bestand Paratuberkulose nachgewiesen wurde, sollten ihre Augen nicht vor der Erkrankung verschließen, sondern mit der Bekämpfung beginnen.


Bekämpfung freiwillig!

Die Bekämpfung von Paratuberkulose in Deutschland ist derzeit freiwillig. Die Emp­fehlungen für hygienische Anforde­rungen an das Halten von Wiederkäu­-ern des Bundeslandwirtschaftsministeriums zeigen Tierhaltern Wege zur Prävention und Bekämpfung auf.


Landwirte werden dabei je nach Bundesland auf unterschiedliche Weise von den Tierseuchenkassen und Tiergesundheitsdiensten unterstützt. Einen Schwerpunkt bildet die individuelle Beratung der Landwirte, die dabei helfen soll, betriebsspezifische Hygienepläne aufzustellen.


Finanziell werden die Landwirte durch die Zahlung von Beihilfen für die Diagnostik unterstützt.


Zu wünschen ist, dass die Bekämpfung in allen Bundesländern gleichsam ernst genommen wird und es ein einheitliches Vorgehen bei der Sanierung gibt.

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